Drama | Spanien 2005 | 114 Minuten

Regie: Fernando León de Aranoa

Eine aus der Dominikanischen Republik stammende Madrider Prostituierte lernt eine Frau aus kleinbürgerlicher Familie kennen, die ihrer Arbeit im Geheimen nachgeht. Beide freunden sich an, und obwohl die Bürgerliche selbst hilfs- und schutzbedürftig ist, schlüpft sie in die Rolle des Schutzengels ihrer Kollegin. Der präzis beobachtende, intensiv inszenierte und überzeugend gespielte Film erzählt mit semidokumentarischen Mitteln vom Straßenstrich in der spanischen Hauptstadt sowie vom täglichen Rassismus. Dabei fragt er nicht nach gesellschaftlichen Wurzeln und setzt gelegentlich zu sehr auf Unterhaltungswert.
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Filmdaten

Originaltitel
PRINCESAS
Produktionsland
Spanien
Produktionsjahr
2005
Produktionsfirma
Reposado/Mediapro
Regie
Fernando León de Aranoa
Buch
Fernando León de Aranoa
Kamera
Ramiro Civita
Musik
Alfonso Vilallonga
Schnitt
Nacho Ruiz Capillas
Darsteller
Candela Peña (Caye) · Micaela Nevárez (Zulema) · Mariana Cordero (Pilar) · Llum Barrera (Gloria) · Violeta Pérez (Caren)
Länge
114 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. ein Feature mit im Film nicht verwendeten Szenen sowie Storyboards.

Verleih DVD
Piffl (16:9, 1.78:1, DD5.1 span., DD2.0 dt.)
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Diskussion
Ein kleiner Friseursalon in Madrid ist der Treffpunkt einiger spanischer Prostituierten. Unter ihnen Caye, gerade 30 Jahre alt, mit einem Ponyhaarschnitt. Die Frauen tauschen Neuigkeiten aus, klagen über Gott und die Welt und über die ausländische Konkurrenz, ganz besonders über die jungen illegalen Immigrantinnen aus Zentralamerika. Der Straßenstrich in Madrid ist multikulturell. In den großen Stadtpark „Casa de Campo“ abgeschoben, streiten sich Prostituierte aller Nationen um die Freier oder werden wie Caye über das Handy permanent zum Einsatz gerufen. Mit den Ausländerinnen hat Caye wenig zu tun, bis sie eines Tages Zulema, einer Illegalen aus dem karibischen Santo Domingo, begegnet und sich zwischen den beiden unterschiedlichen Frauen zögernd eine Freundschaft entwickelt. Der spanische Regisseur Fernando León de Aranoa beleuchtet nach seinen Filmen über Jugendliche in den Wohnsilos vor Madrid („Barrio“) und Arbeitslose im galizischen Vigo („Los lunes al sol“) wieder einen sozialen Brennpunkt der spanischen Gesellschaft. „Princesas“ ist ein Film über Prostitution, zerstörte Illusionen und Ausländerfeindlichkeit, aber auch über ein unbekanntes Madrid, über menschliche Solidarität und Freundschaft. Und ein Film über zwei sehr unterschiedliche Frauen: während Zulema ihre Einnahmen an ihren fünfjährigen Sohn nach Santo Domingo schickt, lebt Caye ein Doppelleben; sie verschweigt ihrer bürgerlichen Familie ihren eigentlichen Beruf und spart auf eine Busenvergrößerung. Zulema wird immer wieder von einem älteren Herrn erpresst, vergewaltigt und geschlagen; sie lässt es zu, weil er ihr angeblich eine Aufenthaltsgenehmigung beschaffen kann. Caye öffnet ihr die Augen und hilft ihr aus den Fängen des Alten. Sie selbst verliebt sich in einen Computerfachmann, verschweigt aber auch ihm ihren Beruf. Erst als es zu spät ist, entschließt sie sich zur Ehrlichkeit. Zwei Frauen mit Doppelleben, gesteuert vom Handy und den Wünschen ihrer Freier. Dabei sind die Konflikte vorhersehbar, das Versteckspiel, die Lügen werden irgendwann auffliegen, ferner lauern tödliche Berufskrankheiten. „Princesas“ fasziniert durch die beiden Hauptdarstellerinnen, ist aber auch, wie die anderen Filme de Aranoas, voller liebevoll gezeichneter Nebenfiguren: Cayes Mutter, die sich über den Tod ihres Mannes hinweghilft, indem sie sich einen fiktiven Verehrer erfindet und Blumen an sich selber schickt, oder die alte Prostituierte mit ihren Erzählungen von besseren Zeiten, denen keiner glaubt, bis sie eines Tages mit der Limousine eines Ministers auftaucht und alle Mädchen mitnimmt. De Aranoa wird oft als spanischer Ken Loach bezeichnet, aber wie in Ken Loachs schlechteren Filmen findet auch hier eine gewisse Verharmlosung des sozialen Umfeldes aus politischer Korrektheit heraus statt. Denn trotz beeindruckender Dokumentaraufnahmen aus Madrid hat „Princesas“ nicht die Dynamik der früheren Filme de Aranoas. Die brillante chorale Inszenierung ist hier einer Ansammlung menschelnder Anekdoten gewichen, und die Charaktere der beiden Hauptfiguren sind zu einfach gestrickt: Während Zulema dem gängigen Klischee der warmherzig-gefühlvollen Latino-Mutter entspricht, ist Caye fast ein Kunstprodukt, eine junge, energische Frau, die sich prostituiert, weil sie nicht das langweilige Leben ihrer Familie teilen will. Dabei hat der Film durchaus beeindruckende Elemente, die besonders den beiden Hauptdarstellerinnen im Zusammenspiel mit den Nebendarstellerinnen geschuldet sind. Das geht manchmal sentimental zu, aber mit komischen Versatzstücken, die an die großen Filme über Prostituierte wie „Das Mädchen Irma la Douce“ (fd 12 238) und „Sonntags ... nie“ (fd 9554) aus längst vergangenen Zeiten erinnern. Insgesamt steht der Film für einen humoristisch und pittoresk aufbereiteten, aber letztendlich sehr gefälligen sozialen Realismus, der nicht nach den Ursachen, nach den gesellschaftlichen Wurzeln fragt, sondern den eigenen Unterhaltungswert in den Vordergrund stellt und letzlich die Komplizenschaft der Zuschauer sucht.
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