„Sightseers“ – das klingt nach Urlaub und Erholung, nach Abwechslung und Alltagsflucht, aber auch – der Sehenswürdigkeiten wegen – nach Wissen und Bildung. Ferien sind allerdings häufig auch mit Erwartungen belastet, und jede Abweichung davon kann zu Konflikten führen, die einer Lösung bedürfen. Damit ist das Erzählprinzip von „Sightseers“ umrissen. Chris überredet seine neue Freundin Tina, die nach dem bizarren Unfalltod ihres Hundes etwas deprimiert und zudem mit einer überfürsorglichen Mutter geschlagen ist, zu einer Rundreise. Er will mit ihr in seinem Caravan durch Yorkshire reisen, um ihr Dinge zu zeigen, die ihm am Herzen liegen. Das Tram-Museum in Crich zum Beispiel. Oder das Viadukt von Ribblehead. Nicht zu vergessen das Bleistift-Museum in Keswick. Und zwischendurch immer wieder die wundervolle britische Landschaft mit ihrem grünen Gras und den sanften Hügeln. Es könnte alles so schön sein, wären da nicht die anderen. Schon bei der ersten Station ärgert sich Chris über einen Fremden, der die Verpackung seines Speiseeises achtlos fallen lässt. Als er ihn später auf dem Parkplatz im Rückspiegel sieht, fährt er ihn rückwärts über den Haufen. Versehentlich, wie Chris versichert, und garantiert nicht geeignet, sich den Urlaub verderben zu lassen. Störende Zeitgenossen gibt es allerdings viele, von lärmenden Teenagern bis zu aufdringlichen Campingplatz-Nachbarn. Chris ist nicht mehr bereit, sich einengen zu lassen. Und schon bald nimmt sich Tina an ihm ein Beispiel, immer getreu dem Motto: Wer stört, stirbt.
„Sightseers“ ist eine sehr makabre, sehr englische Komödie, voller Understatement und schwarzen Humor. Inszeniert hat sie Ben Wheatley, der in England als Regie-Wunderkind gilt. Das Drehbuch entstand in Zusammenarbeit mit den beiden Hauptdarstellern Alice Lowe und Steve Oram, die ihre Rollen, auch durch improvisierte Dialoge, selbst gestaltet haben. Schon in „Kill List“ (2011) testete Wheatley die Verträglichkeit der Verquickung von Gewalt und Komik aus und überspannte dabei für viele den Bogen. „Sightseers“ ist dagegen viel zurück genommener, lakonischer. Der Witz entsteht hier vor allem durch die Selbstverständlichkeit und Beiläufigkeit, mit der Chris und Tina missliebige Mitmenschen aus dem Weg räumen, während sie sich gleichzeitig – so, als seien die Morde ein Aphrodisiakum – immer näher kommen. Nicht minder komisch ist die vage Ahnung des Paares, eine Rechtfertigung für ihr mörderisches Tun finden zu müssen; da es aber keine moralische Grundsätze besitzt, geht dies nur auf sehr rationale Art: Tote verpesten nicht mehr die Umwelt.
Der Hass und die Intoleranz, die sie in ihrer Dünnhäutigkeit an den Tag legen, könnten auch auf eine britische Gesellschaft verweisen, die für Verlierer keinen Platz hat und ihre Bürger immer mehr in ihren Entfaltungsmöglichkeiten einschränkt. So versucht Chris vergeblich, ein Buch zu schreiben; Tinas zerrüttetes Verhältnis zu ihrer Mutter verleiht dem Film ebenso melancholische Momente wie ihre gescheiterten Beziehungen zu Männern. Ein Interpretationsangebot, das Wheatley nur am Rande interessiert. Stattdessen dreht er weiter sanft an der Schraube und lässt die Ereignisse ganz allmählich eskalieren, von Leiche zu Leiche, bis zum grausigen und doch konsequenten Ende. Es wäre schön, wenn man gemeinsam sterben könnte, sagt Tina einmal, und so weht sogar ein Hauch von Romanik durch den Film.