Filme übers Landleben sind die Spezialität des französischen Regisseurs Jean Becker: Auf dem Land lernt man, sich wieder an einfachen Dingen zu erfreuen, man bekommt neuen Schwung und neuen Lebensmut. Im Gegensatz zu „Ein Sommer auf dem Lande“
(fd 34 337) erzählt Becker nun eine Geschichte, die in der Gegenwart spielt, die Geschichte einer kurzen, späten und intensiven Männerfreundschaft.
Das Leben des Kunstmalers Dupinceau verändert sich, als seine Frau sich scheiden lassen will und er auch altersbedingt – er ist Mitte 50 – in eine Lebenskrise gerät. Er kehrt zurück aufs Land, in das Haus seiner verstorbenen Mutter, irgendwo in der Region des Beaujolais. Noch etwas unsicher, was er von der Natur und der Ruhe auf dem Land erwarten soll, beginnt er, sich in der Einsamkeit einzurichten und zu malen. Um den verwilderten großen Garten wieder herzurichten, sucht er per Annonce einen Gärtner – und sieht sich überraschend Dujardin gegenüber, mit dem er einst die Schulbank drückte. Er stellt den Ruheständler und passionierten Gärtner ein, der ihm peu à peu die Augen öffnet für die Schönheiten des Gartens und des Landlebens. Immer mehr und immer länger reden die beiden ungleichen Männer miteinander: der weltgewandte Maler aus der Großstadt, der Lebemann, der in seinem Haus auch von einem sehr jungen Modell besucht wird, und der pensionierte Eisenbahner, der mit seiner Ehefrau ein recht eintöniges Leben führt, aber eine unglaubliche Ruhe und Zuversicht ausstrahlt. Dujardin gibt Dupinceau nicht nur praktische Tipps für den Garten. Man soll immer ein Messer und ein Stückchen Schnur bei sich haben, rät er dem verblüfften Maler, das helfe in vielen Notsituationen. Es sind die einfachen Weisheiten des Gärtners, die dem Maler helfen, das Leben mit anderen Augen zu sehen. „Wenn man denkt, dass man denkt, dann schläft man ein“, sagt Dujardin. Oder „Ich sehe es gerne, wenn die Sonne aufgeht und die Morgennebel verfliegen. Das ist besser als Kino. Das ist echt.“ Der Film ist voller solch poetischer Sprüche zum Schmunzeln, manche wie „Die wichtigsten Dingen sind die, die du in deinem Herzen trägst“ erinnern an Saint-Exupérys „Der kleine Prinz“ (vor allem in der französischen Originalfassung) und kommen meistens von dem Gärtner, der viel mehr redet als der Maler.
„Dialog mit meinem Gärtner“ hat viele Gemeinsamkeiten mit dem berühmten Männer-Redefilm „Mein Essen mit André“
(fd 23 272) von Louis Malle, was die vorwiegend heitere Stimmung angeht, die Freude an Klatschgeschichten und das gegensätzliche Männerpaar, das gerne lacht. Aber Becker führt die Zuschauer aus der Gegenwart optisch zurück in den Impressionismus, mit Bildern, die aussehen wie Fotos und Gemälde aus der Zeit von Renoir und Monet, mit großem Gespür für Licht, Pflanzen und Naturschönheiten. Filme über das Landleben – meist mit älteren Männern im Mittelpunkt – sind in den vergangenen Jahren ein beliebtes Subgenre in Frankreich geworden. Der Film von Jean Becker (dem Sohn von Jacques Becker), entstanden nach dem 2000 erschienenen gleichnamigen Buch des Malers und Schriftstellers Henri Cueco, ist zweifellos einer der schönsten seiner Art. Aber er wäre noch besser, wenn er weniger Nebenschauplätze – die beiden Männer fahren sogar einmal nach Paris, wo der Maler den Gärtner zu seinem Arzt bringt und ihn in den Louvre führt – und weniger weibliche Nebenfiguren hätte, sondern sich noch mehr auf die beiden Männer konzentrieren würde, die genial besetzt sind mit Daniel Auteuil (zweifacher Preisträger des European Film Award) als Maler und Jean-Pierre Darroussin als Gärtner. Die beiden spielen so natürlich und intensiv, dass man gebannt an ihren Lippen hängt und die typischen Szenen beim Wein am Gartentisch und andere Klischee-Bilder von den Freuden des Landlebens auf einmal gar nicht kitschig wirken – trotz der malerischen Scope-Bilder und der ruhigen Kameraführung. Denn Becker erzählt all diese Szenen einer ungewöhnlichen Männerfreundschaft wie eine zarte Liebesgeschichte aus einer vergangenen Zeit.