Dokumentarfilm | Deutschland 2009 | 61 Minuten

Regie: Gregor Theus

Dokumentarfilm über Menschen, die an schwerer Depression erkrankt sind und in der Berliner Charité behandelt werden. Ohne Kommentar zeichnet er drei Schicksale nach, wobei die Kamera nah bei den Protagonisten bleibt und aufmerksam die Zeichen einer rätselhaften Müdigkeit liest. Eindringlicher Blick in Krankheitsbild und Behandlungsmethoden eines oft marginalisierten "Volksleidens". - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
Kunsthochschule für Medien Köln (KHM)
Regie
Gregor Theus
Buch
Gregor Theus · Jens Eckhardt
Kamera
Jens Eckhardt · Gregor Theus
Musik
Tillmann von Kaler
Schnitt
Ole Heller
Länge
61 Minuten
Kinostart
07.10.2010
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm

Heimkino

Die 2-Disk Edition enthält u.a. einen Audiokommentar des Regisseurs sowie weitere erhellende Gespräche zum Thema des Films (Depression), referiert von Mitarbeitern der Psychiatrischen Klinik, Charité, Berlin. (120 Min.). Die Edition ist mit dem Silberling 2011 ausgezeichnet.

Verleih DVD
mindjazz (16:9, 1.78:1, DD2.0 dt.)
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Diskussion
Von seiner Statur her ist Olaf das, was man landläufig einen Baum von einem Mann nennt. Früher war der 40-Jährige ein bekannter Boxer. Doch dann erlitt der Familienvater 1993 einen Verkehrsunfall und konnte seinen Beruf nicht mehr ausüben. So begann sein Weg in die Depression. „Es fängt an mit einem Gefühl der Leere“, erinnert er sich, „und irgendwann stellt man sich die Frage: Warum lebst man überhaupt noch?“ Olaf sitzt in einem Zimmer der Berliner Charité und versucht Worte für diese Lebensmüdigkeit zu finden, die in der Vergangenheit schon dazu führte, dass er in seinem Schlafzimmer über Wochen einen Strick von der Decke baumeln ließ. Olaf gehört zu jenen schwer depressiven Menschen, deren Krankheit weder durch Psychotherapie noch durch Medikamente gelindert werden kann. Die Ärzte setzen bei ihm und anderen Patienten deshalb auf die so genannte Elektrokrampftherapie (EKT), bei der das Gehirn durch Stromstöße stimuliert wird. Der Dokumentarfilm stellt drei Patienten vor. Neben Olaf sind es die Studentin Maria und die ältere Mona. Zwei Jahre lang hat Gregor Theus, der zuvor schon eine Dokumentation über Alzheimer-Patienten gedreht hat, seine Protagonisten in der Charité mit der Kamera begleitet. Ohne jeden Off-Kommentar und ohne Statements von Ärzten und Angehörigen lässt er sie von ihrem Leiden erzählen. „Man ist einfach unfähig, die Dinge zu tun, die man immer getan hat“, sagt Olaf. Die Kamera bleibt meist nah bei den Patienten, auch wenn diese ins Stocken geraten, und fängt die scheinbar grenzenlose Müdigkeit in den Gesichtern ein. Wenn sie Mona bei einer ihrer vielen Raucherpausen nach draußen begleitet, scheint die architektonische Tristesse an vielen Ecken des Gebäudes mit der Krankheit zu korrespondieren. Die Kamera ist auch dabei, wenn sich die Patienten den EKT-Behandlungen unterziehen, oder wie bei Mona eine operative Tiefenhirnstimulation durchgeführt wird. Was da genau passiert, erfährt man lediglich durch einen Arzt, der seiner Patientin das Prozedere vor dem Eingriff erklärt. Mit seinen ruhigen Einstellungen und ohne hektische Schnitte gewährt der Film Einblicke in das Krankheitsbild und die Therapieformen der Depression, das kurz nach dem Suizid des Torhüters Robert Enke in aller Munde war, aber wenig später bereits wieder aus der Öffentlichkeit verschwunden ist. Olaf und Maria haben es geschafft und werden aus dem Krankenhaus entlassen. Während er sich mit einem rührenden Lied von Ärzten und Pflegern verabschiedet, sagt sie nur: „Es geht mit nicht gut, aber besser.“ Wann sie ihr Studium wieder aufnehmen kann, steht in den Sternen. Auch das zeigt der Film: Die Therapien sind langwierig; eine umfassende Heilung gelingt selten, Rückfälle sind eher die Regel als die Ausnahme. Auch Olaf ist irgendwann wieder in der Charité, weil er es draußen doch noch nicht gepackt hat.
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