The Making of - Ein Dokumentarfilm in 5 Akten

Dokumentarfilm | Deutschland/Luxemburg 2005 | 88 Minuten

Regie: Viola Stephan

"The Making of" setzt sich mit den Mechanismen des menschlichen Bewusstseins auseinander und ist dabei mehr spielerischer Essay als Dokumentarfilm. Auf einer Ebene stellt der Film die internationale Arbeit von Hirnforschern und Kognitionswissenschaftlern vor und blickt hinter die Kulissen menschlicher Wirklichkeitsproduktion; auf einer anderen übt er sich in kreativer Eigenreflexion, indem er die Dokumentation zugleich als "Making of" seiner selbst anlegt. Dabei bemüht er sich, zwei Filme in einem zu sein: Dokumentation und deren Dekonstruktion; die filmformalen Experimente stehen dabei den Inhalten bisweilen mehr im Wege, als dass sie ästhetisch reflektiert würden. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
THE MAKING OF - EIN DOKUMENTARFILM IN 5 AKTEN
Produktionsland
Deutschland/Luxemburg
Produktionsjahr
2005
Produktionsfirma
Sreda Film
Regie
Viola Stephan
Buch
Viktor Kossakowski · Viola Stephan
Kamera
Sibylle Grunze · Viktor Kossakowski
Musik
Boris Meinhold
Schnitt
Karin Jacobs
Länge
88 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Dokumentarfilm
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IMDb

