Dokumentarfilm | Deutschland/Frankreich 2007 | 75 Minuten

Regie: Chris Wright

Konsequent pessimistischer Zustandsbericht aus der deutschen Industrieprovinz. Mit verstörenden Close-ups assoziative Montage über enttäuschte Sehnsüchte und leergelaufene Lebensgeschichten von vier Bewohnern eines Wohnblocks, ohne falsche Larmoyanz, in seiner künstlerischen Stilisierung aber bisweilen am Rande des Klischees. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland/Frankreich
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
ma.ja.de. filmproduktion/ZDF/3sat/Arte France
Regie
Chris Wright · Stefan Kolbe
Buch
Chris Wright · Stefan Kolbe
Kamera
Stefan Kolbe
Musik
Chris Wright
Schnitt
Chris Wright
Länge
75 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Diskussion
Im Jahr 2003 realisierten Stefan Kolbe und Chris Wright mit „Technik des Glücks“ eine lebensnahe Beschreibung über das definitive Ende des Industriezeitalters in der ostdeutschen Provinz, inszeniert als essayistischer Found-Footage-Film. Damals ging es um den Abriss der letzten Schornsteine des 1992 stillgelegten Kohlekraftwerks Zschornewitz, dessen Hochbauten jahrzehntelang die Elbauen und das angrenzende Flachland zwischen Wittenberg und Dessau dominierten. Für „Das Block“ reisten die Potsdamer Filmhochschulabsolventen erneut in die sachsen-anhaltinische Industrieprovinz, nach Gräfenheinichen, nur wenige Kilometer östlich des ehemaligen Kraftwerkstandorts. Hier lebt Hans-Joachim Werner, einst Kraftwerker und Mitglied des betrieblichen Amateurfilmklubs, wo Alltagskultur und Arbeitsleben auf Super-8 festgehalten wurden, einer der Hauptprotagonisten in „Technik des Glücks“. Mit 84 anderen Mietparteien lebt Werner in einem Wohnblock. „Das Block“ porträtiert vier von ihnen, neben dem ehemaligen Amateurfilmer die ukrainische Jüdin Natalya, die als Laienkünstlerin durch Flure und Vorgärten geistert, Silvio, ein junger Mann mit Ohrringen und steifem Hemdkragen, der mit zwei Geschwistern im Heim aufwuchs, nachdem seine Eltern eines Weihnachtsvorabends in den Knast kamen, und Olga, die Russlanddeutsche aus Tschetschenien, die nach Grosny zurück will, weil „Einsamkeit schlimmer als der Krieg“ ist. Die Einsamkeit ist auch der Schlüssel zu „Das Block“: Hier lebt man nebeneinander her. Kolbe und Wright berichten über Angehörige vierer Generationen, denen Geschichte und individuelles Schicksal bestenfalls eine Existenz im Niemandsland der Gefühle zur Verfügung gestellt haben. Die Parallelwelten, in denen sie leben, berühren sich genauso wenig wie ihre Sehnsüchte und mitunter verstörenden Kauzigkeiten. Hans-Joachim Werner träumt von seiner großen Liebe Sonja und geht detektivisch auf Jagd nach einem Telefonterroristen, der ihn Tag und Nacht belästigt. Die introvertierte Natalya reinigt ihren Körper in Brennnesseln und kaltem Schnee; Silvio zerschießt mit einem Luftgewehr in einer aufgelassenen Sowjetkaserne die Lampen; Olga sehnt sich verzweifelt nach ihrer Familie, die sie einst verlassen hat, um in der deutschen „Heimat“ zu sterben. Das Gräfenheinichen könnte sich überall da befinden, wo Deutschland in den Leerlauf seiner Randbereiche zerfasert. Mit den umweltzerstörten Landschaften ist auch die Stimmungslage gekippt. Um ihr Typenpanoptikum zu beschreiben, wählen Kolbe und Wright eine assoziative Struktur, bilden Momentaufnahmen ab, oszillieren zwischen ihren Charakteren, deren Mimik mit verstörend nahen Close-ups eingefangen wird. Alles ist hier eng, auch ein wenig muffig, von Werners mit Schrankwänden verbauter Wohnung bis zu Olgas Plastiktischdecke mit Blumenmotiven. Da atmet man schon auf, wenn die Kamera sich vor die Tür wagt, selbst wenn sie nur den dunklen Flur der Wohnanlage oder ein zerschlissenes Lenin-Standbild in der alten Kaserne einfängt. Manchmal wissen die Protagonisten nichts mehr zu erzählen und die Filmemacher nichts zu fragen. Dann wird geschwiegen – oder zu viel geredet, etwa, wenn Werner über den Standort seines ungebetenen Anrufers mutmaßt. Das ermüdet mitunter, zumal die Botschaft des Konzeptfilms schnell klar wird. „Das Wetter ist mies, meine Stimmung eigentlich auch“, sagt Werner, als er sich fein macht, um Sonja zu besuchen. Es ist eher eine resignierte Feststellung, metaphorisch für einen Zustandsbericht, dem sogar die Larmoyanz abhanden gekommen ist, mit der ähnliche Beiträge den Zuschauer für sich einnehmen wollen. Ein konsequent pessimistisches Tagebuch über eine Verunsicherung, deren grobkörnige Düsternis allerdings manchmal Mittel zum Zweck ist. Am Ende siegt der Gestaltungswillen, die künstlerische Stilisierung, über die investigative Absicht. Die Siedlung, um die es geht, sieht man nie, muss man auch nicht, denn genauso hat man sich die Folgen der Anonymität, die hier an den Seelen nagt, eigentlich immer vorgestellt.
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