Dokumentarfilm über die britische Band "Dr. Feelgood", die sich zu Beginn der 1970er-Jahre formierte und sich in Großbritannien Kultstatus erspielte. In einer furiosen Montage aus nur scheinbar zusammenhanglosen Spielfilmschnipseln, Interviews, Live-Show-Fragmenten und Statements der Band-Mitglieder kompiliert das eindrucksvolle "Rockumentary" eine verwirrende, stets durchdachte Chronologie der Band-Geschichte. Eine von rasantem Tempo getragene, vom genauen Blick auf Schauplätze und Milieus beseelte Reise durch die britische Popkultur. (O.m.d.U.)
- Ab 14.
Oil City Confidential
Musikfilm | Großbritannien 2009 | 262 Minuten
Regie: Julien Temple
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Filmdaten
- Originaltitel
- OIL CITY CONFIDENTIAL
- Produktionsland
- Großbritannien
- Produktionsjahr
- 2009
- Produktionsfirma
- A Product of Malitsky/Cadiz Music
- Regie
- Julien Temple
- Kamera
- Stephen Organ
- Musik
- Jc Carroll · Dr. Feelgood
- Schnitt
- Caroline Richards
- Länge
- 262 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Musikfilm | Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Diskussion
Sie wollten doch nur spielen. Doch was sie dabei anstellten, bringt Regisseur Julien Temple prägnant auf den Punkt: „They sand-papered the face of rock’n’roll!“ Die Geschichte der Arbeiter-Punk-Pop-Band Dr. Feelgood bewegt sich über weite Strecken jenseits jener Karrieren, die Casting Shows oder Produzentenhirnen entstammen. Formiert haben sich die Musiker zu Beginn der 1970er-Jahre, begünstigt durch viele Kneipenabende, Bier und Scotch. Jedes der vier Gründungsmitglieder trat zuvor schon in und um ihren Heimatort Canvey Island auf, eine Insel in der Themsemündung, die alle beschaulichen und abgewrackten Merkmale industriell geprägter britischer Küstenlandschaften auf sich vereint. Dr. Feelgood zelebrierte das, was später als „Pub-Rock“ in die Musikgeschichte einging: geraden, lauten, ruppigen Rock’n’Roll, der im Dunst der Kneipen alle süchtig machte. Vor allem der anarchischen Röhre von Leadsänger Lee Brilleaux sowie den spastischen Zuckungen des charismatischen Gitarristen Wilko Johnson ist es zu verdanken, das Dr. Feelgoods Kneipenprosa das nahe London im Sturm eroberte. Es folgten hunderte Gigs pro Jahr, ein LP-Chartstürmer 1976 (das Live-Album „Stupidity“) – und Unverständnis im Rest der Welt. Dr. Feelgood ist englische Kulturgeschichte. Ihren Kultstatus hat sich die Band jenseits des Kanals wenigstens in Fankreisen bewahren können. Zeit also, dass dem Phänomen eine abendfüllende Dokumentation gewidmet wird, und eine willkommene Aufgabe für den avantgardistischen Musik-Chronisten Julien Temple. Bereits mit „The Filth and the Fury“ (2000) und „Joe Strummer: The Future Is Unwritten“ (fd 38 172) lotete Temple eindrucksvoll die Untiefen der britischen Popkultur aus. Seine „Rockumentary“ um Dr. Feelgood versteht er als Prequel dieser beiden Werke; schließlich steht Dr. Feelgood exemplarisch für das, was im England des Punks zwischen den Sex Pistols und The Clash alles möglich war. Formal ist „Oil City Confidential“ fast noch irrwitziger als seine Vorgänger. In der furiosen Montage aus völlig artfremden Spielfilmschnipseln, Interviews, Live-Show-Fragmenten und vielen Statements der Bandmitglieder kompiliert Temple eine wirre, aber keineswegs willkürliche Chronologie der Ereignisse. Von atemlosem Tempo beseelt, reißt die Reise durch die Popkultur auch jene mit, die nicht auf gleicher musikalischer Wellenlänge mit dem Regisseur liegen. Temple zappt sich hier durch eine höchst persönliche Wirklichkeit, in der keine noch so abgeschmackte Pointe deplatziert erscheint. Das ist mitreißendes Kino!
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