Anlässlich der Proben zu sieben Ballettstücken taucht der Dokumentarfilm in den Prachtbau der Pariser Oper ein, feiert die Schönheit des Gebäudes, beobachtet die Tänzer und macht Tanztheater als Parforce-Leistung erfahrbar. Dabei stellt er die Menschen - von Handwerkern und Künstlern bis zur Direktorin - vor, die am Gelingen des Gesamtkunstwerks beteiligt sind. Ein herausragender Film, der minutiöse Einblicke in den Arbeitsalltag rund um das Tanzensemble liefert und durch die Handschrift seines Regisseurs geprägt ist, der seinem Stil des Direct Cinema bzw. "cinéma de vérité" treu bleibt.
- Sehenswert ab 14.
La danse - Das Ballett der Pariser Oper
Dokumentarfilm | Frankreich/USA 2009 | 158 Minuten
Regie: Frederick Wiseman
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Filmdaten
- Originaltitel
- LA DANSE - LE BALLET DE L'OPÉRA DE PARIS
- Produktionsland
- Frankreich/USA
- Produktionsjahr
- 2009
- Produktionsfirma
- Idéale Audience/Zipporah/Opéra National de Paris/CNCPBS/TPS Star
- Regie
- Frederick Wiseman
- Buch
- Frederick Wiseman
- Kamera
- John Davey
- Musik
- Joby Talbot
- Schnitt
- Frederick Wiseman · Valérie Pico
- Länge
- 158 Minuten
- Kinostart
- 30.12.2010
- Fsk
- ab 0 (DVD)
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm | Tanzfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Diskussion
Palais Garnier, Paris, erbaut 1860-1875. Ein prächtiger Prunkbau, ein Atem verschlagend neubarockes Meisterwerk, abgesehen davon so geschichts- wie geschichtenträchtig: Weltberühmt ist die Opéra Garnier mit ihrem rotgoldenen Saal, ihrer spektakulären Marmortreppe, den labyrinthartigen Gängen, verwinkelten Kellerräumen und dem unterirdischen Grundwassersammelbecken vor allem dank Gaston Leroux’ 1911 erschienenem Roman „Le Fantôme de l’Opéra“, der mehrfach auf die Bühne gehoben, vertont und verfilmt wurde. Fesselnd auch die jüngste Adaption: Joel Schumachers nach Andrew Lloyd Webbers Musical gedrehter Film von 2004 (fd 36 826), der eben nicht in Paris, sondern in den Pinewood Studios in England gedreht wurde. Umso faszinierender nun der Film, der tatsächlich in die Opéra vordringt: Frederick Wisemans „La danse“; wie der Untertitel – „Le ballet de l’Opéra de Paris“ – verrät, auch das Porträt des in der Opéra ansässigen Ballett-Ensembles der Pariser Oper. Zwölf Wochen hatte sich Wiseman, damals 77-jährig, im Herbst 2007 mit dem Kameramann John Davey in der Opéra verschanzt, weit über 100 Stunden Filmmaterial haben die beiden dabei belichtet. 158 traumhafte Minuten lang ist der daraus hervorgegangene Film. Es handelt sich dabei um ein unverkennbar Wisemansches Stück „direct cinema“ bzw. „cinéma vérité“: Einzelne Takes sind (oft ewig) lang, die Kamera, allgegenwärtig-agil, taucht beobachtend tief ins Geschehen ein. Kommentare gibt es keine: Der Zuschauer sieht, was er sieht, versteht, was er versteht; das Wer-Wann-Wo-Was erklärt sich, wenn überhaupt, erst im Abspann.
Sieben Stücke, klassisch die einen, modern die andern, bilden den Kanon: in der Choreografie von Nurejev „Der Nussknacker“, in derjenigen von Pina Bausch „Orpheus & Eurydike“. Dazu kommen klassisch „Paquita“ sowie „Romeo & Julia“; verstörend wirkt „Der Traum von Medea“, einstudiert unter Angelin Prelijocaj, laut geschrien wird in „Bernardas Haus“ von Mats Ek, Wayne McGregors „Genus“ schließlich ist eine akrobatische Parforce-Leistung sondergleichen. Im großen Bogen folgt „La danse“ der Entstehung der Stücke. Zu sehen allerdings gibt es weit mehr als Tänzer und Choreografen. Immer wieder nämlich bricht die Kamera auf, schwebt durch verwinkelte Gänge und Korridore, lugt in Büros, Sitzungszimmer und Ateliers; schaut Handwerkern, Technikern, Maskenbildnern, dem Concièrge, Raumpflegern über die Schultern. Immer wieder im Bild ist auch, lebhaft, charismatisch und einfühlsam, Brigitte Lefèvre, „la directrice“, bald am Telefon, bald im Gespräch mit Tänzern, zwischendurch auch mal in einer Sitzung, bei der eine Veranstaltung für Sponsoren besprochen wird. So ist „La danse“ auch ein Film über das Funktionieren einer Institution und die in oft erschöpfender Arbeit wurzelnde Entstehung von Kunst. Anders gesagt: eine Ode an die bodenständige Körperlichkeit, welche großen Tänzern im Moment des Auftritts zu einer überirdischen Leichtigkeit des Seins verhilft.
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