Dokumentarfilm über eine Reise durch Afghanistan im Frühjahr 2004 auf der Suche nach den Motiven militanter Islamisten, die das unwegsame Land für die Al Quaida öffneten. Da inzwischen aber niemand mehr ein Taliban gewesen sein will, greifen die Autoren auf ältere Interviews mit tschetschenischen Gotteskriegern zurück, ohne die Wurzeln des islamischen Fundamentalismus dadurch einsichtiger machen zu können. Auch filmisch scheitert die grob zusammengezimmerte Reportage auf ganzer Linie.
- Ab 16 möglich.
Der Duft des Paradieses
Dokumentarfilm | Polen/Niederlande/Bulgarien/Dänemark 2005 | 81 Minuten
Regie: Marcin Mamon
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Filmdaten
- Originaltitel
- THE SMELL OF PARADISE
- Produktionsland
- Polen/Niederlande/Bulgarien/Dänemark
- Produktionsjahr
- 2005
- Produktionsfirma
- Amago/BNT/Phanta Vision Film/TVP/VPRO Television
- Regie
- Marcin Mamon · Mariusz Pilis
- Buch
- Marcin Mamon · Mariusz Pilis
- Kamera
- Tomasz Glowacki · Jacek Januszyk · Andrzej Jaskowski
- Musik
- Michal Lorenc
- Schnitt
- Jaroslaw Kaminski · JP Luijsterburg
- Länge
- 81 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16 möglich.
- Genre
- Dokumentarfilm
Aktualisiert am
24.01.2008 - 15:54:58
Diskussion
Wenn es um unzensierte Bilder aus dem amerikanischen „Krieg gegen den Terror“ geht, gefällt sich der Westen gerne in der Rolle des Analphabeten. Unrasierte Reporter pressen zwar noch aus der abgelegensten Provinzhauptstadt drei Sätze ins Satellitentelefon, doch der Hauptinhalt ihrer Bilder sind meist sie selbst. Deshalb ist es den polnischen Journalisten Marcin Mamon und Mariusz Pilis hoch anzurechnen, dass sie während ihrer langjährigen Recherchen auf den Spuren des Dschihad die Kamera meist dort aufbauen, wohin sich CNN-Reporter kaum verirren: in den Hochburgen militanter Islamisten. Für „Der Duft des Paradieses“ reisten sie im Frühjahr 2004 nach Kandahar, Herat und Wasiristan, um Menschen zu begegnen, die als Taliban ihren religiösen Überzeugungen auch mit Gewalt Geltung verschaffen. Eine selbstmörderische Absicht, wie den Filmemachern unmissverständlich bedeutet wurde. Doch das fünfköpfige Team wagte sich dennoch in die kargen Bergregionen, deren mittelalterliche Stille von amerikanischen Kampfjets zerrissen wird. Die Kamera (Digital Betacam) quält sich durch zerklüftete Landschaften, begegnet einfachen Menschen, lauscht in Moscheen und Teehäusern, hört mehr oder weniger wichtigen Wortführern zu, die über Wahrheit und Gerechtigkeit monologisieren; nur ein Parteigänger der Taliban will anscheinend niemand gewesen sein. Aus dieser Verlegenheit befreit die Montage, indem sie auf älteres Material der beiden zurückgreift, vor allem auf Interviews mit tschetschenischen Warlords, etwa Hamzat Gilaev oder Shamil Basaev, dem die Terroranschläge auf das Moskauer Theater (2002) und die Schule in Beslan (2004) zugeschrieben werden; der Krieg in Tschetschenien wird vor allem durch die Begegnung mit Selimchan Jandarbijew zur Folie für den heiligen Krieg, da der ehemalige tschetschenische Übergangspräsident mit Hilfe von Bin Laden und Mullah Omar eine Mudjaheddin-Armee auf die Beine stellen sollte. In seinem Exil in Katar entpuppt sich Jandarbijew jedoch als altersweiser Dichter, der Palmen wässert, Halt im Gebet sucht und primär den Kampf gegen die russischen Okkupatoren Revue passieren lässt; was ihn zu einem islamischen „Terroristen“ machen soll, als der er im Westen galt, entzieht sich trotz seiner Ermordung zwei Wochen nach den Aufnahmen der Analyse. Das gilt auch für die Kompilation insgesamt, die das Titelversprechen, Einblick ins fundamentalistische Denken der Dschihadisten zu geben, nie einlösen kann; sie vermag überdies ihr disparates Material auch nur mit brachialen filmischen Methoden zusammenzuzimmern.
Der prätentiöse Off-Kommentar wäre angesichts der befremdlichen Bilder aus den Stein- und Staubwüsten Süd-Afghanistans vielleicht verschmerzbar; doch die digitale Nachbearbeitung der Aufnahmen und die bedeutungsschwangere Filmmusik beschwören eine Atmosphäre nahe der Apokalypse, die populistisch der „Achse des Bösen“-Rhetorik zuarbeitet; was bleibt, ist vielleicht das Erstaunen über die Armut und Unwirtlichkeit einer Region, die durch die „9/11“-Attentate unfreiwillig ins Rampenlicht der Weltöffentlichkeit gerissen wurde.
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