In einem kirgisischen Dorf wächst ein kleiner Junge als Adoptivsohn eines kinderlosen Ehepaares auf. Als er von seiner Herkunft erfährt, verliert er seinen inneren Halt und gerät in die Rolle eines Außenseiters. Eindrucksvolle Studie über das Ende einer Kindheit, die durch ihre ungewöhnlich plastische Bildsprache begeistert und in den archaischen Konflikten Allgemeinmenschliches thematisiert. Der poetisch-visionäre Umgang mit der Zeit und den traditionellen Handlungweisen verdichtet sich zu einer universalen Meditation über das Leben. (O.m.d.U.)
- Sehenswert ab 10.
Beschkempir
Jugendfilm | Kirgisistan/Frankreich 1998 | 81 Minuten
Regie: Aktan Abdykalykov
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Filmdaten
- Originaltitel
- BESCHKEMPIR
- Produktionsland
- Kirgisistan/Frankreich
- Produktionsjahr
- 1998
- Produktionsfirma
- Kirgisfilm/Noé Productions
- Regie
- Aktan Abdykalykov
- Buch
- Aktan Abdykalykov · Avtandil Adikulov · Marat Sarulu
- Kamera
- Hassan Kidiraliev
- Musik
- Nurlan Nishanov
- Schnitt
- Tilek Mambetova
- Darsteller
- Mirlan Abdykalykov · Adir Abilkassimov · Mirlan Cinkozoev · Bakit Dzhylkychiev · Albina Imasheva
- Länge
- 81 Minuten
- Kinostart
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- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 10.
- Genre
- Jugendfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Ein Dorf, irgendwo in Kirgisien, ein ebenso zeitloses wie archaisches Bild: Frauen haben ein Neugeborenes auf pastellfarbene handgeknüpfte Teppiche gelegt. Wenige Jahre später ist aus dem Neugeborenen ein Heranwachsender geworden. Das Dorfleben ist vom ewig gleichen Ablauf geprägt – es wird gesät, gefischt, die Ernte eingefahren, Ziegelsteine aus Lehm und Stroh werden geformt. Daneben das Spiel der Kinder, kreativ, destruktiv, Schlammschlachten; es wird gerannt, geschlagen, die Bienen werden geärgert. Beschkempir ist ein Einzelkind, lebt mit seiner Großmutter und seinen Eltern, der Vater ist streng, die Mutter zurückhaltend; Beschkempirs ganze Liebe gilt seiner Großmutter. Der Film besticht durch die Schönheit alltäglicher Momente. Die immergleiche Routine des Dorflebens wird durch Momente der Festlichkeit, des Vergnügens unterbrochen: das Kino unter freiem Himmel, der fast gläubige Ausdruck der Faszination auf den Kindergesichtern.Das Leben auf dem Lande, keine Hölle und kein Idyll. Im festen, archaischen Alltag des Landlebens haben die Spiele der Kinder, ihre spielerische Erkundung der Welt etwas Anarchisches. Zwischen den Streichen und Abenteuern der heranwachsenden Kinder entwickelt sich langsam die Neugierde aufs andere Geschlecht. Durch den Zaun beobachten sie die Nachbarin, die sich Blutegel auf den nackten Leib setzt, aus dem Sand des trockenen Flussbettes formen sie einen nackten Frauenleib und spielen Kopulation. In den eindrucksvoll kadrierten, fast plastischen Bildern spürt man die Herkunft des Regisseurs aus der bildenden Kunst – etwa, wenn in einer Obersicht eine Kuhherde über den Sandkörper rennt. Minutiös verweilt die Kamera auf den Details: die knorrigen Hände der Alten, das Korn, die Steine, die Erde, Details, in denen sich die Poesie und Geometrie des Alltäglichen vermittelt. Leben und Weiterleben auf dem Lande, Kindheit, Erwachsenwerden, der Tod. Lakonisch und subtil schildert der Film den Wandel der Kinder zu Heranwachsenden. Immer wieder beobachtet Beschkempir die Paare, die zarten Bande, die sich knüpfen, die gemeinsame Fahrt auf dem Fahrrad. Die beginnende Geschlechtlichkeit provoziert auch das Ende der Unbefangenheit, das Ende unschuldiger Ahnungslosigkeit. Die Freunde sehen sich plötzlich als Rivalen wieder, und nach einer wilden Rauferei schreit der Freund hasserfüllt: „Findelkind, du bist ja nur ein armes Waisenkind!“ Immer wieder wird die heftige Bewegung von der Stille abgelöst – erste Zweifel bestimmen jetzt das Leben des kleinen Beschkempirs. Die Großmutter streitet alles ab: „Du bist mein Fleisch und Blut“, sagt die Oma, „du heißt Beschkempir, um dich vor dem bösen Blick zu schützen.“ Doch die Schatten werden nicht mehr weichen, Beschkempirs kindliche Sicherheit ist gebrochen. Die Freunde lauern ihm auf, verprügeln ihn im Wasser – er setzt sich zur Wehr. Auch bei den Aktionen bleibt die Kamera nachher noch auf das leere Szenarium gerichtet, sucht die Stille hinter der Bewegung. Das Dorf ist keine Idylle mehr, und auch bei der gemeinsamen Arbeit der Frauen entwickelt sich mit einem Mal eine Grausamkeit gegen Beschkempirs Mutter. Brutalität unter Frauen: „Wenn du immer so gut bist, warum hast du dir kein eigenes Kind machen können, wenn dein Mann nicht kann, dann eben mit einem anderen?“, wirft ihr die Nachbarin vor.Beschkempir fühlt sich ausgegrenzt aus der vertrauten Dorfgemeinschaft, die Freunde hänseln ihn, der Vater, die Nachbarn hadern mit ihm. Die Geschichte entwickelt sich ohne falsches Pathos, unspektakulär. Als die Großmutter stirbt, rückt das Dorf wieder zusammen: „Liebe Mutter, du warst das Herz dieses Hauses“, skandieren die Hinterbliebenen in einer ergreifenden Zeremonie des Abschieds. Beschkempir hält die traditionelle Ansprache an das Dorf, und in diesem Moment, in dem er die Tränen kaum zurückhalten kann, wird er vom Kind zum Mann: „Wenn meine Oma einem etwas schuldete, so werde ich es zurückzahlen“, und: „Die Mutter Erde empfange unsere liebe Mutter.“ Die Trauerfeier, das Ritual schweißt die Gemeinschaft wieder zusammen – Höhe- und Wendepunkt der Geschichte – danach blendet sich die Kamera auf fast unwirkliche Weise aus.„Beschkempir“ erzählt ein Einzelschicksal vor dem Hintergrund der ewigen Wiederkehr des Gleichen, eine lyrische Geschichte, in der sich kurze dramatische Momente aus Einzelbiografien vom kollektiv-archaischen Hintergrund abheben. So kehrt Aktan Abdikalikov immer wieder zu kurzen pastellfarbenen Einschüben im Ablauf der schwarz-weißen Bilder zurück, ohne dass dies von dramaturgischen Notwendigkeiten bestimmt wäre. Das klingt nach Urkonflikten und Archetypen des Heimatfilms, nach Identität, Herkunft, Geschlechtlichkeit, doch das Faszinierende an „Beschkempir“ liegt in der Weise, wie erzählt wird, wie sich Zeit, Langsamkeit und Aktion in Bildern verdichten. „Beschkempir“ wirkt besonders durch seine langsame, poetische Bildsprache. Bilder, denen es gelingt, die Zeitlosigkeit, die Ewigkeit einzufangen, fremd und doch so vertraut.
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