Als sie herausfindet, dass ihr Mann eine Geliebte hat, lässt eine Frau ihr altes Leben, inklusive Beruf und Freunden, hinter sich und bricht zu einer Reise auf, die sie letztlich nach Italien führt. Ein vielschichtiges, mit einer großartigen Hauptdarstellerin besetztes Psychogramm, das mit Auslassungen, dissonanter Musik und dem Spiel mit Zeit- und Wirklichkeitsebenen Innenansichten eines frappierenden Persönlichkeitswechsels bietet, wobei hintersinnig auch über den Schauspielerberuf nachgedacht wird. (O.m.d.U.)
- Sehenswert ab 14.
Villa Amalia
Drama | Frankreich/Schweiz 2009 | 94 Minuten
Regie: Benoît Jacquot
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Filmdaten
- Originaltitel
- VILLA AMALIA
- Produktionsland
- Frankreich/Schweiz
- Produktionsjahr
- 2009
- Produktionsfirma
- Europa Corp./Point. Prod./France 2 Cinéma/TSR
- Regie
- Benoît Jacquot
- Buch
- Benoît Jacquot · Julien Boivent · Pascal Quignard
- Kamera
- Caroline Champetier
- Musik
- Bruno Coulais
- Schnitt
- Luc Barnier
- Darsteller
- Isabelle Huppert (Ann) · Jean-Hugues Anglade (Georges) · Maya Sansa (Giula) · Xavier Beauvois (Thomas) · Clara Bindi (Marion)
- Länge
- 94 Minuten
- Kinostart
- 25.11.2010
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Genre
- Drama
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Isabelle Huppert ist wieder die Klavierspielerin, mit der Zusatzkompetenz einer Komponistin von Neuer Musik. Hinter dem Pseudonym Ann Hidden verbirgt sich eine gut situierte Frau mit dem Namen Elaine. Sie zieht einen radikalen Schlussstrich, als sie ihren Mann in Gestalt des schauspielernden Regisseurs Xavier Beauvois, der zuletzt mit seinem preisgekrönten Algerien-Drama „Von Menschen und Göttern“ in Frankreich für Gesprächsstoff sorgte, dabei beobachtet, wie er einer Geliebten in deren Haus folgt. Noch ganz benommen, auf eine paradox unterkühlte Art, wie sie nur die Huppert zustande bringt, lässt sie sich von einem Fremden ansprechen, der behauptet, sie zu kennen. Sie kann sich nur vage an den Namen Georges erinnern, nimmt seine Visitenkarte an und beginnt, ihr Leben zu ändern. Sie trennt sich vom Ehemann, Mutter und Freunden, verkauft die Wohnung, unterbricht die Konzerttournee, schließt das Konto und wirft ihre Kleidung weg. Der schwule Kindheitsfreund Georges ist ihr einziger Vertrauter bei dieser mutwilligen Identitätszerstörung. Benoît Jacquot bringt diese Szenen dialogarm und fast fluchtartig mit vielen Auslassungen hinter sich, wie man Dinge erledigt, die einem zuwider sind. Er folgt seiner so resoluten wie in sich gekehrten Heldin auf Schritt und Tritt, so wie er es schon mit Virginie Ledoyen in „La fille seule“ (fd 32 542) gemacht hat. Getragen von der dissonanten Musik von Bruno Colais und Purcells elegischem „O solitude my sweetest choice“, steuert Elaine die Alpen an. Nicht nur die Zeitebenen beginnen ein Eigenleben zu entwickeln. Auch die Unterscheidung zwischen Realität und Traum gerät zunehmend schwieriger. Mal sieht man Elaine im Schnee unterwegs. Einen schnellen Schnittwechsel weiter liegt sie nachts mit einem Mann im Bett.
Dass diese rasante Fluchtbewegung trotz der reduzierten Seeleneinblicke fasziniert, liegt natürlich an der wie immer grandiosen Hauptdarstellerin, aber auch an einer mehr als kontrollierten Regie, die sich bei der Verfilmung des Romans von Pascal Quignard jeglicher Gefallsucht verweigert. In Italien, auf einer Insel vor der neapolitanischen Küste, hellt sich im Angesicht des Meeres Elaines Gemüt auf. Am Strand entdeckt sie ein Haus, die rot schimmernde Villa Amalia, mietet sie und verbringt reichlich Zeit im Wasser. Einmal droht sie zu ertrinken, nur um am Ende befreit von den eigenen Dämonen das Vergessen zu lernen. Wenn sie auf der sonnigen Terrasse Tintenfisch isst und Wein trinkt, entspannen sich ihre Gesichtszüge, und auch die Sprache kehrt zurück. Dazwischen sorgen intensive Begegnungen mit einer alten Bäuerin, einer jungen Frau, die sich ihr körperlich nähert, und natürlich auch mit Georges, der von Jean-Hugues Anglade die nötige Portion Fragilität auf den Weg bekommt, um ihr das Erzählen über ihre Vergangenheit zu erleichtern, für magische Momente. So erwächst allmählich ein vielschichtiges Psychogramm, das die fünfte Zusammenarbeit der Ausnahmemimin mit Jacquot zu einem Genuss macht. Ein weiteres Monument ihres Talents, ein mit dem Rest des Ensembles aufs Ergreifendste harmonierendes bürgerliches Seelendrama und zusätzlich auch eine kluge Reflexion über den Schauspielerberuf, der das Verpuppen und Ablegen von Persönlichkeitsfragmenten als tägliches Geschäft einfordert.
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