Ein Autor von Kriminalromanen, der unter einer Schreib-Blockade leidet, "stolpert" im französischen Jura über eine tote, betörend schöne Frau, für die sich niemand interessiert, weil ihre Leiche im Niemandsland zwischen Frankreich und der Schweiz liegt. Er ermittelt auf eigene Faust und stößt auf ein Leben voller unerfüllter Wünsche, in dem Männer eine entscheidende Rolle spielten. Seine Recherchen beflügeln ihn zu einem Roman, in dem er und die Tote, mit der er in seiner Fantasie eine Affäre beginnt, eine wichtige Rolle spielen. Eine reizvolle, eigenwillig-faszinierende Mischung aus subtilem Thriller und humorvoller Gesellschaftsstudie.
- Sehenswert ab 16.
Who Killed Marilyn?
Thriller | Frankreich 2011 | 102 Minuten
Regie: Gérald Hustache-Mathieu
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Filmdaten
- Originaltitel
- POUPOUPIDOU | POUPOUPIDOU - NOBODY ELSE BUT YOU
- Produktionsland
- Frankreich
- Produktionsjahr
- 2011
- Produktionsfirma
- Dharamsala/France 2 Cinéma
- Regie
- Gérald Hustache-Mathieu
- Buch
- Gérald Hustache-Mathieu · Juliette Sales
- Kamera
- Pierre Cottereau
- Musik
- Stephane Lopez
- Schnitt
- Valérie Deseine
- Darsteller
- Jean-Paul Rouve (David Rousseau) · Sophie Quinton (Martine Langevin genannt Candice Lecoeur) · Guillaume Gouix (Brigadier Bruno Leloup) · Olivier Rabourdin (Kommandant Colbert) · Clara Ponsot (Rezeptionistin)
- Länge
- 102 Minuten
- Kinostart
- 02.08.2012
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
- Genre
- Thriller
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Diskussion
Marilyn Monroe, David Lynch und die Coen-Brüder im Jura: Krimiautor David Rousseau steckt in einer Schaffenskrise. Gerade recht kommt ihm da der Tod seiner Großmutter oder Großtante, der ihn in den französischen Jura bringt. Hier hat Rousseau als Kind im Sommer ab und zu die Ferien verbracht. Im Film von Gérald Hustache-Mathieu ist nun aber Winter, und der von Jean-Paul Rouve gespielte Städter wirkt in seinem Sportauto und seiner Bohème-Kluft in der tief verschneiten Provinz so richtig schön fehl am Platz. Aber auch das vermeintlich große Erbe ist nicht das, was man erwartet: Bloß einen ausgestopften Hund händigt man Rousseau aus. Grotesk wirkt das Hundevieh auf dem Rücksitz seines Auto und landet in der Mülltonne: Die Wertigkeiten, das lernt man bereits in den ersten Minuten des Films, sind auf dem Land und in der Stadt verschieden, und Ironie ist ein köstliches Stilmittel.
Wirklich erwartet hat man Solches von Gérald Hustache-Mathieu nicht, obwohl der Franzose in seinem halblangen „La chatte andalouse“ (2002) eine Nonne Dildos sammeln und in seinem ersten Langspielfilm „Avril“ („Fromme Lüge“, 2006) eine Novizin die weltlichen Freuden entdeckt ließ. Sehr wohl erwartet aber, herbeigesehnt gar, hat man eine Wiederbegegnung mit Sophie Quinto, der luziden Schauspielerin, die in Hustache-Mathieus bisherigen Filmen mitspielte, ab und zu im Fernsehen – eigentlich aber viel zu selten – zu sehen ist. Man trifft sie in „Poupoupidou“ mausetot im tiefen Schnee. Es handle sich bei der Toten um die lokale Wetterfee, erfährt Rousseau, und dass sie sich offensichtlich umgebracht habe. Mehr kriegt Rousseau aus den Polizisten nicht heraus, und den Fall untersuchen wollen diese auch nicht: Die Leiche lag im Niemandsland zwischen Frankreich und der Schweiz. Die etwas bizarre Auskunft weckt Rousseaus Neugierde, schließlich gehören ungelöste Fälle und Leichen in seine Arbeitswelt. Er beginnt zu ermitteln. Seine Recherchen führen ihn vom schäbigen Motel, in dem er abgestiegen ist, aufs Polizeirevier, via Leichenhalle hinaus ins Dorf, in die Wohnung der Toten, die Disco, in der sie zuletzt gesehen wurde, in die lokale Fernsehstation; vom Motel-Zimmermädchen zu den Polizisten, dem Krankenhauspersonal, den Disco- und Kneipenbesuchern: Es gibt niemanden, der Candice Leceour, geborene Martine Langevine, nicht kannte, keinen Mann, dessen Fantasie „La Belle de Jure“, wie sie als Modell hieß, nicht beflügelte. Es ist ein Leben voller unerfüllter Wünsche und enttäuschter Hoffnungen, das sich vor Rousseau ausbreitet; ein sich betont männlich gebender Fotograf, spielt darin ebenso eine Rolle wie ein gewalttätiger Sportler, ein jovialer Fernseh-Moderator, ein angegrauter Lokalpolitiker und sein Bruder: Die Parallelen zwischen Candice’ Leben und Marilyn Monroes Biografie fallen nicht nur Rousseau auf. Und da sind da auch noch Candice’ Tagebücher, dank denen die Verstorbene im Film quasi posthum wieder Leben erlangt. Rousseau, beflügelt von der Affäre, welche er in seinen Träumen und Fantasien mit ihr hat, beginnt, ein neues Buch zu schreiben. Er wird dabei zur Figur seiner eigenen Fiktion, und spätestens hier sprengt „Poupoupidou“ den Rahmen eines 08/15-Krimis.
Spannend und leise satirisch ist Hustache-Mathieus Film, eine flink-humorvolle Gesellschaftsstudie, zugleich ein subtiler Thriller. Ein eigenwilliges, aber packendes Leinwandwerk, dessen Regisseur die Filme von David Lynch so garantiert gesehen hat wie den Thriller „Fargo“ (fd 32 223) von den Coen-Brüdern, und der seinem Protagonisten zwischendurch unverdrossen Zeit gibt, dem Knirschen seiner Schuhe auf dem Schnee zu lauschen. Ein hübsch frech-feines filmisches Kleinod ist das!
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