Ein Gangster in Berlin will unmittelbar nach seiner Haftentlassung wieder in seine "Arbeitswelt" einsteigen, stößt aber auf den Widerstand eines einstigen Komplizen sowie bei der Durchführung eines Überfalls auf einen Geldtransporter auf einen korrupten Polizisten. Vorzüglich inszenierter Gangsterfilm von hoher innerer Spannung, der trotz einiger Gewaltspitzen betont sachlich das Tagwerk eines Kleinkriminellen im urbanen Dschungel registriert und dabei die Diskrepanz von gelebtem Professionalismus, Habgier, Gewalt und Abhängigkeit herausstellt.
- Sehenswert ab 16.
Im Schatten (2010)
Gangsterfilm | Deutschland 2010 | 86 Minuten
Regie: Thomas Arslan
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2010
- Produktionsfirma
- Schramm Film Koerner & Weber /ZDF/3sat
- Regie
- Thomas Arslan
- Buch
- Thomas Arslan
- Kamera
- Reinhold Vorschneider
- Musik
- Geir Jenssen
- Schnitt
- Bettina Blickwede
- Darsteller
- Misel Maticevic (Trojan) · Karoline Eichhorn (Dora Hillmann) · Uwe Bohm (René Meyer) · Rainer Bock (Nico) · David Scheller (Martin Krüger)
- Länge
- 86 Minuten
- Kinostart
- 30.09.2010
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
- Genre
- Gangsterfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Diskussion
Eine regnerische Nacht an einer Kreuzung in Berlin-Mitte. Stimmungsvoll glitzert der nasse Asphalt, die Ampeln reflektieren ihr farbiges Licht, die Scheinwerfer der Autos setzen Akzente. Eine Musik, wie man sie an Genrefilmen von „The Big Sleep“ bis „Taxi Driver“ schätzt, bleibt einem hier allerdings verwehrt; nur ein unvermittelt einsetzendes „Sirren“ irritiert und verfremdet die Szenerie – ein Geräusch, das sich im Lauf der Handlung ahnungsvoll zur elektronischen Komposition verdichtet. Irgendwann registriert man, dass diese lange Einstellung zu Beginn des Films durch eine Glasscheibe hindurch aus einem Innenraum heraus aufgenommen ist; allmählich nimmt man entsprechende Lichtreflexe wahr, und endlich ahnt man mehr als dass man sieht: da drinnen, hinter oder neben der Kamera, sitzt jemand, stumm, unbeweglich, wartend, quasi wie im Schatten. Erst später erfährt man seinen Namen: Trojan.
Ein Name mit mythologischer Herkunft: Als etwas Nützliches getarnt, gelangten die Griechen einst im Bauch des Trojanischen Pferdes in den geschützten Bereich, wodurch ihre Soldaten Zugang zur Stadt erlangten. Trojan, der auf Raubüberfälle spezialisierte Gangster, wurde eben erst aus dem Gefängnis entlassen. Jetzt hat er wieder Zugang zur Stadt; und in dem betont unauffälligen, stillen Einzelgänger steckt ein kampferprobter Krieger. Trojan will wieder einsteigen, doch die alten Kontakte sind brüchig geworden: Nichts bietet mehr Schutz. Ein Ex-Partner, der ihm den Anteil an einem früheren Coup schuldet, hetzt zwei Killer auf ihn, einen möglichen Raub lässt Trojan fallen, weil ein potenzieller „Mitarbeiter“ kein Profi, sondern ein Junkie ist. Erst als ihm eine Anwältin den Überfall auf einen Geldtransporter vermittelt, rekrutiert er seinen alten Kumpel Nico und beginnt mit der Arbeit, ohne zu ahnen, dass der korrupte Polizist Meyer jeden seiner Schritte beobachtet, wobei Meyer in seinen Methoden nicht weniger zimperlich ist als die Killer, die Trojan jagen.
Ist es ein Zufall, dass Thomas Arslans „Im Schatten“ in zeitlicher Nähe zu „Der Räuber“ (fd 39764) von Benjamin Heisenberg entstand? Beide Filme porträtieren einsame Männer in mehr oder weniger existenziellen Krisen, Profis mit viel krimineller Energie, die sich auf ihre Professionalität aber nur wenig einbilden, sondern einfach das tun, was sie „gelernt“ haben – ohne Emotionen, ohne Zögern. Beide Filme sind auf jeweils spezifische Art vorzüglich inszeniert, beide lassen thematisch wie formal mitunter an die Gangster-Epen von Jean-Pierre Melville denken, „Im Schatten“ bisweilen auch an Walter Hills „Driver“ (fd 21066), in dem die Personen keine Namen haben, sondern nur nach ihrem jeweiligen Job bezeichnet werden – so, wie Hanns Zischler bei Arslan einfach „Der Planer“ heißt. Immer wieder nimmt Arslan das Tempo aus der Gangstergeschichte, weshalb einige abrupte Gewaltausbrüche umso schockierender wirken – dazwischen aber erscheint Trojans kriminelles Wirken alltäglich, ja „normal“. In präziser Choreografie bewegt sich Trojan durch urbane Unorte, kontrolliert Hotelflure, überblickt Parkplätze, taucht in menschenleeren Parkhäusern unter; immer wieder strukturieren Autofahrten die Handlung: als lange Folge des Wartens und Beobachtens, des Verfolgens und Fliehens. Von solch Unspektakulärem und den daraus resultierenden Konsequenzen „handelt“ der Film, der freilich keine realistische, sondern eher eine existenzialistische Geschichte erzählt. Arslans früher Film „Dealer“ (fd 33601) um den Berliner Drogenhändler Can handelte noch von der Lähmung, die einen Menschen ergreift, der in dem Maße vereinsamt, wie seine großen Ziele schwinden; diesen Zustand interpretierte Arslan damals als „Ausdruck eines Gespürs für die Krankheit der ihn umgebenden Wirklichkeit“. Auch Trojan, der charismatische „Un-Held“, mag dieses Gespür empfinden, reagiert darauf aber (hyper-)aktiv: Nichts scheint ihn vom Weitermachen abhalten zu können, nur in der Bewegung kann er sich ins Verhältnis setzen, und wie Heisenbergs „Räuber“ bleibt auch ihm am Ende der offene Weg, der ihn weiter führt. Wohltuender Weise befrachtet Arslan seine ästhetischen Positionen nicht mit (allzu) konkreten Auffassungen; nichts aus dem „gefährlichen Leben eines Gangsters“ wird erklärt oder gar legitimiert. Entsprechend gibt es weder eine ethische Bewertung von Trojans Handeln (auch nicht seiner brutalen Widersacher), noch wird er in seinem Drang nach Unabhängigkeit mythisch überhöht. Eher emotionslos und sachlich registriert Arslan Trojans mühevolles Tagwerk im urbanen Dschungel, die immer größer werdende Diskrepanz zwischen gelebtem Professionalismus und deren Pervertierung durch Habgier, Gewalt und (Drogen-)Abhängigkeit. Diese Diskrepanz prägt die Fallhöhe der Erzählung, was beim aufmerksamen Betrachten hohe Spannung bewirkt.
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