Der Photograph

Dokumentarfilm | Deutschland 2006 | 134 Minuten

Regie: Jürgen Heiter

Essayistisches Porträt des 1939 geborenen Kölner Fotografen Benjamin Katz, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, zeitgenössische Künstler und ihre Arbeit zu dokumentieren, wobei er deren Kunstaktionen in Bildserien und die Beteiligten selbst in prägnanten Porträts von pointierter, mitunter heiter-entspannter Intimität festhält. Der Film widmet sich dem Porträtisten mit den gleichen umkreisenden Bewegungen, die dieser bei der Arbeit um seine Objekte fast unmerklich gleitend vollführt, wobei er in seiner kunstwilligen Eigensinnigkeit der dokumentarischen Absicht mitunter im Wege steht. Indem er sich darum bemüht, die Konventionen des Genres zu meiden, vermittelt er am Ende vor lauter Kunstwillen nur einen Bruchteil seines attraktiven Sujets. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2006
Produktionsfirma
Heiter Filmprod./WDR/3sat
Regie
Jürgen Heiter
Buch
Jürgen Heiter · Helmut Banz · Olaf Möller · Cony Theis
Kamera
Ulrike Pfeiffer
Schnitt
Jürgen Heiter
Länge
134 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Dokumentarfilm

Diskussion
Der Kölner Fotograf Benjamin Katz gehört zu den bekanntesten Künstlerporträtisten der letzten Dekaden. Seit vielen Jahren ist der 1939 als Sohn geflohener deutscher Juden in Antwerpen geborene Katz mit namhaften Künstlern befreundet, die er bei der Arbeit im Atelier und in der Öffentlichkeit mit der Kamera begleitet. Ob es um Performances oder Branchenveranstaltungen geht, Katz hält die Aktionen in Bildserien und die Beteiligten in prägnanten Porträts fest. Die Ergebnisse seiner „fotografischen Krankheit“ sind pointierte und mitunter heiter-entspannte Momente, bei denen der Porträtierte seinen Drang zum Posieren vergisst. Die den nationalen und internationalen Kunstbetrieb umfassenden Aufnahmen zeichnen sich durch eine Intimität aus, die nicht zuletzt von der Freundschaft mit den meisten der Porträtierten herrührt. Mit seinen diskreten Fotografien von Penck, Baselitz, Lüpertz und vielen anderen gelingt es Katz immer wieder, sowohl das Vergängliche des schöpferischen Moments zu dokumentieren als auch die inneren Antriebskräfte des Künstlers sichtbar zu machen. Das essayistisch angehauchte Porträt des Kölner Filmemachers Jürgen Heiter widmet sich dem Porträtisten Benjamin Katz mit den gleichen umkreisenden Bewegungen, die dieser bei der Arbeit um seine Objekte fast unmerklich gleitend vollführt. Während einer Performance von Jonathan Meese folgt ihm die Kamera aus der Ferne und zeigt den aufmerksamen Beobachter am Rande einer wagnerianischen Bilderinstallation agieren, unbeeindruckt von dem martialischen Geschrei und erst beim Hinausgehen mit einem süffisanten Lächeln auf den Lippen. An der Beiläufigkeit solcher Reaktionen versucht sich auch die zwischen Penetranz und Schüchternheit wechselnde Kamera, wenn sie Katz zu Hause im Nacken hängend beim Nichtstun assistiert oder gleich ins Bett folgt, wo er im weißen Oberhemd unter einer hellbunten Bettwäsche begraben an einem Weltempfänger herumhantiert und mit Vorliebe französische Sender hört. Solch leise-ironische Charakterskizzen gelingen Heiter leider nicht allzu oft. Gleich in der ersten von 20 mitunter arg beliebigen Sequenzen erblickt man die Hände des Fotografen in Großaufnahme. Vor dem Hintergrund eines roten Tischteppichs legen sie den Film in einen Fotoapparat ein. Die Produkte seines handwerklichen Könnens, die über Jahrzehnte entstandenen Fotografien, muss man dann leider wild flatternd in Kleinformat, an diversen Unterlagen aufgehängt, betrachten. Das ist bedauernswert, denn so wird man den Eindruck nicht los, dass sich der Regisseur auf Kosten von Katz mit bemüht kreativen Einfällen in den Vordergrund schieben möchte. Ab und zu schreibt er mit schwarzem Filzstift einen Satz wie „Kaum hatte ich die Grenze überschritten, kamen Gespenster mir entgegen“ auf ein Blatt Papier. Nach einer Schwarzblende sieht man ihn dann, begleitet von einer nervösen Handkamera, im Auto durch Brüssel fahren. Nebenbei erzählt Katz viel zu kurz, wie seine Eltern aus Nazi-Deutschland nach Belgien emigrierten, dass der Vater in einem französischen Gefangenenlager starb und wie er mit seiner Mutter durch den Einsatz hilfsbereiter Franzosen überlebte. Überhaupt wird das Biografische seltsam ausgespart; zu Wort kommt der bilinguale Kosmopolit auch kaum, und wenn doch, dann in banalen Situationen, die kaum Aussagewert haben, oder im Gespräch mit egomanischen Künstlern, denen er bescheiden den Vortritt lässt. Dafür sieht man den Gentleman alter Schule minutenlang auf Französisch telefonieren oder schaut dem Verdi-Quartett beim Musizieren zu, ohne zu erfahren, in welchem Verhältnis Katz zu der gespielten Musik steht. Besonders störend und seltsam elitär mutet an, dass die Namen und Professionen der auftretenden Personen nicht genannt werden. Ob der Kölner Buchhändler und Verleger Walther König jedermann bekannt ist, lässt sich bezweifeln. Im Film sitzt er stumm rauchend vor einem Fenster oder schleppt gemeinsam mit Katz einen Karton durch den Kölner Stadtgarten. Neben solchen ins Leere laufenden dadaistischen Aktionen versucht sich der Film zu allem Überfluss im absurden Theater: Zwei Gestalten, gekleidet in weiße Frotteebademäntel, trinken Rotwein. Der Genuss wird behindert durch Gesichtsmasken, der Wein färbt die Mäntel allmählich rot ein. Die Foto-Masken tragen die Gesichtszüge von Rosemarie Trockel und Katz, die hinter den Masken stecken. Das mutwillig verkomplizierte Unterfangen des mundlosen Rotweintrinkens entwickelt nicht ganz die Komik, die wohl beabsichtigt war. Wie sich überhaupt dieses halbherzige Porträt so sehr darum bemüht, die Konventionen des Genres zu meiden, dass es am Ende vor lauter Kunstwillen nur einen Bruchteil seines attraktiven Sujets zu vermitteln vermag. Die Macher haben dem Fotografen schlicht die Show gestohlen.
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