Weil ich schöner bin

Jugendfilm | Deutschland 2012 | 84 (24 B./sec.)/81 (25 B./sec.) Minuten

Regie: Frieder Schlaich

Ein 13-jähriges kolumbianisches Mädchens lebt mit seiner Mutter ohne Aufenthaltsgenehmigung in Berlin und ist permanent von Abschiebung bedroht. Der politisch engagierte Kinder- und Jugendfilm erzählt konsequent aus der Perspektive des vitalen Teenagers und beschreibt dessen Alltag wunderbar beiläufig: die beginnende Abnabelung von der Mutter; Bummeltouren mit der Freundin; das lange Zeit vergebliche Bemühen, an einem Gymnasium eingeschrieben zu werden; die ernüchternde Begegnung mit dem Vater. Ohne ins Didaktische oder Sentimentale abzudriften, macht er die Nöte und Konflikte des Mädchens für ein junges Publikum sinnlich erfahrbar. - Sehenswert ab 10.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
Filmgalerie 451
Regie
Frieder Schlaich
Buch
Claudia Schaefer
Kamera
Benedict Neuenfels
Musik
Don Philippe
Schnitt
Robert Kummer · Kolja Kunt · Karina Ressler
Darsteller
Mariangel Böhnke (Charo) · Angeles Aparicio (Inés) · Mira Aring (Laura) · Lavinia Wilson (Jutta) · Andrea Sanchez del Solar (Amanda)
Länge
84 (24 B.
sec.)
81 (25 B.
sec.) Minuten
Kinostart
27.12.2012
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 10.
Genre
Jugendfilm | Kinderfilm
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Die Extras umfassen u.a. ein interessantes 8-seitiges Booklet zum Film.

Verleih DVD
Filmgalerie 451 (16:9, 1.78:1, DD5.1 dt)
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Diskussion
„Scheiß Verstecken.“ Damit beginnt Charos Erzählung aus dem Off. Das 13-jährige Mädchen ist genervt von dem permanenten Ausnahmezustand, der seinem Bedürfnis nach einer normalen Teenager-Existenz immer wieder in die Quere kommt. Seitdem Charo vor acht Jahren gemeinsam mit ihrer Mutter von Kolumbien nach Deutschland gekommen ist, leben sie ohne Papiere. Jedes Klingeln an der Wohnungstür wird zu einer Bedrohung, jeder noch so alltägliche Kontakt mit Behörden und Institutionen – die Beantragung eines Bibliotheksausweises, die Anmeldung an einer Schule – wächst sich zum gefährlichen Unterfangen aus. Auch Charos Freundschaft mit Laura ist durch die Illegalität eingeschränkt: Ihre beste Freundin darf nicht wissen, dass sie keine Papiere hat. „Nee, lieber zu Karstadt“, lautet eine ihrer vielen Ausreden, wenn Laura vorschlägt, nach der Schule mit Charo nach Hause zu gehen. „Weil ich schöner bin“ ist ein Film in ständiger Bewegung. Mehrfach werden Koffer gepackt und Quartiere gewechselt, mehrfach auch gibt es Bewegungen in andere soziale Räume und Milieus: von Neukölln geht es etwa in den Grunewald, wo Charos Mutter, von der Tochter begleitet, die Villa einer Familie putzt und deren Kinder hütet. Außerdem: Gänge zu Jutta, einer befreundeten Anwältin, die sich um rechtliche Belange und die Unterkunft kümmert, zu diversen Gymnasien, um eine Anmeldung zu erwirken, was ohne Papiere nahezu aussichtslos ist, zum machistischen Vater, der ein Restaurant in Schöneberg betreibt und bei der Aufenthaltsgenehmigung helfen könnte. Wenn Charo mit Laura durch die Stadt streunt, Sonnenbrillen und Hüte anprobiert, auf Spielplätzen herumhängt und mit einem gestohlenen Kaninchen aus der Tierhandlung flüchtet, dann bekommt das Motiv des Unterwegs-Seins plötzlich eine freiheitliche Bedeutung: Es steht es für Unbeschwertheit, für Zukunftspläne und Flausen im Kopf. Ganz ernsthaft scheint Charos Existenz in Deutschland bedroht, als der illegale Status der Mutter bei einer polizeilichen Kontrolle auffliegt und sie innerhalb von zwei Wochen das Land verlassen muss. Ihre Tochter könnte zwar weiterhin mit ihrer besten Freundin und deren kleinen Sohn zusammenleben, aber auch sie haben keine Papiere; es ist ein Leben in fortwährender Unsicherheit, also soll Charo mit zurück nach Kolumbien. Sie aber möchte in Deutschland bleiben, sie ist in diesem Land groß geworden, spricht dessen Sprache besser als die ihres Herkunftslands. Und sie plant ihre Zukunft: aufs Gymnasium gehen, Anwältin werden wie Jutta. Gleichzeitig hat sie ein Bewusstsein dafür, was das Leben ohne Papiere und die Trennung von der Mutter bedeuten. „Weil ich schöner bin“ ist ein politischer Kinder- und Jugendfilm, dessen Geschichte Frieder Schlaich konsequent aus der Perspektive des Teenagers erzählt. So gibt es etwa animierte Sequenzen, in denen sich Charo in einem Flugzeug imaginiert oder mit Laura als Western-Heldinnen in Schwarz-Weiß-Bildern durch die Gegend stürmt. Allzu subtil lässt sich das Thema der Illegalität für ein jugendliches Publikum natürlich nicht umsetzen, mitunter wirkt der Film in den Dialogpassagen zudem etwas hölzern und ausbuchstabiert, was auch den Produktionsverhältnissen unter Low-Low-Budget-Bedingungen geschuldet sein mag. Zu einer freieren Form findet der Film immer dann, wenn er allein den Bildern folgt und ganz der unausgesprochenen Vertrautheit der Freundinnen vertraut; wenn Charo und Laura unterwegs sind und das tun, was Teenager eben so tun: sich die Haare färben, Musik hören, Jungs anrufen und eine spontane Party organisieren. Intensiv vermittelt sich, wie die Normalität dieser Szenen einen merklichen Knacks bekommt: Es ist eine Normalität in einer ganz und gar nicht normalen – und politisch zutiefst kritikwürdigen – Situation.
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