Oskar und die Dame in Rosa

- | Frankreich/Belgien/Kanada 2009 | 105 Minuten

Regie: Eric-Emmanuel Schmitt

Ein Junge leidet an Krebs und verweigert angesichts des bevorstehenden Todes den Kontakt mit Erwachsenen, bis eine seltsame Ex-Wrestlerin über ihn stolpert und sich eine symbiotische Freundschaft entwickelt. Ein magisch-realistischer Film über das Sterben eines Kindes, der der Unfähigkeit der Erwachsenen, sich der Unfassbarkeit des Todes zu stellen, die Welt der Kinder entgegen hält. Mal sehr emotional, mal humorvoll lässt er seine eindrücklich gespielten Figuren im Angesicht des bevorstehenden Endes das Leben neu lernen, wobei er auch eine religiöse Perspektive eröffnet. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
OSCAR ET LA DAME ROSE
Produktionsland
Frankreich/Belgien/Kanada
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
Pan Européenne Prod./Studio Canal/Oscar Films/TF1 Films/Cinémaginaire/RTBF
Regie
Eric-Emmanuel Schmitt
Buch
Eric-Emmanuel Schmitt
Kamera
Virginie Saint-Martin
Musik
Michel Legrand
Schnitt
Philippe Bourgueil
Darsteller
Amir (Oskar) · Michèle Laroque (Rose) · Max von Sydow (Doktor) · Amira Casar (Oberschwester Gommette) · Constance Dollé (Oskars Mutter)
Länge
105 Minuten
Kinostart
14.10.2010
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Verleih DVD
Kinowelt (16:9, 2.35:1, DD5.1 frz./dt.)
Verleih Blu-ray
Kinowelt (16:9, 2.35:1, DD5.1 frz./dt.)
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Wie ein frech hingeklatschter Farbklecks wirkt die kräftig fluchende Dame in schrill kreischendem Pink, die auf den Krankenhausfluren über den kleinen Oskar stolpert. Oskar lebt hier mit anderen kleinen Patienten in einer leicht surrealen Tristesse des Grau-Hellblau. Er ist schwer krank, sein Körper wird vom Krebs zerfressen. Die Dame in Rosa hingegen wirkt innerlich so erstarrt wie abgestorben. Pizza-Lieferungen von „Pinky Pizza“ gegen ein bisschen Zeit mit dem sterbenden Kind, das nicht mehr mit den Ärzten oder seinen Eltern reden möchte – ein Deal, der bald in eine symbiotische Freundschaft mündet. Rose heißt die überaus direkte Dame, die Blüten und Dornen besitzt, Oskar eine kleine Schneekugel mit einem Miniatur-Boxring schenkt und von ihren fantastischen Wrestling-Kämpfen als „Die Würgerin vom Languedoc“ erzählt. Der schweigsame Nachwuchs-Atheist Oskar verspricht im Gegenzug, dem lieben Gott jeden Tag seine Sorgen und Wünsche zu schicken – Briefe, die nicht mit den bunten Luftballons im Himmel, sondern im Büro seines sorgenvollen Arztes landen. Eric-Emmanuel Schmitts Roman „Oskar und die Dame in Rosa“ war weltweit ein Riesenerfolg. Seine Verfilmung ist nicht weniger traumhaft schön geraten. Jean Pierre Jeunet kommt einem angesichts eines „Krankenhauses der verlorenen Kinder“ voll magischem Realismus in den Sinn. Die Wrestling-Szenen sind comic-haft überdreht, das Schicksal und der Umgang mit dem bevorstehenden Tod sind feinfühlig und herzzerreißend. So viele emotionale Richtungen schlägt Schmitts humorvolles Melodram ein, dass es fast schon ein kleines Wunder ist, dass sich der Film innerlich nicht selbst zerreißt. Wie leicht hätte die Balance verloren gehen können: zwischen den schlagfertigen Dialogen, den etwas altklugen Erkenntnissen und den tief traurigen Momenten eines viel zu früh zum Abschiednehmen gezwungenen, noch so lebensfrohen Kindes. Stattdessen lässt Schmitt Oskar über Rose den Rest seines Lebens in 13 Tagen verleben, wobei jeder Tag unterschwellig mit zehn Lebensjahren parallelisiert wird. Oskar lebt und leidet sich durch die Pubertät mit seiner ersten großen Liebe, der anämischen Peggy Blue, durch seine Midlife-Crisis und den Ruhestand. Durch Rose erkennt er, dass er nicht der einzige ist, der sterben muss, sondern „nur“ der erste; und dass er selbst auch eine Verantwortung gegenüber den Gefühlen seiner verhassten Eltern trägt, die Oskar nicht mehr ohne Angst in den Augen „Ich liebe dich“ sagen können und ihm danach ein Puzzle aus 18.000 Teilen in die Hand drücken. Oskars Welt hingegen ist bevölkert von wundersamen Kindern mit noch wundersameren Krankheiten. Doch statt Befremden angesichts eines Schach spielend Intelligenz simulierenden Kindes mit Wasserkopf, eines ständig Süßigkeiten hortenden, fettsüchtigen Jungen oder eines nach Zuneigung heischenden Mädchens mit Down-Syndrom zu erzeugen, wirkt Oskars und Roses Blick auf das Krankenhaus-Sammelsurium wie ein Märchen. „Alle haben Angst vor mir, weil ich ein so schlechter Patient bin, weil ich ihnen beweise, dass ihre Medizin nichts wert ist“, sagt Oskar einmal und bohrt dabei nicht zum ersten Mal in der Wunde einer Erwachsenenwelt, die mit dem Unfassbaren konfrontiert wird. Schmitt unterteilt die Geschichte in die traurige Realität der Erwachsenen und in das fantasiereiche, nicht ganz zu fassende Zwischenreich der Kinder. Erst der farbenfrohe Einbruch von Rose und nicht zuletzt auch ihr letzter Rettungsanker, der Glaube an Gott, vermischen beide Welten. Die Tristesse der Realität bricht sich in ihren burlesken Wrestling-Erlebnissen – bis Oskars obligatorisches Kopftuch unter der Schirmmütze eines Tages die Farbe Rosa trägt. Michèle Laroque, Kinodebütant Amir und Max von Sydow als hoch betagter Doktor spielen dieses kleine Trio, das charakterlich auseinander strebt und sich doch angesichts des näher rückenden Endes so verbunden fühlt. Mit einer erstaunlichen Leichtigkeit springen sie in Schmitts tragikomischer Symbiose dreier Todgeweihter zwischen Fantasie- und Realebene und kommen weich auf dem heiklen Erzählboden auf, auch wenn sie dabei bisweilen gewaltig auf die Tränendrüse drücken. Dennoch ist diese Lösung einer emotionalen Erstarrung durch einen kleinen Körper, der im Sterben liegt, so anrührend und zugleich paradox lebensfroh inszeniert, dass „Schmetterling und Taucherglocke“ (fd 38648) hier wunderschön anrührend zu „Rose und Schirmmütze“ gerät.
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