Thriller | Slowenien/Deutschland/Kroatien/Serbien 2009 | 91 (24 B./sec.)/88 (25 B./sec.) Minuten

Regie: Damjan Kozole

Eine Studentin in Ljubljana wird Prostituierte, um sich einen großzügigeren Lebensstil leisten zu können. Ihr Doppelleben droht aufzufliegen, als sie durch den Herztod eines Freiers ins Visier der Polizei gerät und die Aufmerksamkeit zweier aggressiver Zuhälter auf sich zieht. Stimmiger Thriller, der ein suggestives Angstszenario aufbaut, ohne dafür auf drastische Eskalationen setzen zu müssen. Eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Thema der Prostitution, die um eines "besseren" Lebens willen betrieben wird, gelingt dabei freilich nicht. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
SLOVENKA
Produktionsland
Slowenien/Deutschland/Kroatien/Serbien
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
Vertigo/Emotionfilm/Neue Mediopolis Filmprod./Film House Bas Celik/4 Film/RTV Slovenija
Regie
Damjan Kozole
Buch
Ognjen Svilicic · Matevz Luzar · Damjan Kozole
Kamera
Goran Volarevic
Musik
Mario Schneider · Silence
Schnitt
Marko Glušac
Darsteller
Nina Ivanisin (Aleksandra) · Peter Musevski (Edo) · Primoz Pirnat (Zdravko) · Marusa Kink (Vesna) · Uros Fürst (Grega)
Länge
91 (24 B.
sec.)
88 (25 B.
sec.) Minuten
Kinostart
21.06.2012
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Thriller
Externe Links
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Diskussion
Der Anfang verheißt nichts Gutes: Eine junge Prostituierte, die unter dem Code-Namen „Die Slowenin“ in der Lokalzeitung Sex anbietet, erlebt, wie einer ihrer Freier, ein übergewichtiger, älterer Mann, einen Herzinfarkt erleidet, nachdem er zwei Viagra-Pillen geschluckt hat. Die junge Frau alarmiert die Hotelrezeption, lässt den Sterbenden dann aber auf dem Fußboden liegen, schnappt sich ein paar Geldscheine aus seiner Brieftasche und verschwindet. Kurz darauf sieht man sie durch die Einkaufsstraßen von Ljubljana gehen und in erleuchtete Schaufenster starren. Eine auffällige Designer-Lampe sticht ihr ins Auge. Diese kauf sie später. Für ihre Eigentumswohnung, die sich die Anglistik-Studentin nur leisten kann, weil sie die Raten mit dem Geld bezahlt, das sie als Hure verdient. Ihr Vater, den sie regelmäßig in ihrer kleinen Heimatstadt besucht, unterstützt sie finanziell, könnte ihr aber nur ein bescheidenes Leben ermöglichen, weil er selbst gerade so über die Runden kommt. Er ahnt nichts vom „Nebenjob“ seiner Tochter. Anders als etwa in „Das bessere Leben“ von Malgoska Szumowska (fd 40 993) ist die „Moral von der Geschichte“ im Film des slowenischen Regisseurs Damjan Kozole relativ klar und einfach: Die Studentinnen-Prostitution, bei der es nicht ums schiere Überleben, sondern ums (materiell) bessere Leben geht, ist Symptom einer in ihren Werten und in ihrem sozialen Zusammenhalt destabilisierten Gesellschaft und kann nur verderbliche Konsequenzen haben. Als Scheidungskind von der Mutter im Stich gelassen und von einer auf Konsum ausgerichteten, anonymen Großstadtwelt verlockt, gerät Aleksandra, „die Slowenin“, bei ihrem Versuch, ihren kleinen Verhältnissen zu entfliehen, auf eine schiefe Bahn, die direkt Richtung Abgrund führt. Der Mann, den sie im Hotelzimmer sterben ließ, entpuppt sich als deutscher Abgeordneter, was dazu führt, dass „der Slowenin“ bald die Polizei auf den Fersen ist. Außerdem rücken ihr zwei Zuhälter auf den Leib, die sie zwingen wollen, künftig für sie anzuschaffen. Auch Aleksandras strikte Trennung zwischen ihrer „offiziellen“ Existenz als braver Studentin und guter Tochter und der als Callgirl wird brüchig. Der durch die Anfangssequenz noch suggerierte Eindruck, „die Slowenin“ sei eine abgebrühte Professionelle, verflüchtigt sich bald. Glamour und ein hipper Lifestyle spielen in Aleksandras Leben keine große Rolle; vielmehr zeigt der Film die junge Frau ernst, nachdenklich und, von ihrer schönen Wohnung einmal abgesehen, nicht extravaganter als ihre „normalen“ Freundinnen. Den Gedanken, der verkaufte Sex könnte Aleksandra nicht nur Geld, sondern gelegentlich auch einen Lustgewinn verschaffen, lässt Kozole gar nicht erst aufkommen, indem er die Darstellung ihrer Stelldicheins mit Kunden auf einige besonders gruselige Beispiele reduziert. Wodurch sich von selbst die Frage beantwortet, ob sich der „Deal“ für Aleksandra lohnt: Da sich die hedonistische Lebensfreude an den Früchten ihrer Arbeit ziemlich in Grenzen hält, scheint ihr Huren-Dasein mehr wie ein Selbstzerstörungstrip denn als anstößiger Flirt mit den Annehmlichkeiten des Kapitalismus. Dass „Callgirl“ trotz dieses eher schlichten Zugriffs auf sein Sujet gefangen nimmt, hängt vor allem damit zusammen, dass Kozole daraus einen spannenden Thriller konstruiert: Er baut Aleksandras Doppelleben wie ein Kartenhaus aus Lügen und Geheimnissen auf, um es dann wirkungsvoll einstürzen zu lassen und seine spröde Heldin mehr und mehr in die Enge zu treiben. Ohne auf drastische Eskalationen zu setzen, ergibt sich ein suggestives Angstszenario, während Aleksandras Geschäft mit dem eigenen Körper für sie mehr und mehr zur existenziellen Bedrohung wird. Die Inszenierung und das Spiel der Hauptdarstellerin Nina Ivanisin bleiben angenehm zurückhaltend. Ivanisin legt Aleksandra als schwer durchschaubare Figur an: Ihr zartes Schneewittchen-Gesicht ist meist ein „Stoneface“, auf dem sich Gefühle nur in Extremsituationen abzeichnen. Auf eine „Auspsychologisierung“ der Figur und ihrer Motivationen wird glücklicherweise verzichtet. Das emotionale Zentrum des Films bildet Aleksandras Beziehung zu ihrem Vater, einer liebevoll gezeichneten Underdog-Figur, die sich rührend darum bemüht, der Tochter familiären Rückhalt zu bieten. Wenn dieser vom Leben enttäuschte Mann schließlich mit seiner Band alt gewordener Jungen in einer Kneipe „Bobby Brown“ covert, Frank Zappas drastischen Abgesang auf den „American Dream“, während sein gefallenes Mädchen draußen eine Zigarette raucht und einer ungewissen Zukunft entgegen schaut, dann ist das schmerzlich intensiv.
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