Der Dieb des Lichts

- | Kirgisistan/Deutschland/Frankreich/Niederlande 2010 | 80 Minuten

Regie: Aktan Arym Kubat

Ein herzensguter Elektriker gerät in die politischen und moralischen Umbruchprozesse seines kirgisischen Heimatdorfs. Der leise, impressionistisch angelegte Film begleitet seinen spitzbübisch-heiteren, bisweilen auch naiv-schüchternen Helden mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Weniger eine Parabel über die Vergeblichkeit aller Güte und die Sinnlosigkeit von Nächstenliebe, fordert er dazu auf, ethisch-moralische Prinzipien und Traditionen gerade auch in Zeiten materieller Dominanz zu bewahren. Dabei wird er zu einem Hohelied auf Humanität und die Kraft der Fantasie. (Titel Schweiz: "The Light Thief - Svet Ake") - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
SVET-AKE
Produktionsland
Kirgisistan/Deutschland/Frankreich/Niederlande
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
Pallas Film/A.S.A.P. Films/Volya Films/Oy Art/ZDF-Arte
Regie
Aktan Arym Kubat
Buch
Aktan Arym Kubat · Talip Ibrajimow
Kamera
Khassan Kydyraliev
Musik
Andre Matthias
Schnitt
Petar Markovic
Darsteller
Aktan Arym Kubat (Svet-Ake) · Taalaikan Abazova (Bermet) · Askat Sulaimanov (Bekzat) · Asan Amanov (Esen) · Stanbek Toichubaev (Mansur)
Länge
80 Minuten
Kinostart
14.04.2011
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Neue Visionen (16:9, 1.78:1, DD5.1 kirgis./dt.)
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Svet-Ake ist Elektriker in einem kleinen kirgisischen Dorf, ein herzensguter Bursche mit rundem Gesicht, dem seine Prinzipien von Gerechtigkeit und Nächstenliebe oft näher sind als staatliche Verordnungen. Armen Bewohnern, die ihre Stromrechnung nicht begleichen können, hilft er, die Zähluhr rückwärts laufen zu lassen. Es werden immer mehr, die ihn darum bitten, denn von vielen Familien sind hier nur die Alten und die ganz Jungen zurück geblieben; die mittlere Generation hat sich auf den Weg nach Russland, Kasachstan oder gar nach Westeuropa gemacht, in der oft trügerischen Hoffnung, dort Arbeit und Brot zu finden. Regisseur Aktan Arym Kubat, dem mit „Beshkempir“ (fd 34 004) ein Meisterwerk gelang, setzt das Panorama des Dorfs aus einer Reihe von Begegnungen zwischen Svet-Ake und seinen Mitmenschen zusammen: mit dem Bürgermeister Esen, auch er eine ehrliche Haut, dem jedoch die Hände gebunden sind; mit Mansur, dem Freund, dessen Frau in einem Brief aus Italien um die Scheidung bittet; den Dorfältesten, die darüber zu befinden haben, ob Bekzat, ein stets von Leibwächtern begleiteter Mann aus der Stadt, als Deputierter für den hiesigen Bezirk gewählt wird. Svet-Ake ist die Lichtgestalt des Films, ein leiser, allzeit hilfsbereiter, spitzbübischer, bisweilen auch naiver, schüchterner Held mit einem offenen Ohr für alle Sorgen und Kümmernisse der Umgebung. Wenn ihn seine Frau in der Waschwanne abseift oder wenn sie ihm Brot und Milch reicht, sprechen Blicke und Worte von ihrer großen Liebe; nur manchmal überkommt Svet-Ake eine Schwermut, die er dann in Schnaps ertränken muss: Seine Frau hat ihm zwar vier Töchter geboren, aber noch immer keinen Sohn. Zugleich ist dieser Mann ein liebevoller Träumer: Schon lange baut er an einem Windrad, das Elektrizität erzeugen soll. In der Nähe des Dorfs, gleich am Fluss, will er sogar einen ganzen Park mit solchen Windrädern errichten, um die Einheimischen von den Stromlieferungen aus der Stadt unabhängig zu machen. Aktan Arym Kubat begleitet und beobachtet seine Hauptfigur mit unendlicher Sympathie. Svet-Ake ist das personifizierte Gute, das freilich auch in diesem Film, wie so oft in den leisen, eher impressionistisch als dramatisch angelegten Arbeiten aus Mittelasien, in seinen Grundfesten bedroht wird. Die Welt ist nicht für solche uneigennützigen Visionäre geschaffen: Dem Idealismus Svet-Akes stehen handfeste materielle Interessen einer neuen, brutal agierenden Funktionärselite entgegen. Kubat legt den Film jedoch nicht von vornherein auf eine schematische Gut-Böse-Dramaturgie fest. Bekzat, der neue Deputierte, ist zwar nicht unbedingt sympathisch gezeichnet, aber sein Pragmatismus, für Investoren zu sorgen und die Jahrhunderte alte Dorfstruktur für die Moderne aufzuschließen, macht ja durchaus Sinn. Für Momente sucht Svet-Ake eine vorsichtige Nähe zu dem forschen jungen Mann, vertraut ihm sogar sein Windpark-Geheimnis an. Als er am Ende aus moralischer Entrüstung gegen Bekzat und die neuen chinesischen Investoren aufbegehrt, kommt es allerdings zur Katastrophe. „Der Dieb des Lichts“ deutet mit Hilfe einer kleinen Dorfgeschichte an, wie sich archaische Lebensweisen verändern, das Alte verschwindet und etwas Neues, wenn auch nicht unbedingt Besseres an dessen Stelle tritt. Der Film reflektiert über Werte und Traditionen; seine stille, zur Identifikation einladende, zunächst auch komische Erzählhaltung, die dann aber ins Tragische mündet, trägt entscheidend dazu bei, die Anteilnahme der Zuschauer zu aktivieren. Dabei liegt es Aktan Arym Kubat fern, seinen Film zu einer Parabel über die Vergeblichkeit aller Güte oder die Sinnlosigkeit von Nächstenliebe gerinnen zu lassen. Ganz im Gegenteil: In den letzten Szenen dreht sich Svet-Akes selbst gebasteltes Windrad, die Glühbirne vor der Tür seines Hauses beginnt zu leuchten, und noch einmal tritt er in die Pedalen seines Fahrrads, auf dem er seit ewigen Zeiten durchs Dorf fuhr, von Hilfsbereitschaft erfüllt.
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