Drama | Türkei 2012 | 92 Minuten

Regie: Reis Çelik

Um eine Blutfehde zu beenden, wird zwischen einem 60-jährigen, eben erst aus dem Gefängnis entlassenen Mann und einem 14-jährigen Mädchen eine Hochzeit arrangiert. Beide empfinden den Druck der Dorfgemeinschaft als unerträgliche Belastung, finden aber in der Hochzeitsnacht doch einen Zugang zueinander, der mit den Erwartungen der Familien nichts zu tun hat. Suggestiv interpretiert das engagierte, psychologisch nuanciert gespielte Drama das bunt-pittoreske Hochzeitsritual zum Fanal der Angst um, die aus dem Zwang überkommener Konventionen herrührt. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
LAL GECE
Produktionsland
Türkei
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
Kaz Film
Regie
Reis Çelik
Buch
Reis Çelik
Kamera
Gökhan Tiryaki
Schnitt
Reis Çelik
Darsteller
Ilyas Salman · Dilan Aksüt · Mayseker Yücel (Mutter) · Sabri Tutal (Onkel) · Sercan Demirkaya
Länge
92 Minuten
Kinostart
29.03.2012
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama
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Diskussion
Die Kritik an arrangierten Ehen und Zwangsheiraten, zwei Schlüsselthemen bei der Bewertung der „condition humaine“ der Gesellschaft, gehört zum integralen Themenkanon des türkischen Films. Meist nehmen die Filmemacher dabei zu Recht die Perspektive der benachteiligten Frauen ein. Reis Çelik zeigt in seinem Drama, dass die Folgen zwanghaft vermittelter sozialer Konventionen dabei durchaus auch Männersache sind. „Lal Gece“ beginnt als farbenfrohes ostanatolisches Hochzeitsmärchen: Trommelwirbel, Kreistänze, eine Autokolonne, reichhaltig gedeckte Tische. Doch schon bald nimmt die Kamera die Perspektive der Braut ein, richtet ihren Blick auf die Hochzeitsgesellschaft wortwörtlich durch den Schleier. Ein handwerklicher Kunstgriff, mit dem die feiernden Dorfbewohner und ihre fröhlichen Schreie zur dumpfen Begleitmusik der Angst uminterpretiert werden. Die Party-Laune der Freunde und Verwandten, die sich da schemenhaft hinter dem roten Vorhang der Burka bewegen, kann die Erwartungshaltung kaum kaschieren: Das Volk will Blut sehen, das Blut auf dem befleckten Bettlaken nach der Hochzeitsnacht. Aber auch der Bräutigam steht unter Erfolgsdruck, muss er doch die Frau, die er kaum kennt, entjungfern. Çelik, der selbst im ländlichen Osten der Türkei geboren wurde und durch einige politisch engagierte Spiel- und Dokumentarfilme auf sich aufmerksam machte, inszeniert eine zwischenmenschliche Extremsituation. Seine Braut ist 14, sein Bräutigam 60 und wurde gerade erst nach langer Haftzeit aus dem Gefängnis entlassen. Die Heirat wurde arrangiert, um die Blutfehde zwischen zwei Familien zu beenden. Beide lernen sich erst in der Hochzeitsnacht kennen. „Das ist dein Zuhause. Ob dein Mann dich schlägt oder beschimpft, hier kommst du nicht mehr weg“, kommentiert die Hausherrin, als das Mädchen ins Brautzimmer gebracht wird. Ein mit bunten Teppichen und Tüchern eingerichtetes Zimmer, dessen Farbenpracht zum Symbol der Angst wird. Der Bräutigam bewegt sich hier genauso unsicher wie die Braut, wandelt nervös von einer Wand zur anderen, wie er es womöglich vorher Jahre lang in seiner Gefängniszelle getan hat. Ganz langsam entwickelt sich ein Gespräch, ein zartes Band eher wie zwischen Großvater und Enkelin. Ihrer Pflicht kommen Braut und Bräutigam nicht nach, am Ende hängt kein beflecktes Betttuch aus dem Fenster. Stattdessen hallt ein Schuss aus dem Haus durchs Dorf. „Lal Gece“ vollzieht sich als kammerspielartiges Zwiegespräch, das den unbarmherzigen sozialen Druck gesellschaftlicher Konventionen auf die Beteiligten souverän exemplifiziert. Präzise interpretiert Çelik lebensfrohe Hochzeitsfarben als Metaphern der Angst, verdeutlicht die gefängnisartige Enge der Gesellschaft auf 25 Quadratmetern Osttürkei. Eine eindeutige Botschaft in eindeutiger Kulisse, was dem Film mitunter ein folkloristisches „Geschmäckle“ gibt, gebrochen freilich durch ein Schauspiel, dessen Nuancen reichlich Raum für psychologische Interaktion lassen.
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