„Tenderness“, also „Zartheit“ oder „Zärtlichkeit“ ist ein ungewöhnlicher Titel für einen Psychothriller. Ungewöhnlich ist auch, wie Regisseur John Polson hier auf die klassischen Versatzstücke des Genres zurückgreift und dabei doch einen ziemlich untypischen Vertreter seiner Gattung kreiert. Schade nur, dass das zugrunde liegende Buch zu viele Ungereimtheiten aufweist. Der Film erzählt von dem 18-jährigen Eric, der soeben aus dem Gefängnis entlassen wurde, wo er für den Mord an seinen Eltern einsaß. Detective Cristofuoro, der den Jungen einst in den Knast brachte, glaubt, dass er wieder töten wird – zumal er davon überzeugt ist, dass Eric auch etwas mit dem bislang unaufgeklärten Mord an einem jungen Mädchen zu tun hat. Cristofuoro ist der klassische „Lonesome Cowboy“ – seine geliebte Frau liegt seit einem Unfall im Koma. Auf eigene Faust heftet er sich an die Fersen des jungen Mannes. Und auch die Ausreißerin Lori macht sich auf den Weg zu Eric: Das labile und seelisch heimatlose Mädchen hat den spektakulären Fall verfolgt; der ebenso mysteriöse wie attraktive Killer fasziniert sie. Eric wiederum bricht zu einer Fahrt quer durchs Land auf, um eine hübsche Gefängnis-Bekanntschaft wieder zu treffen – dass sich ihm Lori dabei als Reisebegleitung aufdrängt, nimmt er zunächst widerwillig hin.
Sehr offen, gewissermaßen elliptisch erzählen Autor Emil Stern und Regisseur John Polson die Geschichte von Eric, Lori und Cristofuoro; die titelgebende „Zartheit“ übertragen sie in ihren Erzählrhythmus und lassen den Zuschauer eigene Schlüsse ziehen. Vor allem, was die beiden Teenager antreibt, erklärt sich, wenn überhaupt, nur indirekt – statt auf Action setzt Polson auf Atmosphäre, statt erschöpfend erläuterter Motivationen auf ein leises, latentes Gefühl von Bedrohung. Das vermag den Film, nicht zuletzt dank der durchweg herausragenden Schauspieler und Polsons Gespür für Bilder und Töne, eine ganze Weile zu tragen. Nicht jedoch über die Dauer von knapp 100 Minuten: Für einen Psychothriller, der ja – so genre-untypisch er auch sein mag – fesseln will und muss, bleibt „Tenderness“ dann doch zu hingetupft, bedächtig, unkonkret. Auch entpuppen sich die angebotenen psychologischen Erklärungsmuster bezüglich der Hauptfigur als zu diffus und zahlreich, um wirklich überzeugen zu können. Als Gründe für Erics mörderisches Potenzial werden in den Ring geworfen: Medikamentenmissbrauch, übersteigerte Religiosität sowie eine nicht näher erklärte Lust am Töten und an der „Zartheit“ des Augenblicks, in dem der letzte Atemzug den Körper verlässt. Von Letzterem ist Cristofuoro überzeugt – doch seine Überzeugung bleibt reine Behauptung. Dass „Tenderness“ zunehmend kalt lässt, ist schade angesichts der ambitionierten Ansätze des Films – John Polson ist für die Zukunft ein besseres Händchen bei der Auswahl seiner Drehbücher zu wünschen.