Sie tragen die Namen wohl riechender Pflanzen: Violet, Rose und Heather. An dem elitären, an der Ostküste gelegenen ehemaligen Frauencollege Seven Oaks tritt das Trio der parfumbesessenen und abstrus theoretisierenden Studentinnen – angeführt von Violet, später wird noch das Blumennamen-Mädchen Lily akquiriert – als eine Art selbst erklärtes Weltverbesserungskommando auf, wobei ihre Definitionen von „Welt“ und „Verbesserung“ ebenso wenig nahe liegend sind wie ihre Methoden: Partybesuche als Jugendsozialdienst, einen Freund wählen, der weniger cool ist, über kein Potential verfügt oder dieses noch nicht ausgeschöpft hat (Heather schafft es immerhin, ihrem strohdummen Freund die Farben bei zu bringen), schöne und sorgfältige Kleidung (vorwiegend hell, mit Hang zum Altmodischen), ein ausgewähltes Vokabular. Außerdem: Dougnuts, Stepptanz und duftende Seifen als therapeutisches, suizidpräventives Angebot. Überhaupt spielen wohlige Gerüche – auf das aus dem muffigen Schlafsaal „Doar Dorm“ ein „Dior Dorm“ werde – und Tanzen eine bedeutende Rolle bei ihrer Mission. So besteht Violets großer Traum darin, einen Tanz zu erfinden, der einen großen „dance craze“ auslösen und damit den Verlauf der Menschheitsgeschichte verändern wird; Sambola nennt sich das Ganze, und es sieht merkwürdig aus.
Die „Damsels in Distress“, so der ungleich schönere Originaltitel von Whit Stillmans „Algebra in Love“, der erste Film, den der Chronist der „urban haute bourgeoisie“ 13 Jahre nach „Last Days of Disco“
(fd 33 939) gemacht hat –, sind die forschen, eloquenten Schwestern der eher in sich gekehrten Nerds, wie man sie im filmischen Kosmos von Wes Anderson findet: reichlich absonderlich, randständig, aber mit einem ausgeprägtem Bewusstsein für Stil. Verquer ist, dass die Ambitionen der Damen durchaus von Konservatismen durchzogen sind, die aber derart schrullig ausfallen, dass sie schon wieder als avanciert durchgehen.
Auch formal unterscheidet sich Stillman von Andersons exzentrischen, komplett durchgestalteten Parallelwelten. „Algebra in Love“ folgt durchaus einem ästhetischen Konzept und wirkt beständig wie in helles Licht und Pastellfarben getaucht. Die spezielle Stillman’sche Wirklichkeit, die wenig mit der Realität zu tun hat, wenngleich die übersteuerte Inszenierung von Distinktionsformen durchaus einen wahren Kern treffen, generiert sich jedoch nicht über Ausstattung und Dekors, sondern vor allem sprachlich: durch grandios geschriebene Dialoge, die ihre ganz eigenen, versponnenen und oftmals monologischen Wege gehen, abseits jeder sprachlichen Konventionen, jedoch immer elegant und mit viel Sinn fürs Kultivierte. Aber auch die Sprache der Körper hat bei Stillman eine tragende Funktion: Gesten und Bewegungen, etwa der gleichermaßen anmutige wie leicht ungelenke, zum Watscheligen tendierende Gang von Greta Gerwig, ihre Tanzschritte, die eine Verbeugung vor den Musicals Fred Astaires sind, aber etwas Fremdartiges und Unpassendes in den Bewegungsfluss einschleusen.
„Algebra in Love“ ist so bezaubernd wie komisch. Man kann nur hoffen, dass bis zum nächsten Film von Whit Stillman nicht noch einmal mehr als ein Jahrzehnt vergeht.