Auf der Brücke, die die Satellitenstadt Neu-Belgrad mit dem historischen Zentrum der serbischen Hauptstadt verbindet, stockt wieder einmal der Verkehr. Zu den Gefangenen des Dauerstaus gehören Gavrilo, der sich mehr schlecht als recht als Taxifahrer durchs Leben schlägt, und sein weiblicher Fahrgast Jasmina. Plötzlich
verlässt die verängstigt wirkende junge Frau das Auto, um von der Brücke in die darunter fließende Save zu springen, wobei die Lehrerin Anica und die Apothekerin Biljana Zeuginnen des Zwischenfalls werden. Der grantelnde Gavrilo, der als Bosnien-Flüchtling in Belgrad einsam geblieben ist, steht ratlos vor dem Rücksitz seines Taxis, auf dem Jasmina ihr Baby zurückgelassen hat. Während er sich auf Spurensuche nach dem Umfeld der Lebensmüden begibt, hat das Ereignis für Anica und Biljana kathartische Wirkung: Beiden wird klar, dass sie ihr Leben ändern müssen.
Der serbische Regisseur und Drehbuchautor Srdjan Koljevic („Klopka – Die Falle“, fd 38 364) beginnt seinen Film mit einem Paukenschlag, an den sich eine Mentalitätsstudie der serbischen Hauptstadt anschließt. Minutiös und mit psychologischem Feingefühl entwickelt er Charakterstudien seiner Protagonisten, verdichtet deren individuelle Lebenswege und Geschichten nicht erwiderter Liebschaften zu einer Momentaufnahme der Stadt. Koljevic, selbst in Sarajevo geboren, kam als serbischstämmiger Bosnien-Flüchtling nach Belgrad, um dort, wie der Taxifahrer Gavrilo, als Außenseiter am Rand einer zwar urbanen, aber hermetischen Gemeinschaft anzukommen. Inzwischen ist diese Distanz kleiner geworden, aber immer noch groß genug, um „sein“ Belgrad vermutlich genauer abbilden zu können als „echte“ Hauptstädter. So ist „Belgrad Radio Taxi“ mit seinen warmherzigen Untertönen zwar eine Liebeserklärung an Belgrad, rührt aber doch ohne Scheu an den Wunden der Vergangenheit. Gavrilo, Anica, Biljana und die anderen Figuren dieses Mosaiks, so Koljevics Credo, kommen mit den privaten Schicksalsschlägen nicht klar. Auf dem Weg zum inneren Frieden sind sie an einer Blockade angekommen. Hinter dem metaphorischen Dauerstau und dem ständigen Regen, der die Stimmung in facettenreiche Blau- und Grautöne färbt, nagen die Wunden des Krieges, der Verantwortung, der Schuld vielleicht. Koljevic geht es nicht um politische Moral, sein Interesse gilt dem psychologischen Augenblick einer Gesellschaft, über die er sagt, „dass wir alle noch nicht mit der Vergangenheit abgeschlossen haben, dass wir Vergangenes mit uns herumtragen wie einen Ballast, der uns bremst, behindert und lähmt“.
Eine Vergangenheit, hinter der jenseits von Mladic & Co. bessere Zeiten aufscheinen. Koljevics Protagonisten gehören zu den Dauerhörern eines kleinen lokalen Radiosenders, der Oldies und Hits aus einer vergangenen, unbeschwerteren Ära im Programm hat; Musik, deren jazziges Moll gegen die Blau- und Grautöne der Gegenwart anspielt und mit verhaltener Melancholie das Prinzip Hoffnung rekonstruiert. So wird das Stadtporträt zur Bestandsaufnahme, die dramatische Themen mit leichter Handschrift inszeniert und in deren warmen Untertönen man sich aufgehoben fühlt. Vor allem ist „Belgrad Radio Taxi“ ein Schauspielerfilm, dessen international renommiertes Ensemble vom einheimischen Star Nebojša Glogovac über Anica Dobra und Branka Katic bis zu Stipe Erceg in einer Nebenrolle in zurückhaltendem Feintuning aufeinander abgestimmt ist. Ein Belgrad-im-Jahre-Null-Film, der zeigt, wie das Thema Liebe zur kollektiven Sehnsucht nach besseren Zeiten wird, ohne altbekannte Depressionsklischees zu strapazieren.