Breathing Earth - Susumu Shingus Traum

Dokumentarfilm | Deutschland/Großbritannien 2012 | 97 (24 B./sec.)/93 (25 B./sec.) Minuten

Regie: Thomas Riedelsheimer

Dokumentarfilm über den japanischen Künstler Susumu Shingu, der an der Schnittstelle von Kunst und Wissenschaft arbeitet und gemeinsam mit seiner Frau das Projekt eines energieautarken, vor allem von Windkraft betriebenen Dorfs verfolgt. Für die künstlerischen Bestrebungen Shingus findet die Inszenierung eine kongeniale filmische Umsetzung, die sich sowohl bildgestalterisch als auch musikalisch dem Kosmos des Künstlers sensibel annähert und so über ein schlichtes Porträt hinaus einen sinnlichen Eindruck des Werks und der Künstlerpersönlichkeit vermittelt. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
BREATHING EARTH - SUSUMU SHINGUS DREAM
Produktionsland
Deutschland/Großbritannien
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
Filmpunkt/Skyline/WDR
Regie
Thomas Riedelsheimer
Buch
Thomas Riedelsheimer
Kamera
Thomas Riedelsheimer
Musik
Stephan Micus
Schnitt
Thomas Riedelsheimer
Länge
97 (24 B.
sec.)
93 (25 B.
sec.) Minuten
Kinostart
27.12.2012
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 12.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Die Welt mit den Augen eines Kindes zu sehen ist eine Fähigkeit, die man nicht erlernen kann, sondern die man sich bewahren muss. Sie steht Künstlern gut an und natürlich auch Filmemachern; sie verbindet Susumu Shingu und Thomas Riedelsheimer. Als Erwachsener gewöhne man sich an die Dinge, nehme sie als gegeben hin, „auch wenn man sie nicht versteht“, sagt der japanische Künstler Susumu Shingu. „Schönheit“, kommentiert der Filmemacher Thomas Riedelsheimer im Presseheft zu „Breathing Earth – Susumu Shingus Traum“, müsse man überhaupt „erst einmal bemerken“. Riedelsheimer (Jahrgang 1963) ist ein filmischer Synästhetiker; er transponiert bildende Kunst und Musik in sein Medium, übersetzt sie in bewegte, vielgestaltige Bilder, ohne dabei auch nur im Ansatz in einen erläuternden Gestus zu verfallen. Es geht ihm nicht darum, Kunstwerke zu zeigen, sondern die Werke und ihre Künstler, Musik und Natur fühlbar zu machen. Ohne reportagehafte Distanz, gleichsam intuitiv entwickeln sich seine essayistischen Künstlerporträts zu tiefgreifenden Betrachtungen über das Leben und die Kunst. Bekannt wurde Riedelsheimer mit „Rivers and Tides – Andy Goldsworthy Working With Time“ (fd 35 295); es folgte „Touch the Sound – A Sound Journey With Evelyn Glennie“ (fd 36 777). Nach „Seelenvögel“ (fd 39 556) über die Lebens- und Vorstellungswelten an Leukämie erkrankter Kinder begleitet er mit Susumu Shingu nun einen Künstler, für den die Natur eine ähnlich große Rolle spielt wie für Andy Goldsworthy. Zu Beginn wird Shingu als „Leonardo da Vinci des 21. Jahrhunderts“ vorgestellt. Damit ist vermutlich die Schnittstelle von Kunst und Wissenschaft gemeint, an der sich der Japaner insbesondere mit seinem neuen Projekt bewegt: „Breathing Earth“ soll ein im entstehenden begriffenes Dorf heißen, das energieautark lebt. Ein Think Tank für Wissenschaftler, ein Atelier, ein Restaurant, ein Amphitheater und weitere Gebäude werden von der Windkraft versorgt, die Shingus praktisch lautlose Windräder mit bewegt schwenkenden Segeln erzeugen. Shingus Leidenschaft gilt dem Wind, er ist in seinen Augen „das Atmen der Erde“. Mit seinen Skulpturen fängt er den Wind ein und lässt ihn wieder frei, macht Unsichtbares sichtbar: Gelbe und blaue Segel schwingen in den künstlichen Strömen unter der Deckenkonstruktion eines Flughafens; über einen Teich streicht eine sanfte Brise, die das Wasser kräuselt und die lose verteilte Gruppe weißer, origamihafter Mobiles in musikalische Rotation versetzt. Riedelsheimer zeigt Kunst und Künstler im Kontext der Natur, er sucht durch das Auge seiner Kamera gewissermaßen den künstlerischen Prozess: Shingus „Dialog mit der Natur“. Wasserläufer sind zu sehen, die auf der Oberfläche des Teichs flüchtige Spuren hinterlassen, die Vergänglichkeit tanzender Samenflocken im Sonnenlicht. In der subjektiven Perspektive eines Greifvogels, der kurz ins Bild kommt, überfliegt die Kamera eine Ausstellung in den Reisfeldern. Susumu Shingu ist auf der Suche nach einem Ort, an dem er seine Vision verwirklich kann, nach Geldgebern und Seelenverwandten, die „Breathing Earth“ unterstützen möchten. Der Regisseur, der neben der Kamera erneut auch für den Schnitt verantwortlich zeichnet, folgt dem Künstler nach Süditalien, ins Ruhrgebiet, nach Schottland und in die Türkei. Mit dabei ist stets auch Yasuko, Shingus Frau; ganz nebenbei erzählt der Film auch die Geschichte ihrer Liebe und einer fast symbiotischen Zusammenarbeit. Es gelingt Riedelsheimer, das Unsichtbare durch Töne und Musik sichtbar zu machen: den Wind, der nur zu sehen und zu hören ist, wenn er sich verfängt. Das Rascheln der Blätter, die langstieligen Gräser, die sich im Wind biegen, eine Wasserskulptur, die sich vielarmig dreht – all dies ist akustisch extrem ausdifferenziert. Die Musik von Stephan Micus addiert eine eigentümliche Mischung aus Minimalismus und Exotik; unbekannte Instrumente wie die traditionelle japanische Shakuhachi-Flöte spielen eine Rolle. In einem kurzen Exkurs besucht Shingu einen Flötenbauer, wobei es auch hier um Luftströme geht, die je nach dem Atem des Bläsers der Flöte vollkommen unterschiedliche Töne entlocken. In Mexiko umflattern Shingu und seine Frau unzählige Monarchen-Schmetterlinge; Tiere, die mit dem Wind wandern, um zu überleben – in Mexiko überdauern sie den eiskalten kanadischen Winter, im Sommer geht es wieder in den Norden zurück. Es ist allerdings nicht so, dass ein Schmetterling losfliegt und wieder ankommt. Der Jahreszyklus zählt sechs Generationen. Aus dieser Geschichte will Shingu ein Kinderbuch machen.
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