Ein zehnjähriger Junge, der sich nach dem Tod seines Vaters von der Umwelt abkapselt, schrumpft auf Fingernagelgröße und reist ins Reich der Insekten, wo er neuen Lebensmut findet. Ein in übergroßen Studio-Kulissen gedrehtes, ebenso humoriges wie spannendes Kinderabenteuer, das weitgehend auf Computertricks verzichtet. Menschen werden in fantasievolle Tierkostüme gesteckt, wobei die Vermenschlichung der Tiere geschickt vermieden wird. Das spielfreudige Ensemble überspringt manchen didaktischen Stolperstein, sodass der erfrischende Kinderfilm in seiner altmodisch-charmanten Inszenierung auch Erwachsene unterhält.
- Sehenswert ab 6.
Erik im Land der Insekten
Abenteuer | Niederlande/Deutschland/Großbritannien 2004 | 100 Minuten
Regie: Gidi van Liempd
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Filmdaten
- Originaltitel
- ERIK OF HET KLEIN INSECTENBOEK | ERIC IN THE LAND OF INSECTS
- Produktionsland
- Niederlande/Deutschland/Großbritannien
- Produktionsjahr
- 2004
- Produktionsfirma
- Egmond Film & TV/Tradewind Pic./A Private View/AVRO
- Regie
- Gidi van Liempd
- Buch
- Cecile Levy
- Kamera
- Hein Groot
- Musik
- Ellert Driessen
- Schnitt
- Els Voorspoels
- Darsteller
- Jasper Oldenhof (Erik) · Anne Mieke Ruyten (Eriks Mutter) · Jaak Van Assche (Großvater) · Gregor Frenkel Frank (Opie) · Trudy Labij (Omie)
- Länge
- 100 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 6.
- Genre
- Abenteuer | Kinderfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Diskussion
Der gleichnamige, 1972 erschienene Kinderbuch-Klassiker von Godfried Bomans wurde 1979 vom niederländischen Fernsehen als Serie verarbeitet und dient nun dem ehemaligen Szenenbildner und Werbefilmer Gidi van Liempd als Vorlage für seine erste Spielfilmregie. Nicht von ungefähr ist es auch das Szenenbild (Alfred Schaaf), das dem Film seinen besonderen Reiz verleiht. Ähnlich wie der Dokumentarfilm „Mikrokosmos“ (fd 32 194) entführt „Erik im Land der Insekten“ in die Welt der Kleinlebewesen, tauscht jedoch die spektakulär eingefangene Realwelt mit einer kindgerechten Fantasie-Landschaft, in der sich Menschen in Tierkostümen bewegen. Bis man in diese geheimnisvolle Welt eintaucht, lernt man zunächst den kleinen Protagonisten der Geschichte kennen. Der zehnjährige Erik hat sich seit dem Tod seines Vaters innerlich zurückgezogen und gilt in der Schule als Eigenbrötler. Erst nach beharrlichem Insistieren seiner Lehrerin verspricht er, am nächsten Tag sein längst überfälliges Referat zu halten. Eine Laune des Schicksals lässt ihn das Thema Insekten wählen. Gemeinsam mit seinem Großvater macht er sich an die Ausarbeitung. Dabei stoßen sie auf ein Insekten-Lehrbuch von Eriks Vater mit einer rätselhaften Botschaft, deren Lösung angeblich nur jener Regenwurm kennt, den sie auf einem Bild im Dachboden entdecken, das eine Sommerwiesen-Landschaft zeigt. In dieses Gemälde wird Erik von seinen Ur-Ur-Großeltern, deren Fotos plötzlich lebendig werden, hineingezaubert. Auf Fingernagelgröße geschrumpft, befindet er sich plötzlich auf Augenhöhe mit einer Golf spielenden Wespe, die er sogleich vor einem „NLO“, einem nicht identifizierbaren laufenden Objekt (= Mensch), retten muss.
Damit er in der Insektenwelt respektiert wird, gibt sich Erik als Bücherwurm aus und macht sich auf die Suche nach dem Regenwurm. Er düst mit dem schlecht gehenden Taxi-Unternehmen („Die meisten fliegen ja selber“) des Hummelmanns über Mohnfelder, erlebt zahlreiche Abenteuer im Schnecken-Hotel, trifft auf eine liebeshungrige Stechmücke, kämpft mit Nachtfaltern und besiegt eine mörderische Spinne. Schließlich verkuppelt er seinen schüchternen Schmetterlingsfreund Papilio mit einem Schmetterlingsweibchen und findet bei dem weisen Regenwurm die Lösung des Rätsels. Ein Holzwurm bohrt ihm schließlich einen Weg zurück in die Realität. Gerade noch rechtzeitig, um in der Schule sein Referat zu halten, das er mit dem auf seiner abenteuerlichen Reise erworbenen Selbstbewusstsein vorträgt und damit nicht nur seine Lehrerin und die Mitschüler begeistert, sondern auch die Freundschaft der von ihm angebeteten Rosalie erringt. Auch mit der Trauer über den Tod seines Vaters, die er bisher immer verdrängt hat, geht er nun offensiv um.
In der „realistischen“ Klammer des Films, in der die Personen eingeführt werden und die Geschichte ihr Happy End findet, zeichnen Buch und Regie Kinder wie Erwachsene mit kurzen, kräftigen Pinselstrichen, ohne dass die Charaktere zur Karikatur verkommen. Genauso werden die Probleme wie der Tod des Vaters oder das Hänseln der Schulkameraden wie auch Eriks erste zarte Liebesgefühle nur angedeutet, ohne dass man den Eindruck des Plakativen oder Oberflächlichen bekommt. Das liegt unter anderem an dem klug strukturierten Drehbuch und dem bis in die Nebenrollen hinein präzisen Rollen-Casting. In der einmal nicht von Computertricks dominierten, sondern in übergroßen Studiokulissen nachgebauten Insektenwelt gerät die Inszenierung zwar manchmal in allzu didaktische Fahrwasser, doch andererseits stellt sie sich mit ihrem gemächlichen Tempo ganz auf das Auffassungsvermögen der jüngsten Kinogänger ein, die nebenbei viel über das Leben der Insekten erfahren und durch die fantasievollen Kostüme (Rien Bekkers) viele Anregungen zum eigenen (Rollen-)Spiel erhalten. Gerade durch die Entscheidung, die Tiere von Schauspielern darstellen zu lassen, vermeidet die Inszenierung deren Vermenschlichung, die so viele „Tierfilme“ unerträglich macht. Denn Liempd arbeitet bei allem Humor und poetischer Fabulierlust auch die Unerbittlichkeit der Natur heraus und stellt Mensch und Tier nie auf eine Stufe. Der sympathische, ohne Star-Allüren agierende Hauptdarsteller gibt außerdem eine ideale Identifikationsfigur ab, die spielerisch Werte wie Freundschaft, Mut und Respekt vor allen Lebewesen vermittelt und selbst für abstrakte Begriffe wie Philosophie oder Asylbewerber kindgerechte Erklärungen findet. Bleibt eigentlich nur die Frage, warum ein Film, der so diametral vergleichbaren Disney-Produktionen entgegengesetzt ist, deren Unart eingestreuter Songs adaptiert, die, abgesehen von ihrer musikalischen wie textlichen Dürftigkeit, schlichtweg deplatziert wirken.
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