Von seiner Mutter verlassen und seinem Vater misshandelt, muss sich ein 14-Jähriger in einem Landstrich Japans, der von Verwüstung gekennzeichnet ist, allein durchschlagen; nur ein etwa gleichaltriges Mädchen und einige Obdachlose versuchen, ihm Rückhalt zu geben. Doch sie können ihn nicht davor bewahren, in gewalttätige Auseinandersetzungen mit Yakuzas verstrickt zu werden. Brillante Adaption eines Manga als aufwühlende Mischung aus grotesker Tragödie und komischem Theater, in der sich der Protagonist mit wütender Kraft gegen das Schicksal auflehnt. Zugöeich lässt sich der Film auch als eine Aufarbeitung jüngster japanischer Traumata lesen: Sion Sono hat die Manga-Vorlage ins von Erdbeben, Tsunami und der Reaktorkatastrophe von Fukushima zerstörte Japan transferiert.
- Sehenswert ab 16.
Himizu
Drama | Japan 2011 | 130 (24 B./sec.)/125 (25 B./sec.) Minuten
Regie: Sion Sono
Kommentieren
Filmdaten
- Originaltitel
- HIMIZU
- Produktionsland
- Japan
- Produktionsjahr
- 2011
- Produktionsfirma
- Studio3/Gaga/Kodansha
- Regie
- Sion Sono
- Buch
- Sion Sono
- Kamera
- Sôhei Tanikawa
- Musik
- Tomohide Harada
- Schnitt
- Junichi Ito
- Darsteller
- Shôta Sometani (Sumida) · Fumi Nikaidô (Chazawa) · Tetsu Watanabe (Yoruno) · Mitsuru Fukikoshi (Keita) · Megumi Kagurazaka (Keitas Frau)
- Länge
- 130 (24 B.
sec.)
125 (25 B.
sec.) Minuten - Kinostart
- -
- Fsk
- ab 16
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
- Genre
- Drama | Literaturverfilmung
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Heimkino
Diskussion
Mit der hingekritzelten Aufforderung „Hab ein schönes Leben!“ auf einem zerfransten Zettel und 500 Yen in Münzen ist seine Mutter aus Yuichis Leben verschwunden. Yuichi ist 14 Jahre und hatte bislang keine hohen Ansprüche an das Leben. Sein Vater sollte mit dem Bootsverleih am Stadtrand für einen soliden Lebensunterhalt sorgen und die Mutter das Essen fertig haben, wenn er aus der Schule kommt. Doch das Schicksal hat andere Dinge mit dem introvertierten Jungen vor. Die Mutter ist nicht mehr da. Der Vater ist gewalttätig. Der Lehrer sieht für ihn keine Zukunft. „Jeder von Euch ist eine einzigartige Blume“, hat er mal gesagt. Yuichi hat er damit nicht gemeint.
Was dem Jungen bleibt, sind die angetrunkenen, aber zumindest fürsorglichen Obdachlosen in Sichtweite des kleinen Verschlags am Rande des Industriegebietes, das Yuichi „Heimat“ nennt. Vor allem der betagte Shozo übernimmt insgeheim eine Art Vaterrolle, wenn er sich immer wieder darum kümmert, dass es auch heitere Momente in Yuichis Leben gibt. „Er ist der verwegenste Junge in ganz Japan“ sagt er voller Stolz und hat den illusorischen Traum, mit Yuichi reich zu werden. Dann ist da noch die gleichaltrige Keiko, die Yuichi mit ihren Avancen in der Schulklasse eher nervt, aber trotz seiner latenten Ablehnung nicht von Yuichis Seite weicht. Starrköpfig sammelt sie kleine Wutsteine in ihrer Hosentasche, die sie eines Tages auf ihn werfen will, so er sich nicht ändert. Doch das Leben ist gerade dabei, Yuichi zu ändern. Er muss schnell erwachsen werden und mit den Überresten seiner Familie klarkommen. Eigentlich ist das alles unmöglich, zumal sein Vater auch noch beim örtlichen Yakuza Schulden macht und die tödlichen Konsequenzen Yuichi überlässt.
Sion Sono gehört zu den radikalsten, aber auch poetischsten Regisseuren, deren Arbeiten aus Japan in den Westen gelangen. Sperrige, überlange, filmisch überwältigende Werke wie „Love Exposure“ und „Guilty of Romance“ schafften in Deutschland sogar den Weg ins Kino. Seinem bisher aufwühlendsten Werk „Himizu“ ist das trotz des Festivalerfolgs in Venedig verwehrt geblieben. „Himizu“ ist eine Tragödie, absurd komisches Theater, Groteske und vor allem auch eine Aufarbeitung jüngster japanischer Traumata. Sion Sono hat nämlich Minoru Furuyas gleichnamige Manga-Vorlage aus dem Jahr 2001 ins von Erdbeben, Tsunami und der Reaktorkatastrophe von Fukushima zerstörte Japan transferiert. Getragen vom Kyrie aus Mozarts „Requiem“, Samuels Barbers „Adagio for Strings“ und der wütenden Kraft der beiden jungen Hauptdarsteller vermittelt „Himizu“ bei allen Wunden, die er dem Zuschauer zufügt, zugleich eine trotzige Zuversicht. Ein wahres Meisterwerk.
Kommentar verfassen