Dokumentarisches Essay über die Rekultivierung der durch ungebremsten Braunkohlenabbau geschändeten Landschaft der Lausitz sowie damit verbundener Hoffnungen einzelner Visionäre. In langen, magischen Einstellungen führt der Film über die bloße Beschreibung eines Neuanfangs hinaus ins Menschheitsgeschichtliche und reflektiert die Sehnsucht, dem Zeitalter der ungebremsten Fortschrittsgläubigkeit eine Phase des Innenhaltens folgen zu lassen.
- Sehenswert ab 14.
Träume der Lausitz
Dokumentarfilm | Deutschland 2009 | 85 Minuten
Regie: Bernhard Sallmann
Kommentieren
Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2009
- Produktionsfirma
- Ariane Film/MDR/RBB
- Regie
- Bernhard Sallmann
- Buch
- Bernhard Sallmann
- Kamera
- Börres Weiffenbach
- Schnitt
- Claudia Gleisner
- Länge
- 85 Minuten
- Kinostart
- 06.05.2010
- Fsk
- ab 0
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Diskussion
Gott hat die Lausitz erschaffen, aber der Teufel hat Kohle darunter versteckt. So lautet ein Bonmot des sorbischen Schriftstellers Jurij Koch, das Bernhard Sallmann in seinem dokumentarischen Essay „Träume der Lausitz“ zitiert. Die Sentenz beschreibt das existenzielle Dilemma dieser Gegend südöstlich Berlins: 150 Jahre lang wurde extensiv Bergbau betrieben, die Landschaft im wahrsten Sinne des Wortes verwüstet; Dörfer wurden geschleift und Wohnstädte aus dem Boden gestampft, die jetzt, am Ende der industriellen Ära, rasant schrumpfen. Höchste Zeit also, damit zu beginnen, den geschundenen Körper der Lausitz zu pflegen, wie einen schwerkranken Patienten.
1990 hatte der DEFA-Regisseur Peter Rocha die Endzeitstudie „Schmerzen der Lausitz“ gedreht: ein eindringliches Protokoll der Verwüstung und Zeugnis tiefster persönlicher Betroffenheit. Sein österreichischer Kollege Bernhard Sallmann, der selbst schon mehrere Arbeiten in der Lausitz realisiert hat, entwirft nun ein Gegenstück: eine positive Utopie. Seine filmisch verdichtete Zuversicht, die Landschaft retten und neu kultivieren zu können, wurzelt in der Begegnung mit fünf Menschen, die hier ihre Visionen zu verwirklichen suchen: Architekten, Landschaftsgestalter, ein Bauer, ein Ingenieur, ein Tierforscher. Jeder pflegt seine eigene Vision einer glücklicheren Zukunft, die Sallmann und Kameramann Börres Weiffenbach zu eindringlichen grafischen Kinobildern gerinnen lassen: magische Motive von Steinskulpturen, schwimmenden Häusern oder Wäldern, in die längst verloren geglaubte Tiere, Wölfe zum Beispiel, zurückkehren.
Dabei ist „Träume der Lausitz“ alles andere als ein naturwissenschaftliches Lehrstück. Es gibt keine verbalen Informationen etwa darüber, welche Auswirkungen der Bergbau auf den Grundwasserspiegel oder die Vernichtung von Lebensraum hatte. Stattdessen richtet Sallmann seinen Blick auf Möglichkeiten, die aus der Katastrophe erwachsen. Dramaturgisch nutzt er seine Bilder zumeist als Belege für die visionären Ideen der Protagonisten, etwa, wenn er Häuser aus Holz auf künstlichen Inseln in ebenso künstlichen Seen zeigt; er verwendet aber auch das Mittel der Kontrastmontage, um Ende und Neuanfang zu fixieren. Besonders eindringlich gelingt ihm das in jener Sequenz, in der einem Abraumbagger, der im Sandsturm fast unkenntlich geworden ist, die Aufnahmen einer grünen Parklandschaft folgen. Von tiefer Symbolkraft ist das Bild einer blühenden Pflanze in wüstenähnlichem Boden, und das unaufdringliche Nebeneinander von althergebrachter Kultur, einem Bergmannschor, und der technischen Moderne: Wassersportler in modernen Booten auf Seen, die in stillgelegten Tagebauen angelegt wurden.
Jeder der fünf Protagonisten, ausschließlich Männer, überzeugt durch seine Leidenschaftlichkeit. Ein greiser Landschaftspfleger, der Findlinge zu Steinskulpturen ordnet, erweist sich als nachdenklicher Philosoph – und löst Sallmann bisweilen sogar als Regisseur des Films ab, wenn er das Drehteam zu besonders guten Blickpunkten dirigiert. Die letzten Motive des bildstarken, sichtlich an James Benning angelehnten Films gelten dem Tierforscher und dem Steingestalter: Beide, jung und alt, leben ihren Traum der Verschmelzung von Mensch und Natur, Klassik und Moderne. Mit solchen Szenen erhebt sich der Film ins Menschheitsgeschichtliche und reflektiert die Sehnsucht, dem Zeitalter der ungebremsten Fortschrittsgläubigkeit eine Phase des Innenhaltens folgen zu lassen, um die Heilung und Selbstheilung des Planeten nicht nur in schöne Worte zu fassen, sondern sie praktisch zu vollziehen.
Kommentar verfassen