Die romantische Komödie ist nicht gerade das Genre, das einem zuerst einfällt, wenn man an „Afrika im Film“ denkt; näher liegt das fatalistische „TIA“ – „This is Africa!“ – aus dem Abenteuerfilm „Blood Diamond“
(fd 37 991), der, wie ein Gutteil westlicher Filme über Afrika, Not, Gewalt, politisches Chaos, Korruption und Ausbeutung auf dem Kontinent thematisiert. „No Time to Die“ führt zwar den Tod im Titel und gewährt ihm auch einiges an Gewicht in der Handlung, allerdings geht es in der ghanaisch-deutschen Co-Produktion nicht um ein Krisenszenario, sondern um afrikanische Normalität, in der gearbeitet und gefeiert, geliebt und gestorben wird. King Ampaw beleuchtet diesen Alltag gelassen und mit humorvollem Augenzwinkern. Erzählt wird entlang einer Liebesgeschichte mit Hindernissen, wobei allerdings viel Raum bleibt für Seitenblicke auf kulturelle Praktiken und Traditionen, deren Vitalität der Film feiert, allerdings nicht ohne einige kritisch-aufklärerische Spitzen gegen abergläubige Auswüchse.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht Asante, ein Mann in den besten Jahren, jedoch mit einem großen Problem: Er ist der Fahrer eines Leichenwagens, und das ist auch in Ghana kein Beruf mit Sexappeal. Im Dunstkreis des Todes will die Liebe nicht blühen, und dementsprechend ist Asante immer noch Single. Dass er in dunklem Frack und Zylinder eine vielleicht etwas unzeitgemäß wirkende, aber doch stattliche Figur abgibt und einen einigermaßen sicheren und lukrativen Job hat, hilft ihm auch nicht weiter. Als ihm ein blinder Musiker prophezeit, er werde noch am selben Tag eine Frau treffen, die ihm immer treu sein werde, schöpft er neue Hoffnung – und reagiert mit besonderer Aufmerksamkeit, als kurz darauf eine schöne Trauernde vorbeikommt, deren Mutter beerdigt werden muss. Asante übernimmt den Auftrag voller Eifer, und seine fürsorgliche Hilfsbereitschaft bleibt von Esi nicht unbemerkt. Als die tote Mutter sicher unter die Erde gebracht und schließlich auch Esis Herz erweicht ist, fangen die Schwierigkeiten allerdings erst an, denn für Esis kauzigen Vater kommt es gar nicht in Frage, einen Schwiegersohn mit einem derart morbiden Beruf zu akzeptieren. Eine Menge an Charme und List muss aufgeboten werden, um der Liebe doch noch zum Sieg zu verhelfen.
Dass Deutschland dem Regisseur, der den Film mit seiner eigenen Firma „Africa Movies“ realisierte, als Produktionspartner zur Seite stand, kommt nicht von ungefähr; verbinden den mittlerweile fast 70-jährigen Ampaw doch feste Wurzeln mit der deutschen Filmszene: In den 1960er-Jahren, kurz nach der Unabhängigkeit Ghanas, verhalfen ihm und zahlreichen anderen jungen Ghanaern die sozialistischen Sympathien des neuen Präsidenten zu einem Stipendium in der DDR. Dort entdeckte er seine Liebe zum Kino und schaffte die Aufnahme bei der DEFA, musste allerdings auf die andere Seite des Eisernen Vorhangs wechseln, als Ghana nach einem Putsch eine neue Regierung bekam, die sich an die Westmächte hielt. Nach einem Zwischenspiel in Wien vervollständigte Ampaw seine Ausbildung an der jungen Münchner Filmhochschule, wo er Kontakte zum Neuen deutschen Film knüpfte, u.a. zu Werner Herzog (in dessen „Cobra Verde“ er später mitwirkte) und Wim Wenders. Wieder in seiner Heimat, arbeitete er zunächst beim Fernsehen und schließlich als unabhängiger Filmemacher. Aufgrund der schwierigen Produktionsbedingungen konnte er allerdings nur wenige Projekte realisieren (es gibt in Ghana zwar eine rührige Filmindustrie, allerdings nur für Home Videos, die mit einfachsten Mitteln auf Laienniveau schnell abgedreht werden; Kinos exisitert es so gut wie nicht): etwa „Kukurantumi – Road to Accra“
(fd 24 896), ein Drama um einen Lastwagenfahrer, der seinen Job verliert und dessen Familie darüber zerbricht, und die Dorfkomödie „Juju“, zwei Filme, die ebenfalls mit deutschen Partnern auf den Weg gebracht wurden. Wie in „Juju“ wird auch in „No Time to Die“ einiges an komischem Potenzial und zugleich an Hintersinn aus den Paradoxien gewonnen, die aus dem Festhalten an Traditionen entstehen: Einerseits können sie zur Lächerlichkeit und Geschäftemacherei verkommen, andererseits aber auch kulturelle Identität, Halt und Kraft stiften. Dabei geht es hier vor allem um den Umgang mit dem Tod; um die pompösen Riten rund um die Beerdigung sowie um den lebendigen Geisterglauben – Themen, die Ampaws Film für westliche Augen schon schon rein ethnologisch äußerst interessant machen, die gleichzeitig aber um einen Kern kreisen, der keinem „Sterblichen“ fremd sein dürfte. Von der Struktur her entfaltet sich der Film ein bisschen wie ein naiv-folkloristisches Roadmovie, das mit dem Beruf der Hauptfigur einhergeht, die ihren Leichenwagen der „Death on Wheels Ent.“ zwischen der Hauptstadt und den Dörfern hin- und herkutschiert. Flankiert wird das romantische Paar dabei in bester Shakespeare-Tradition von komisch-kauzigen Nebenfiguren wie Asantes kleinem, sehr geschäftstüchtigen Assistenten, Esis Vater und seinen trinkfreudigen Freunden oder dem Blinden, der zwar weniger esoterischen Mummenschanz um seine vor allem auf profunder Menschenkenntnis beruhenden Prophezeiungen macht als der örtliche Schamane, dafür aber stets den Nagel auf den Kopf trifft.