Der Film zeigt den Alltag von Arbeiterinnen in einer Textilfabrik in der südchinesischen Stadt Shax, in der Kleidung für den westlichen Markt produziert wird. Der bemerkenswerte, auch mit nachgestellten Szenen argumentierende Dokumentarfilm stellt ein höchst ausbeuterisches System vor, veranschaulicht globale Zusammenhänge, informiert aber auch über den Lernprozess der Arbeiterinnen, die erkennen, dass Streiks ein (noch) wirksames Mittel im Kampf für ihre Rechte sein können. Dabei schafft er Klarheit über die Produktionsbedingungen in einer zunehmend globalisierten Welt. (O.m.d.U.)
- Ab 14.
China Blue
Dokumentarfilm | USA 2005 | 88 Minuten
Regie: Micha X. Peled
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Filmdaten
- Originaltitel
- CHINA BLUE
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2005
- Produktionsfirma
- Teddy Bear Films
- Regie
- Micha X. Peled
- Buch
- Micha X. Peled
- Kamera
- Micha X. Peled
- Musik
- Miriam Cutler
- Schnitt
- Manuel Tsingaris
- Länge
- 88 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
„Wir halten jeden Termin ein, selbst wenn unsere Arbeiter durcharbeiten müssen“, sagt Jenny, Verkaufsleiterin der Jeans-Fabrik „Lifeng“ im südchinesischen Shax, direkt in die Kamera. Dass sie das nicht so einfach dahersagt, wird zum roten Faden in dieser Dokumentation. „China Blue“, teilweise unter schwierigen Bedingungen gedreht, teilweise offenkundig szenisch nachinszeniert, erlaubt einen Blick hinter die Mauern eines Sweat-Shops, wo Arbeiterinnen für einen Minimal-Lohn Jeans für den Export produzieren. Je nach Auftragslage und Dringlichkeit verhängt Fabrikbesitzer Lam Überstunden oder Zusatzschichten, die über die Grenze der Erschöpfung hinausgehen. Die Arbeiterinnen haben kaum Freizeit, weil die Arbeitswoche sieben Tage dauert; sie bekommen Kost und Logis auf dem Fabrikgelände, wofür größere Teile ihres Lohns einbehalten werden. In den Arbeitspausen müssen sie „Hausarbeit“ wie Putzen oder Wäschewaschen erledigen. Überhaupt setzt Fabrikbesitzer Lam die Auszahlung der Löhne gerne und regelmäßig als Disziplinierungsmittel ein. Der Film zeigt, wie die Arbeiterinnen beginnen, sich gegen diese Ausbeutung zu organisieren. Sie haben damit Erfolg, weil die Produktion sehr rigiden Rhythmen unterliegt, die ein wilder Streik torpedieren kann. Man kann also sagen: Die ausbeuterischen Verhältnisse der Globalisierung sorgen dafür, dass an den Rändern erfolgreich Interessenpolitik betrieben wird.
Dem Film gelingt eine Choreografie von Ungleichzeitigkeiten, indem er zeigt, wie der chinesische Turbo-Kapitalismus seit der Marktöffnung davon profitiert, dass die Ressource Mensch im Überfluss eingesetzt werden kann. Scheinen die Ausbeutungsverhältnisse, die „China Blue“ vorstellt, mitunter wie eine Verfilmung von Friedrich Engels’ „Zur Lage der Arbeitenden Klassen in England“, laufen die Parolen des sozialistischen Aufbaus davon entkoppelt weiter. Die Bilder des tristen Arbeitsalltags sind mit Musik aus einer Peking-Oper unterlegt, in der es heißt: „Der Osten ist rot! Steh auf, sei dein eigener Herr!“ Oder wenn Jasmin, eine der Protagonistinnen, erzählt, dass ihr Vater sie einst „Roter Frühling“ nennen wollte, ihre Mutter den Namen aber „altmodisch“ fand. Der Film präsentiert die Wiederholung der Geschichte als bittere Farce, thematisiert die Lebensbedingungen in weiten Teilen Chinas, die die Menschen zur Landflucht in die Sweat-Shops am Rande der Städte treiben. Tatsächlich sind die Lebensbedingungen, die sie dort vorfinden (und die hierzulande fast wie eine Karikatur aus der Mottenkiste antikapitalistischer Agitation erscheinen mögen), so, dass sie begeistert davon in ihre Heimat berichten. „Wir sind zu zwölft in einem Zimmer“, schreibt Jasmin in ihr Tagebuch und freut sich: „Wir haben fließendes Wasser und eine Toilette nur für uns!“ Der Film setzt ganz auf Aufklärung durch Identifikation, wenn er einige Arbeiterinnen von ihrem Alltag und ihren (bescheidenen) Träumen erzählen lässt und deren Haltungen dann mit dem freundlichen Selfmade-Man Lam kontrastiert, der einmal Polizeichef von Shax war, bevor er sich auf die ungleich lukrativere Textilproduktion verlegte. Mittlerweile fährt er einen Mercedes und hält sich für einen umgänglichen Boss, der seinen Arbeiterinnen gibt, was sie zum Leben brauchen: Essen, Unterkunft, private Dinge. Dass auch Lam nur ein Rädchen in der globalisierten Wirtschaft ist, wird spätestens klar, als amerikanische und europäische Einkäufer auftauchen, die über Preis und Liefertermine gar nicht erst verhandeln, sondern sie knapp diktieren. Auch gibt es Fabrikbesichtigungen, die nötig geworden sind, weil sich in den westlichen Nationen Widerstand gegen die in Sweat-Shops hergestellten Waren regt. Nur zu gerne, der Film zeigt das sehr genau, lässt man sich dann mit Lügengeschichten abspeisen, die das eigene Gewissen beruhigen. Hier, in Kampagnen wie „Clean Clothes“, hat der Film den politischen Ort, von dem aus er spricht. So ist die allmählich entstehende, erfolgreiche Streikbewegung, die „China Blue“ dokumentiert, nur eine Seite der Medaille; vielmehr geht es dem Film darum, die Verbraucher in den westlichen Ländern dazu anzuhalten, sich über die Produktionsbedingungen der gekauften Waren Klarheit zu verschaffen. Mag vieles in dieser sehenswerten Dokumentation auch zugespitzt und inszeniert erscheinen, so ist ihre Pointe doch hoch symbolisch, wenn Jasmin eine Nachricht in einer gefertigten Jeans versteckt, in der sie den späteren Käufer der Hose anspricht: „Warum seid Ihr alle so groß und dick?“
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