Am Anfang steht die schönste Sequenz des Films: Durch die Galerie des Louvre hetzt ein Mann in Todesangst, verfolgt von einem bedrohlichen Schatten. Die Kamera gleitet über die Gemälde, streift kurz die Enthauptung Johannes des Täufers, zeigt dämonische Gesichter, Engelsaugen, zahlreiche Versatzstücke der abendländischen Malerei. Dann dröhnt nach einem kurzen Wortwechsel zwischen Mörder und Opfer ein Schuss, man sieht das hervorquellende Blut. Im Gegenschnitt tritt Symbolforscher Robert Langdon zu einem Vortrag aufs Podium und schenkt sich ein Glas Wasser ein. Blut und Wasser sind als Leitmotive bereits in der Eröffnung präsent, und schon legt der Harvard-Professor in einer genialen Didaktik der Symboldeutung die entscheidende Spur. Die Detailansicht vom Kind im Mutterschoß ist nicht Maria mit dem Jesuskind, sondern die Darstellung einer ägyptischen Gottheit; der Dreizack gehört nicht dem Teufel, sondern Poseidon. So wird man belehrt, dass religiöse Symbole nur im Kontext ihre Bedeutung erhalten – ansonsten sind sie beliebig. Während dieses lehrreichen Prologs stirbt Jacques Saunière in der Galerie des Louvre und zeichnet vor seinem Tod mit dem eigenen Blut ein Pentagramm auf seine Brust. Das Rätselspiel kann beginnen.
Der Film ist mehr als das Buch „Sakrileg“, und das verdankt sich vor allem der schaupielerischen Leistung von Tom Hanks, der das eigentlich Unmögliche möglich macht. Obwohl der Plot und die entscheidenden Wendepunkte der Handlung bekannt, alle Schauplätze bereits in der Buchausgabe beschrieben und dargestellt sind, gelingt es ihm, der Figur des Professors und damit der Story eine eigene Prägung zu geben. In dieser Heldenfigur, dem Gralssucher, liegt die eigentliche Spannungsdramaturgie des Films. Was den Zuschauer bewegt, ist, wie sich Langdon vom Wissenschaftler zum demütigen Ritter und Verehrer der Maria Magdalena entwickelt. An seiner Seite ist die Kryptologin Sophie Neveu, die bei der Polizei arbeitet. Auch hier ist die Besetzung mit Audrey Tautou gelungen. Das unschuldige Gesicht, der französische Charme und die aufblitzende Intelligenz sind drei Aspekte der Figur, die sie sympathisch und lebendig machen. Im Spiel neben Hanks hat Tautou allerdings die undankbare Rolle der Unwissenden, die fragt und die Stichworte liefert.
Der Film unter der Regie von Ron Howard versteht sich wie die Romanvorlage als religiöser Thriller. Auffallend ist dabei, dass Howard sehr routiniert vorgeht und sich den Regeln des Genre weitgehend unterwirft. Die Nähe zum Agententhriller ist offensichtlich: Es gibt Elemente in der James-Bond-Tradition – die Darstellung des Killers, die Verfolgungsjagden, die Vorliebe für technische Tüfteleien und die touristischen Schauplätze –, aber auch eine gewisse Nähe zu Vorlagen von John Le Carré und deren Verfilmungen, die sehr konkrete Lokalitäten und historische Ereignisse aufnehmen. Der Autor des „Da Vinci-Code“ gründet seine zentrale Hypothese, Maria Magdalena sei die Geliebte von Jesus gewesen und habe mit ihm auch Nachfahren gehabt, vor allen Dingen auf gnostische Texte wie das Philippus-Evangelium sowie Legenden und Mythen, die sich um Maria Magdalena und um den Heiligen Gral ranken. Hier stützt er sich auf die Vorarbeiten der Autoren Baigent und Leigh („Der heilige Gral und seine Erben“), die sich im Reich der Verschwörungstheorien bewegen. Aus dem Bereich des politischen Thrillers kann man zum Vergleich einen Film wie „JFK“
(fd 29 360) heranziehen, der sich spekulativ mit den Hintergründen der Ermordung von John F. Kennedy beschäftigt. Gerade im amerikanischen Mainstream-Kino hat die Beschäftigung mit Verschwörungstheorien immer wieder wundersame Blüten getrieben. Im Vergleich mit anderen Thrillern verliert „The Da Vinci Code“ jedoch im letzten Drittel seinen Schwung, geht in wortreiche Erklärungen und andächtige Bilder über. Hier kommt eine religiöse Prägung zum Zug, die das Unterhaltungskino als eine populäre Form der Andacht versteht.
Howard setzt bei den historischen Rückblenden nicht auf die Erzählung der Figuren, sondern bebildert diese mit historischen Gemälden. Da wird das Konzil von Nicäa, die Eroberung Jerusalems durch die Tempelritter oder Isaac Newtons London in kurzen Einblendungen gezeigt, wie es in Fernsehdokumentationen im Stile von „Terra X“ üblich ist. Die Erinnerungsrückblenden von Sophie Neveu befinden sich gestalterisch auf der gleichen Ebene, sodass die individuelle Geschichte und die Historie gleichgesetzt werden. Es fällt auf, dass der Film der Imagination seines Publikums wenig zutraut und deshalb alles Erdenkliche illustriert. Viele Christen haben den Start des Films mit gemischten Gefühlen erwartet. Auf Seiten der katholischen Kirche gab es ablehnende Stimmen aus dem Umfeld der Glaubenskongregation, aber auch Ermutigungen zum Dialog wie z.B. von Kardinal Sterzinsky aus Berlin.
Deutlich entfernt vom Anspruch eines Meisterwerks, bietet der Film populäre Unterhaltung. Die Kritik gegen die katholische Kirche ist deutlich abgeschwächt durch neue Elemente: So wird Robert Langdon als katholischer Gläubiger deklariert. Die Zusammenschau von wissenschaftlicher Rationalität und gläubiger Lebenshaltung wird beim Helden deutlich nachgezeichnet und psychologisierend erklärt. Auch die Verschwörungstheorie wird nicht so heiß gegessen, wie sie bei Dan Brown gekocht wurde: Die Intrigen gehen von einem geheimen Rat von Kardinälen aus, von dem der Vatikan nichts weiß. Zu guter Letzt erweisen sich auch der „Opus Dei“-Bischof Aringarosa, sein Gefolgsmann Bézu Fache und der Killermönch Silas nicht als Hauptschurken, sondern als Opfer eines anderen Bösewichts.
„Revolutionär“ ist der Film letztlich genauso wenig wie der Roman. Wie konservativ und holzschnittartig Dan Browns Vorlage und das Filmdrehbuch sind, zeigt sich z.B. in der Bebilderung der Verschmelzung des Männlichen und Weiblichen. Hier reicht die Love-Story gerade mal für einen Kuss auf die Stirn. Sinnlichkeit wird völlig verdrängt oder nur kurz angedeutet. Wenn das die revolutionäre Einsicht in den Stellenwert des Weiblichen in der christlichen Kultur sein soll, kann man gut und gerne darauf verzichten.