Drama | Deutschland 2010 | 102 Minuten

Regie: Verena S. Freytag

Eine alleinerziehende Tätowiererin aus Berlin-Wedding wird vom Jugendamt an die Nordsee geschickt, um neue Perspektiven zu gewinnen. Doch die junge Frau wehrt sich entschieden gegen jede Bevormundung. Beachtliches neudeutsches Sozialdrama mit viel Gespür für Details, das den Figuren ohne viele Worte klar umrissene Charakterisierungen verleiht. Das ehrliche Frauenporträt bleibt trotz Wohlfühlmomenten unbehaglich, weil es mehr auf die Beobachtung prekärer Lebensumstände als auf moralische Urteile setzt. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
Jost Hering Filme/ZDF (Das kleine Fernsehspiel)
Regie
Verena S. Freytag
Buch
Verena S. Freytag
Kamera
Ali Gözkaya
Musik
Roland Satterwhite
Schnitt
François Rossier
Darsteller
Maryam Zaree (Pelin) · Tilla Kratochwil (Christa) · Lukas Steltner (Edin) · Cecil von Renner (Henry) · Leon Samuel Kilian (Robby)
Länge
102 Minuten
Kinostart
22.09.2011
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
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Diskussion
Als nichts mehr hilft, meldet sich die Deutschtürkin Pelin zur Mutter-Kind-Kur an. Die Tätowiererin (gespielt von der großartigen Neuentdeckung Marym Zaree) hat einen arbeitsscheuen Dealer zum Freund und drei Kinder von verschiedenen Vätern, die sie mühsam aufzuziehen versucht. Mit schwarzen Augenringen hetzt sie durch den wenig glamourösen Berliner Alltag im Problembezirk Wedding, zwischen Kindergarten, Schule und Hartz-IV-Anträgen. Den Stapel unbezahlter Rechnungen ignoriert sie beharrlich. Der Lover übt sich bis auf gelegentlichen Sex in bequemer Zurückhaltung und schreckt vor jeder Verantwortung zurück. Als Pelin ihren Job verliert und der Nachwuchs die in der Wohnung herumliegenden Ecstasy-Pillen schluckt, schreitet das Jugendamt ein. Dank der Hilfe einer Sozialarbeiterin behält Pelin zwar das Sorgerecht, muss sich aber einem Zwangsurlaub in Norddeutschland unterziehen. Zur Ruhe kommt sie auch dort nicht. Der Tagesablauf ist streng durchstrukturiert, man treibt Sport und unterzieht sich Therapiegesprächen. An interessierter Männergesellschaft herrscht kein Mangel, was die angestrebte Erholung verkompliziert. Ohnehin hat die widerborstige Pelin andere Vorstellungen von ihrer Genesung als der auf Disziplin setzende Direktor. Sie missachtet die Regeln, sticht Tattoos im Kurhotel und gibt das damit verdiente Geld in der Disco aus. Immerhin baut sich eine fragile Beziehung zu ihrer überangepassten naiven Zimmernachbarin auf, die sich trotz schlechter Behandlung von Pelins ausgestelltem Nonkonformismus angezogen fühlt. Dann taucht Pelins Freund auf und fordert sein geliehenes Geld zurück. Unter Druck gesetzt, lässt sie sich auf einen riskanten Deal ein. Der Rauschgiftschmuggel soll ihr endlich den erhofften finanziellen Befreiungsschlag für ihre Patchwork-Familie verschaffen, zumal diese wegen einer weiteren Schwangerschaft um ein viertes Kind reicher wird. Verena S. Freytag, die 1973 in Stuttgart als Sülbiye Verena Günar geboren wurde und an der dffb ihr Regiestudium abschloss, gelingt mit ihrem ersten Kinofilm ein beachtliches Stück neudeutsches Sozialkino, mit viel Gespür für Details, die den Figuren ohne viele Worte eine klar umrissene Charakterisierung verleihen. Bis auf den animierten Vorspann, der in eine märchenhafte Dornröschen-Welt eintaucht, bleibt die Bildsprache realistisch und nah am Multikulti-Alltag. Der permanenten, mitunter auch selbst verschuldeten Überforderung entflieht die Hauptfigur in die hemmungslose Abwehr jeder Bevormundung. Sie verachtet ausgerechnet jene, die ihr helfen wollen, verstrickt sich auf der Suche nach dem letzten Fünkchen Selbstachtung immer tiefer in aussichtslose Manöver und verbaut sich nicht ohne Tragik die Rückkehr in die Normalität. Ein ehrliches Frauenporträt in der Tradition von Barbara Lodens „Wanda“ (fd 18 028), das trotz der eingesprengten Wohlfühlmomente unbehaglich anzusehen ist. Der Film setzt lieber auf die Beobachtung von prekären und determinierenden Lebensverhältnissen, als moralische Urteile abzugeben; seine Heldin zwingt den Betrachter zur Stellungnahme und lässt ein Gefühl der ins Stocken geratenen Sympathie zurück.
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