Dokumentarfilm über Kinder und Jugendliche, die von den Nazis als "unwertig" zur Vernichtung bestimmt waren, durch Zufall das Euthanasieprogramm in Hadamar aber überlebten. Der bewegende Film lässt seine inzwischen betagten Protagonisten ausführlich zu Wort kommen und enthält sich dabei jeder billigen Emotionalisierung. Schockierend und skandalös ist die Entdeckung, dass die diskriminierten Menschen bis in die 1970er-Jahre in Heimen weggeschlossen blieben.
- Ab 16.
Die Unwertigen
Dokumentarfilm | Deutschland 2009 | 86 Minuten
Regie: Renate Günther-Greene
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2009
- Produktionsfirma
- Menschentaucher/WDR/3sat
- Regie
- Renate Günther-Greene
- Buch
- Renate Günther-Greene
- Kamera
- Justyna Feicht
- Schnitt
- Margit Bauer
- Länge
- 86 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb
Diskussion
Sie waren weder Juden noch Kommunisten oder Angehörige einer anderen von den Nazis gehassten Gruppe. Sie waren einfach nur Kinder, die in die Maschinerie des NS-Terrors gerieten. Entweder, weil ihre Eltern von der Gestapo verhaftet wurden oder weil sie nicht dem Idealtypus des „wertigen“ Deutschen entsprachen. So wie die junge Elfriede Schreyer. Als Kind wird bei ihr wegen einer Schreib- und Leseschwäche „mittlerer Schwachsinn“ diagnostiziert, weshalb sie zum Kalmenhof ins hessische Idstein gebracht wird. Ein Heim, das für viele Bewohner lediglich eine Zwischenstation ist; ab 1941 wurden sie ins nahe Tötungslager Hadamar verlegt und dort in Rahmen des NS-Euthanasieprogramms ermordet. 600 Kinder und Jugendliche finden hier bis zum Kriegsende den Tod. Die junge Elfriede Schreyer hat im Kalmenhof viel gearbeitet, nie Lesen und Schreiben gelernt, doch sie hat das Martyrium überlebt. Aber nach Kriegsende wurde sie keineswegs entlassen, sondern blieb über Jahrzehnte weiter im Heim gefangen, obwohl es nie eine seriöse Überprüfung der „Schwachsinns“-Diagnose gab. Erst Anfang der 1970er-Jahre ermöglichte ihr eine Psychologin den Schritt in die Freiheit. Neben Schreyer stehen drei weitere Protagonisten, die ein ähnliches Schicksal erlitten haben, im Zentrum des bewegenden Dokumentarfilms: Waltraud Richard, die mit ihren Geschwistern in Heimen lebte, nachdem ihre Mutter in ein KZ deportiert wurde. Richard Sucker, der als uneheliches Kind im Alter von zwei Jahren seiner Mutter weggenommen wurde, und Günter Discher, der im KZ Moringen bei Hamburg landete, weil er als Jugendlicher seine Vorliebe für „entarteten“ Jazz öffentlich lebte. Sie alle erzählen von Hunger, brutalen Prügelstrafen und Schikanen während der NS-Zeit. Sie schildern, wie man ihnen die Kindheit und Jugend raubte und wie sie Erfahrungen machen mussten, unter denen sie bis heute zu leiden haben. Ihren Erinnerungen gewährt der Film in langen Einstellungen angemessen breiten Raum, lässt die Protagonisten mal in ihrer aktuellen Umgebung, mal an den ehemaligen Stätten des Grauens erzählen und enthält sich aller billigen Emotionalisierungen. Doch das eigentlich Skandalöse spielt hier allenfalls eine untergeordnete Rolle. Dass während der NS-Zeit auch Kindern schlimmste Dinge angetan wurden, ist so betrüblich wie wenig überraschend. Dass in den Kinderheimen der BRD die dumpfe NS-Ideologie von Zucht und Ordnung über Jahre und Jahrzehnte fortdauerte, wäre einen weiteren Dokumentarfilm wert.
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