Welcome to Pine Hill

Drama | USA 2012 | 81 Minuten

Regie: Keith Miller

Gerade als er ein neues bürgerliches Leben beginnt, erfährt ein ehemaliger Drogendealer, dass er sterbenskrank ist. Ihm bleibt noch ungefähr ein halbes Jahr, um seine Angelegenheiten in Ordnung zu bringen und Abschied zu nehmen. Packendes, von einem charismatischen Laiendarsteller herausragend gespieltes, mit bescheidenen Mitteln gedrehtes, aber umso authentischeres Drama. Aus der Perspektive seines afroamerikanischen Protagonisten beleuchtet es nicht nur einen Sterbeprozess, sondern lotet darüber hinaus auch die immer noch vorhandene Kluft zwischen dem "schwarzen" und "weißen" Amerika aus. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
WELCOME TO PINE HILL
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
Esopus Creek Pic.
Regie
Keith Miller
Buch
Keith Miller
Kamera
Begonia Colomar · Lily Henderson · Alex Mallis · Eric Phillips-Horst
Schnitt
Keith Miller
Darsteller
Shanon Harper (Abu) · Mark Anthony Hackett (Marcus) · Lilly Jayne (Barfrau) · Jaiden Kayne (Jay) · Mark Read (Barbesucher)
Länge
81 Minuten
Kinostart
22.08.2013
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
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Diskussion
Zwei Monate war es her, dass Filmemacher Keith Miller in den Straßen von Brooklyn einen Hund gefunden hatte. Er hatte ihn mit zu sich nach Hause genommen, Zettel aufgehangen, in der Nachbarschaft herumgefragt und, als sich der Besitzer des Pitbulls nicht meldete, beschlossen, das Tier zu behalten. Dann, zwei Monate später, wurde er von einem Fremden angesprochen, als er den Hund ausführte. Der Mann behauptete, dass der Hund ihm gehöre. Die beiden Männer kamen ins Gespräch. Sie stritten sich nicht, aber es war keine angenehme Unterhaltung, die sie führten. Keith Miller ist weiß, und der andere, Shanon „Abu“ Harper, war ein kräftiger schwarzer Kerl. Scheinbar diskutierten beide nur über den Hund, unterschwellig jedoch, das wurde Miller hinterher klar, ging es um mehr. Ein Kulturkonflikt mitten in den USA. Zwei Männer, die gefährlich nahe aneinander vorbeiredeten. Die Eskalation lag in der Luft. Aber Keith und Abu verabschiedeten sich am Ende mit einem Handschlag. Und mehr noch, der Filmemacher überredete Harper, dieses merkwürdige und doch so vielsagende Aufeinandertreffen für einen Kurzfilm nachzuspielen. So entstand die 8-minütige Dokufiktion „Prince/William“, die leicht verändert auch den Auftakt für Millers Spielfilmdebüt „Welcome to Pine Hill“ liefert, mit eben jenem Shanon Harper in der Hauptrolle. Selten war die oft bemühte Rede vom „Glücksfall“ treffender als hier: Harpers Leinwandpräsenz nämlich ist schlichtweg überwältigend. Allein ihm beim Atmen zuzusehen ist ein Ereignis. Miller blieb angesichts seines kleinen Budgets vermutlich gar nichts anderes übrig als ganz auf das Charisma seines Laiendarstellers zu setzen. Wieder ein Glücksfall. Die tragische Geschichte, die Miller in „Welcome to Pine Hill“ erzählt, hat auf den ersten Blick nur wenig mit dem Prolog zu tun. Harper spielt den ehemaligen Drogendealer Abu, der gerade versucht, sein Leben in den Griff zu bekommen, als er erfährt, dass er todkrank ist. Die Ärzte diagnostizieren bei ihm eine seltene, besonders aggressive Form von Magenkrebs. Bestenfalls ein halbes Jahr geben sie ihm noch. Abu erzählt niemandem davon, aber er bemüht sich, seine Angelegenheiten in Ordnung zu bringen. Er zahlt seine Schulden zurück, spricht sich mit seiner Mutter aus, trifft sich noch einmal mit den Freunden von früher. Begleitet wird er von einer wackligen Handkamera wie aus den „Dogma“-Anfängen. Der dokumentarische Stil schlägt sich auch in einer ruppigen Kadrage nieder, die immer wieder aus dem Gleichgewicht gerät und mehrfach sogar die Köpfe der Protagonisten abschneidet. Wenn es aber darauf ankommt, ist die Kamera zur Stelle: Geduldig harrt sie aus; länger als es ein reiner Abbild-Realismus verlangen würde. Gesten und Körperhaltungen, Blicke verraten dann, was Abu verschweigt: seine verzweifelte Sehnsucht, die inneren Kämpfe, sein Ringen mit sich selbst, all die unterdrückte Wut, die Verletzlichkeit. Er spricht nicht darüber, wie er sich fühlt, er lächelt trotzig, verbittert, melancholisch, aber auch freundlich und ehrlich belustigt. Irgendwann weint er auch. Es brodelt in ihm, und auf der Suche nach seinem inneren Frieden manövriert Drehbuchautor und Regisseur Miller ihn wiederholt in Situationen, die außer Kontrolle zu geraten drohen. So wie das Gespräch im Prolog oder die Unterhaltung an der Bar mit einem neugierigen weißen Akademiker, der schon alles über Abus Leben zu wissen glaubt, nur weil er ein paar Songs des Gangsta-Rappers „50 Cent“ kennt. Doch die Gewalt, die in der Luft liegt, bricht nicht aus. Miller entscheidet sich gegen das Spektakel, das nur ablenken würde von der Diagnose eines innerlich zerrissenen Landes. Stattdessen begleitet er seinen Protagonisten nach Pine Hill, zu den Wanderwegen in den Catskill Mountains, hinein in einen grünen Wald, der, verglichen mit den Straßen von Brooklyn, wie eine andere Welt wirkt. „Welcome to Pine Hill“ ist ein kleiner, einfacher Film; mit unruhigen Bildern, engagierten Laiendarstellern und improvisierten Dialogen. Technisch steckt die Produktion voller Mängel. Die Einstellungen wurden nicht ordentlich ausgeleuchtet, der Ton nicht sauber abgenommen. Aber fast alles, was man im Einzelnen hätte besser machen können, hätte dem Film insgesamt geschadet. So verbinden sich Form und Inhalt zu einem einzigartig authentischen Werk, einem großartig gespielten, berührenden persönlichen Drama, das Miller einem an Krebs gestorbenen Freund widmet, und zugleich zu einem alarmierenden, aber keineswegs hoffnungslosen Psychogramm der US-amerikanischen Gesellschaft.
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