Diskussion
Eine klare Botschaft vermitteln, verständlich sein: Das sind für Professor Christoph von der Malsburg wesentliche Anforderungen an einen gelungenen Dokumentarfilm. Ein „bisschen Ambivalenz“, fügt der Computerwissenschaftler und Neurobiologe von der „University of Southern California“ (USC) mit süffisantem Lächeln hinzu, könne natürlich auch nicht schaden. Wohlgefällig schiebt er die Augenbrauen nach oben. Man spürt, dass er die Filmleute, die ihm hinter der Kamera, im Off, gegenübersitzen, nicht ganz ernst nimmt. Zumindest erweckt Viola Stephans Dokumentarfilm diesen Eindruck, genauer: er vermag ihn zu erwecken. Man muss vorsichtig formulieren. „The Making of“ steckt voller Rezeptionsfallen. Trotzig entzieht sich der Film jener von Professor von der Malsburg (scheinbar) hochmütig postulierten einfachen Handhabbarkeit und geriert sich stattdessen als doppelbödige Versuchsanordnung. Auf einer Ebene stellt er die internationale Arbeit von Hirnforschern und Kognitionswissenschaftlern vor; auf dieser Ebene blickt das „Making of“ hinter die Kulissen menschlicher Wirklichkeitsproduktion. Auf einer anderen Ebene üben sich die Filmemacher in kreativer Eigenreflexion, indem sie die Dokumentation zugleich als „Making of“ ihrer selbst anlegen. Basis- und Metadiskurs vermischen sich. Filmische Konstruktion und Dekonstruktion gehen Hand in Hand, wodurch anders als bei einem üblichen „Making of“ kein neuer Wirklichkeitsbackground installiert, sondern das Wahrhaftigkeitsprinzip unterhöhlt wird. Dieses Infragestellen einer objektiv wahrnehmbaren Realität entspricht inhaltlich den auf der Forschungsebene von namhaften Neurobiologen, Kognitionswissenschaftlern und Kybernetikern vertretenen Thesen. Der Film demonstriert die Inszenierung von Wirklichkeit durch das menschliche Gehirn, indem er sich seines dokumentarischen, Realität scheinbar abbildenden Charakters zum Trotz als inszeniert zu erkennen gibt. Die Mittel, die er dafür einsetzt, sind sowohl in ihrer Art als auch in ihrer Qualität vielfältig. Ein „Selbstexperiment“ travestiert in überdrehten Spielszenen Reality-TV, zeigt mal einen jungen Mann beim Teigkneten, mal beim Familienbesuch. Die Aussagelosigkeit der Bilder wird dabei derart überstrapaziert, dass der satirische Bezug kaum noch erkennbar ist. Die Kohärenz muss sich der Rezipient hartnäckig selbst suchen. Fündig wird er im formalen Reflex des Films auf die wahrnehmungsanalytischen Theorien. Wenn die Forscher etwa erklären, dass das menschliche Gehirn nicht hierarchisch, sondern als Netzwerk organisiert sei, lassen auch die Filmemacher auf der Tonebene mehrere Vorgänge bzw. Äußerungen parallel laufen. Die filmkreative Adaption der Forschungsinhalte unterstützt diese jedoch nur bedingt. Letztlich verselbständigt sich die Darstellungsweise und wird, indem sie den Leitsatz des (Film-)Designs, „form follows function“, auf den Kopf stellt, zum formalen Experiment. Von den zwei möglichen wissenschaftlichen Herangehensweisen, die der Tübinger Biokybernetiker Gregor Rainer nennt, nämlich das Prüfen einer Hypothese oder das Forschen „ins Blaue hinein“, scheint sich Viola Stephan für Letzteres entschieden zu haben. Die narrative Struktur, das Fünfaktschema wirken nachträglich, aufgesetzt oder, positiv gewendet, induktiv. Die Methode des formalen Echos strahlt zurück auf die Inhalte, die es hervorrufen. Auch ihnen ist zu misstrauen! Die Montage stellt sich selbst aus, indem sie auffällig häufig mit Jump-Cuts arbeitet. Statt eine flüssige, authentisch wirkende Rede zu präsentieren, zerhackt sie die Aussagen von der Malsburgs zu Satzschnipseln, die sie dann collagenartig neu zusammensetzt. Damit beraubt sich die Dokumentation ihres Gegenstandes, den sie gleichzeitig festzuhalten versucht. Am Anfang verweist Andreas Tolias vom Tübinger Max-Planck-Institut für Biologische Kybernetik auf das berühmte Lincoln-Porträt Salvador Dalís, das, je nach Abstand des Betrachters, zwei verschiedene Bilder zeigt: entweder Abraham Lincoln oder die nackte Gala. Das ambitionierte filmische Vorhaben von „The Making of“ knüpft erkenntnistheoretisch an Dalís Kunstwerk an. Der Essay bemüht sich, zwei Filme in einem zu sein: eine Dokumentation und ihre Dekonstruktion. Das aber gelingt nur bedingt. Anders als Dalís Bild fehlt es „The Making of“ weitgehend an sinnlichen Reizen. Nur zu selten erreicht der Film lyrische Prägnanz, etwa wie in jener wunderbaren Sequenz, in der die gestenreichen Versuche Rob van der Willigens, das Prinzip der Stereosicht zu erklären, wortlos und musikalisch untermalt hintereinandergeschnitten werden. Meist aber gerät Viola Stephans filmischer Laborversuch klinisch, bisweilen prätentiös. Ärgerlich ist, wie unreflektiert die Tierversuche einzelner Wissenschaftler in ein erkenntnisästhetisches Gesamtkonzept eingebunden werden. Am Ende bleibt kaum mehr als allgemeines Achselzucken. Einige ratlose, entmutigte Wissenschaftler, die ahnen, dass es noch ein weiter Weg ist bis zur Dechiffrierung des menschlichen Denkens, falls dieser Weg überhaupt je ans Ziel führt. Denn die Hirnforschung, so erklärt von der Malsburg, „rührt ans Sein“. Das menschliche Hirn sei der große „Knoten“ im Verständnis des menschlichen Seins. Dazu, diesen Knoten zu lösen, kann der Film nichts beitragen. Immerhin in Ansätzen aber gelingt es, ihn sichtbar zu machen.
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