Tuesday, After Christmas

- | Rumänien 2010 | 99 Minuten

Regie: Radu Muntean

Um die Weihnachtszeit gerät die Ehe eines rumänischen Paares in die Krise. Der Mann hat eine Beziehung mit einer anderen Frau und löst sich aus seiner Familie, ohne jedoch in einer neuen Geborgenheit anzukommen. Präzise beobachtete Studie einer Trennung, die minutiös die emotionalen Zustände ihrer Figuren einfängt und ihre Beziehungen untereinander sichtbar macht. Ein berührend-ehrlicher Film ohne melodramatische Effekte und Ausbrüche. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
MARTI, DUPA CRACIUN
Produktionsland
Rumänien
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
Mindshare Media/Multimedia Est/BV McCann-Erickson/HBO Remoania
Regie
Radu Muntean
Buch
Alexandra Baciu · Radu Muntean · Razvan Radulescu
Kamera
Tudor Lucaciu
Schnitt
Alexandru Radu · Alma Cazacu
Darsteller
Mimi Branescu (Paul Hanganu) · Mirela Oprisor (Adriana Hanganu) · Maria Popistasu (Raluca) · Sasa Paul-Szel (Mara Hanganu) · Dragos Bucur (Cristi)
Länge
99 Minuten
Kinostart
06.10.2011
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Externe Links
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Diskussion
Ein scheinbar banaler Besuch beim Zahnarzt führt zu einer Erschütterung in einer Ehe, die ihr baldiges Ende zur Folge hat. Dabei sieht alles ganz harmlos aus. Während die kleine Tochter sich fröhlich-quasselnd auf dem Zahnarztstuhl breit macht und schon auf eine Belohnung mit einem Malbuch spekuliert, klärt Raluca, die Dentalhygienikerin, die Eltern des Kindes über die Vorteile einer Zahnkorrektur auf. Doch die Situation ist angespannt, was für den Zuschauer spürbar ist, nicht aber für die Ehefrau des Mannes, Adriana. Denn sie weiß zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass Raluca eine Affäre mit Paul hat, der die Begegnung von Frau und Geliebter natürlich nicht beabsichtigte. Die den Figuren bedächtig folgende Kamera schafft Raum, die Protagonisten des Dramas in ihren minimalen Regungen zu beobachten: Raluca, die mit angespannten Gesichtszügen ihr professionelles Programm abzuspulen versucht, die ausweichenden Blicke von Paul, seine Einsilbigkeit und körperliche Starre und Adriana, die als interessiert-besorgte Mutter als einzige authentisch agiert. Manchmal läuft eine der Figuren aus dem Bild hinaus, was den Blick auf das Beziehungsgefüge erneut verändert. Doch für Paul besteht die Verstörung vor allem darin, „seine“ beiden Frauen plötzlich zusammen in einem „Bild“ zu sehen. Eine scheinbar sortierte Konstellation kommt durcheinander: auf der einen Seite die Ehefrau und das Gefühl häuslicher Geborgenheit, auf der anderen die emotionale wie sexuelle Aufregung in einer Nebenbeziehung. Die Szene beim Zahnarzt ist typisch für Radu Munteans Film „Tuesday, After Christmas“. Figuren gehen ihren normalen Verrichtungen nach, sei es Einkaufen, Abendessen, über Verwandte sprechen etc., während das Wissen um den sich anbahnenden Konflikt der Situation eine unterschwellige Schwere verleiht. Muntean siedelt den Film nicht zufällig in der Weihnachtszeit an. Die Gespräche kreisen um Besorgungen und Vorbereitungen – Alltäglichkeiten, die das eigentliche Drama verdecken. Das Familienfest mit seinen festen Ritualen spitzt die Dreierkonstellation erst recht zu. Paul zieht sich unaufhaltsam aus seiner Ehe zurück und driftet in die andere Richtung, zu Raluca. Muntean lässt allerdings keinen Zweifel daran, dass die Aufgabe der ehelichen Geborgenheit zunächst und für nicht absehbare Zeit nur zu einer Art Ortlosigkeit führen kann. Als Paul seine Geliebte bei ihrer Mutter besucht, wirkt er in der unvertrauten Umgebung deplatziert, und auch in Ralucas Wohnung, in der er zu Beginn des Films noch in gelöst-alberner Stimmung zu sehen war, wird er zum Fremdkörper, sobald er dort sein neues Zuhause zu etablieren versucht. Muntean lässt das große Drama nicht stattfinden, das ist die eigentliche Katastrophe in dieser Beziehungsgeschichte. Die Verletzungen und Kränkungen, die Wut und die Angst finden kein direktes Ventil, selbst die Aussprache mit Adriana führt nur zu stereotypen Vorwürfen und Verdruckstheiten. Auch in der neuen Beziehung scheint jedes Gefühl der Befreiung verstellt. Als Paul in Ralucas Wohnung auf ihre Rückkehr wartet, sieht man ihn ungeschickt die Bettdecke zurechtzupfen und etwas ratlos mit einer Kaffeedose hantieren. Im Kleiderschrank der Geliebten ist kein Platz mehr, deshalb hat er sich einen eigenen gekauft, der in Einzelteile zerlegt noch in einem Pappkarton liegt und zu einem treffenden Bild für seine Aufgelöstheit wird. In dem alten ehelichen Gefüge, das an Weihnachten für die Familie ein letztes Mal vorgespielt wird, funktionieren die Abläufe dagegen immer noch organisch. Am Ende holt Adriana unauffällig ein Geschenk aus ihrer Tasche und steckt es Paul zu, der es schnell unter den Weihnachtsbaum legt. Eine kleine Geste, die alles enthält, was es noch zu sagen gibt über dieses Paar, das nun keines mehr ist.
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