Wie wird „Ein mutiger Weg“ in die Filmgeschichte eingehen? Als ein Dokument über die grausame Konfrontation zweier Ideologien zu Beginn des 21. Jahrhunderts oder als ein kleiner halbdokumentarischer Film mit einem großen Star? Der Film legt keine eindeutige Antwort auf die Frage nahe. Er ist das erschütternde Porträt einer privaten Katastrophe vor politischem Hintergrund, die Rekonstruktion einer von hochrangigen Spezialisten betriebenen Täterjagd, aber auch ein Hollywood-Drama, dessen Macher genau wissen, dass die Mehrzahl des Publikums nicht wegen Daniel und Mariane Pearl, sondern wegen Angelina Jolie ins Kino gekommen ist. Es hilft, dass Brad Pitt und sein Produktionspartner Dede Gardner sich auf den Engländer Michael Winterbottom als Regisseur verständigen konnten. Winterbottom hat sich zwar in seiner bisherigen Karriere als eine Art filmisches Chamäleon erwiesen; hier aber konzentriert er sich auf seine stärkste Seite, auf die Dokumentation politischer Ereignisse. Zwei Filme – „In This World“
(fd 36128) und „The Road to Guantanamo“ – hatte er schon in Pakistan
(fd 37797) gedreht, als das Projekt über die Entführung und schließliche Enthauptung des „Wall Street Journal“-Reporters Daniel Pearl auf ihn zu kam. Er kannte Karatschi, kannte die aufgeheizte, von muslimischen Fanatikern angefachte Atmosphäre, und er war vor allem keiner, der sich den kommerziellen Gesetzen Hollywoods widerstandslos unterwerfen würde. Andererseits widerstand auch er nicht der Besetzung mit einem weiblichen Star, dessen Anwesenheit den Film seiner Authentizität beraubt, obwohl Angelina Jolie sich redlich Mühe gibt, hinter die reale Mariane Pearl, die sie zu verkörpern hat, zurückzutreten.
Angelehnt an das autobiografische Buch „A Mighty Heart: The Inside Story of the Al Qaeda Kidnapping of Daniel Pearl“ aus Marianes Feder, spielen sich die Ereignisse vorwiegend aus dem Blickpunkt von Daniel Pearls Frau ab, einer französischen Journalistin kubanischer Abstammung, die zur Zeit seiner Entführung im fünften Monat schwanger war. Pearl wollte sich an jenem verhängnisvollen Tag im Frühjahr 2002 mit einem Informanten treffen, von dem er Einzelheiten über den so genannten „Shoe Bomber“ Richard Reid in Erfahrung zu bringen hoffte. Je länger Pearl ausbleibt, umso besorgter wird Mariane und alarmiert schließlich die Autoritäten. Bald versammeln sich Terror-Experten von pakistanischer und amerikanischer Seite in ihrem Haus, das sich in den folgenden Wochen in eine Hochburg der mit wachsender Intensität betriebenen Suche verwandelt. Dem Film gelingt es am besten, den Hexenkessel der außerhalb der Hausmauern brodelnden Millionenstadt Karatschi mit ihren Gegensätzen von Arm und Reich und mit der Manipulierbarkeit einer von religiösem Extremismus und langer politischer Instabilität beeinflussten Bevölkerung in den Mittelpunkt zu rücken. Das tragische Ende, das dem Zuschauer bekannt ist, lastet über jeder Szene, verhindert den in ähnlichen Filmen üblichen Voyeurismus, relativiert in seiner voraussehbaren Entsetzlichkeit aber auch alles, was Winterbottom unternimmt, um die psychische Belastung Marianes und ihrer Weggefährten spürbar zu machen, zu Stationen auf dem Weg in die gewisse Katastrophe.
Dass auch ein Regisseur wie Winterbottom den Stoff nicht so vermitteln kann, wie er eigentlich dargestellt werden müsste, demonstriert die Zwitterposition zwischen Hollywood-Drama und unemotionaler politischer Analyse, aus der sich der Film nur in seltenen Augenblicken befreien kann. So sehr die Person Marianes das Mitgefühl des Publikums verdient und so beispielhaft sie für das Leiden zahlloser Opfer religiöser Fanatiker und der Hinterbliebenen auf ihrem Rücken ausgefochtener Kriege stehen mag, sollte eigentlich die Story Daniel Pearls, seine journalistische Arbeit und seine Motivation die zentrale, erzählenswerte Geschichte sein. Pearl, von dem hier zwar in jeder Szene und in jedem Dialog die Rede ist, bleibt dennoch – von ein paar Rückblenden auf glücklichere Tage abgesehen – der Mann im Hintergrund, von dem man viel zu wenig erfährt, um seine Person und seine Aufgabe beurteilen zu können. Das liegt mehr an der einseitigen Orientierung des Ausgangsmaterials als an der Arbeit des Regisseurs. Winterbottom ist durchaus auf der Höhe seines Könnens. Mit seiner beharrlichen Blickrichtung auf das chaotische Getriebe der Millionenstadt kesselt er den Zuschauer von Anfang an ein und macht ihn zum Mitgefangenen in der Wohnung Mariane Pearls. Wie in allen seinen Filmen umkreist er die Figuren insistierend mit der Handkamera, Großaufnahmen vermeidend und damit ganz offensichtlich versuchend, der Star-Faszination so wenig wie möglich in die Hände zu spielen. Meist sind es Gegenlichtaufnahmen, in denen die handelnden Personen wie Schemen agieren; der Zuschauer fühlt sich von dem hereinfallenden Licht oft wie geblendet. Unruhe und Irritation befallen das Publikum dadurch in ebensolchem Maße wie die Charaktere des Films. Es ist keine Frage, dass Winterbottom den Stoff, der ihm vorgegeben wurde, überzeugend verfilmt hat und dass von Kumpanei mit den Erwartungen seiner Hollywood-Produzenten nicht die Rede sein kann. Es sind die autobiografische Perspektive und der Star, die dem Gelingen des Films im Wege stehen.