Drei französische Matrosen dienen auf einem Schiff im Südpazifik, nahe den Atollen, auf denen Atombombentests durchgeführt werden. Von deren Gefahren ahnt die Crew freilich nichts, während sie ihrem routiniert-gleichförmigen Alltag nachgeht. Der Film entfaltet ein suggestives Szenario, hinter dessen trügerischer Friedlichkeit sich latente Verderbnis andeutet, der die Menschen nicht entkommen können. Ohne Pathos, in ruhigen Einstellungen und kühl-elegischen Bildkompositionen formuliert der Film jenseits lauter Katastrophenspektakel ein Klagelied auf die Zerstörung von Natur und Menschenleben durch militärische Unternehmungen. (O.m.d.U.)
- Ab 16.
Schwarzer Ozean
- | Belgien/Deutschland/Frankreich 2010 | 91 (24 B./sec.) 88 (25 B./sec.) Minuten
Regie: Marion Hänsel
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Filmdaten
- Originaltitel
- NOIR OCÉAN
- Produktionsland
- Belgien/Deutschland/Frankreich
- Produktionsjahr
- 2010
- Produktionsfirma
- Man's Film Prod./A.S.A.P. Films/Neue Pegasos Film/ARTE France Cinéma/ZDF-ARTE/RTBF/Rhône-Alpes Cinéma
- Regie
- Marion Hänsel
- Buch
- Marion Hänsel
- Kamera
- Jan Vancaillie
- Musik
- René-Marc Bini
- Schnitt
- Michèle Hubinon
- Darsteller
- Nicolas Robin (Massina) · Adrien Jolivet (Moriaty) · Romain David (Da Maggio) · Alexandre de Seze (Glass) · Jean-Marc Michelangelli (Leutnant)
- Länge
- 91 (24 B.
sec.) 88 (25 B.
sec.) Minuten - Kinostart
- 07.06.2012
- Fsk
- ab 6 (DVD)
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Externe Links
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Heimkino
Diskussion
Es ist der Beginn einer Reise in unbekannte Gefilde: Der Pazifik ist warm, azurblau und ruhig. Der Einsatz der Rekruten auf dem französischen Marineschiff Sirocco im Sommer 1972 ist unspektakulär. Man verbringt die Zeit mit Landgängen, Kartenspielen, Faustkämpfen und den alltäglichen Verrichtungen, die zum Ritual eines See-Einsatzes gehören: Penible Reinigung von Schiff und Bewaffnung, Sicherheitstraining, Abhören des Funk- und Luftraums nach verdächtigen Vorkommnissen. Und Warten, ewiges Warten auf den nächsten Einsatzbefehl. Der leicht dickliche, ein wenig einfältige Da Maggio, der verschlossene Einzelgänger Massina und der mysteriöse Rebell Moriaty könnten unterschiedlicher nicht sein; und dennoch scheinen die drei aufeinander angewiesen in einer durchorganisierten Welt, zu der sie nicht recht dazu gehören wollen. Sie mögen sich nicht übermäßig, gehen sich mitunter auf die Nerven, aber sie leben ein Stück weit zusammen in einer lebensfeindlichen Welt.
„Schwarzer Ozean“ ist ein rästelhafter Film. Schon zu Beginn sieht man – in einer Rückblende – einen kleinen Jungen bei einem seltsam anmutenden „Ritual“. Der kleine Junge ist Moriaty, von dem der Zuschauer bald das Gefühl bekommen wird, ihn am besten zu kennen. Eines Abends auf dem Schiff wird er Massina von jenem Ereignis aus seiner Vergangenheit erzählen, das ihn so sehr und so fatal prägen sollte: von dem kleinen Metallkästchen mit dem Zettel darin, das der schon damals schmächtige Junge an dem einen Ufer eines kalten, dunklen Flusses vergrub, nur um am nächsten Tag vom anderen Ufer her unter Todesangst jenen Fluss zu durchqueren, das Kästchen wieder auszugraben und auf dem selbstgefertigten Zettel darin zu lesen: „Der, der es gewagt hat, den Fluss zu durchqueren, verdient ein gutes Leben!“
Still und unendlich melancholisch, zeichnet der Film seine Protagonisten nur schemenhaft; bis zum Ende gewinnen sie allenfalls an Tragik. Sie bewegen sich in einer schönen Szenerie, die, wie die suggestive Kameraarbeit vermittelt, unter ihrer Idylle faul ist – und nicht ganz von dieser Welt. An einem dieser schönen Tage im Südpazifik, wird die Besatzung Zeuge einer der 170 zwischen 1966 und 1995 von den Franzosen gezündeten Atombomben-Tests. Keiner der Crew kennt den Zweck oder weiß, dass sie alle Versuchskaninchen sind in einem perfiden Experiment. Allein Moriaty ahnt, dass die selbstgebastelte Prophezeiung seiner Kindheit nie wahr werden wird: Sein Leben, gerade Zwanzig Jahre alt, war nicht gut – und wird es auch nie sein.
„Schwarzer Ozean“ ist ein Stillleben, das einen lähmenden Stillstand porträtiert. Auch wenn Massina am Ende ein Resümee zieht, ist nichts bewältigt. Scheinbar aus der Zukunft hört man ihn aus dem Off zu uns sprechen und weiß wenigstens, dass er selbst noch am Leben ist. Doch es spielt keine Rolle, da das Leben der drei temporären Weggefährten ohnehin nie wirklich begonnen hat. Als einziger Kristallisationspunkt für die Emotionen (sowohl der Protagonisten, als auch der Zuschauer) fungiert ein Hund, von dem niemand weiß, wo er herkommt, zu wem er gehört und was er auf dem Schiff zu suchen hat. Einem Engel der Barmherzigkeit gleich, schließt er sich jeweils dem der drei jungen Matrosen an, der ihn am Nötigsten hat. Heilung erfährt jener dadurch indes nicht.
Marion Hänsel ist mit „Schwarzer Ozean“ ein schöner, trotz der oberflächlichen Sommerfrische kalter Film gelungen. Ihr Kameramann, der Belgier Jan Vancaillie, findet behutsam schwelgende, sanfte Bilder einer trügerischen Idylle; Bilder, die durch keine hektischen Schnitte zerstört werden und auf ihren Motiven solange verweilen, bis man die Trostlosigkeit in ihnen zu erkennen glaubt. Die Kammermusik von René-Marc Bini spielt dazu ein beiläufiges Klagelied, ohne die ganze Szenerie ins Pathetische abgleiten zu lassen. „Schwarzer Ozean“ erinnert in seiner morbiden Schönheit an die Elegien Alexander Sokurows, an seine Soldatendokumentation „Die Stimmen der Seele“ und den narrativ ganz ähnlich gelagerten „Beau Travail“ (fd 34 209) von Claire Denis. In Randnotizen zeigen sie die Absurdität kriegerischen Handelns und sind die Chronisten derer, die dabei unmerklich und unspektakulär auf der Strecke bleiben.
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