Paul Valéry empfahl Übersetzern, dass ein Gedicht auch in der neuen Sprache „singen“ und zu den Lesern „sprechen“ müsse. Ähnliches gilt auch für die Beziehung eines Buches zu seiner Filmadaption. Als Jonathan Safran Foer 2002 sein Romandebüt „Everything is Illuminated“ veröffentlichte, waren Kritiker wie Leser von der postmodernen Erzählstruktur mit ihren Zeitsprüngen und der bizarren Sprachkomik des Buches gleichermaßen begeistert. Wenig deutete darauf hin, dass sich die Geschichte eines amerikanischen Jungen, der in der Ukraine auf der Suche nach seiner europäischen Vergangenheit tief in die Geschichte des 18. Jahrhunderts und des Holocaust eintauchte, filmisch adaptieren ließ. Liev Schreiber stellte sich dennoch der Herausforderung eines Drehbuchs und gibt außerdem sein Regiedebüt. Seine Version vereinfacht zwar das Handlungsgerüst zu einem linearen Road Movie, findet aber auch zu einer eindringlichen Übersetzung des Materials im Sinne Valérys.
Im Mittelpunkt steht die Begegnung zweier Menschen und deren kulturelle Prägungen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Der Zusammenprall vollzieht sich auf allen Ebenen der kulturellen Interaktion, angefangen bei der Sprache, über Musik, Kleidung und Essensgewohnheiten bis hin zum Denken und Empfinden. Schließlich entdecken die Protagonisten in der jeweiligen Familiengeschichte überraschende Gemeinsamkeiten, deren Ausleuchtung der eigentliche Gegenstand des Films ist. Aus dieser Konstellation erwächst eine oft grotesk anmutende Komik. Jonathan hat in den USA eine übersteigerte Leidenschaft zum Sammeln entwickelt. Gegenstände dienen ihm als fassbare Zeichen seiner Biografie und Identität. So sammelt er Haare, Ringe, Steine, Schmuck, Fotografien und sogar die falschen Zähne seiner unlängst verstorbenen Großmutter. Als sein Augenmerk auf eine alte Aufnahme seines in die USA eingewanderten Großvaters mit einer nicht zu identifizierenden Frau namens Augustine fällt, macht er sich in die Ukraine auf, um in der ehemaligen Heimat des Großvaters das Mysterium seiner Vorfahren zu entschlüsseln. Dort trifft er auf Alex, der ihm bei der Orientierung in der ungewohnten Umgebung hilft.
Sein Großvater kam nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion eine zündende Idee: Er gründete das Unternehmen „Heritage Tours“. Seitdem verdient er gut damit, reiche amerikanische Juden auf den Spuren ihrer Vorfahren durch die Ukraine zu kutschieren. Die Wahrnehmung der Ereignisse durch die Augen von Alex erlauben es der Inszenierung, einen Blick von außen auf die USA zu werfen. Alex spricht nur gebrochenes Englisch und konfrontiert den Ankömmling mit einem Amerikabild, das über die Medien geprägt und verzerrt wurde. Alex träumt den amerikanischen Traum, tanzt wie John Travolta und umgibt sich mit den Insignien einer seltsam deplatzierten HipHop-Kultur. Doch selbst der stockkonservative Großvater nennt seinen Blindenhund Sammy Davis, jr., jr. Der Ankömmling aus den USA entspricht keineswegs den Erwartungen an die trendige Massenkultur. Jonathan ist introvertiert, konservativ, versteckt sich hinter einer altmodischen Brille, gibt sich wortkarg, hat keine Freundin und keinerlei Erfahrungen mit Sex.
So prallen zwei Welten aufeinander, die sich auf familiengeschichtlicher und persönlicher Ebene mehr und mehr miteinander verweben. Dabei kommt es zu irrwitzigen Gesprächen. Bereits bei Jonathans Ankunft am Bahnhof von Odessa stellen sich Irritationen ein, als Alex den Amerikaner mit einer Klezmer-Band empfängt, die eine holprige Version der amerikanischen Nationalhymne spielt. Die Musiker hasten dabei nicht nur dem noch fahrenden Zug, sondern im übertragenen Sinne auch der amerikanischen Kultur hinterher. Der Soundtrack spielt auch im weiteren Verlauf gekonnt mit Tradition und amerikanischen Einflüssen. So verbinden sich jiddische Elemente und ukrainische Folklore mit Ska und dem schummrigen Blues eines Tom Waits. Gogol Bordello, so der Name einer der im Film zu hörenden Bands, beschreibt ihren Stil provokant als ukrainischen Zigeuner-Punk. Schreiber übernimmt einige der besten Dialoge direkt aus der Buchvorlage. Tischgespräche entwickeln sich oft zur unfreiwillig komischen Stätte der Kulturbegegnung. Als das Trio Jonathan, Alex und der Großvater in einer rustikalen Gaststätte Essen bestellen, räumt Jonathan ein, dass er Vegetarier sei. Erst nach mehrmaligem Rückfragen, ob er tatsächlich weder Steaks noch Würstchen esse, kapitulieren die Beteiligten. Solche überzogene, ans Absurde grenzende Situationskomik ergänzen kulturelle Missverständnisse, die ihren Reiz aus dem Spannungsverhältnis zwischen Sprache und Fremdsprache beziehen. Neben Englisch und ukrainischen Äußerungen des Großvaters kommt auch dem fehlerhaften Schulenglisch von Alex eine wichtige Rolle zu. Elijah Wood fängt mit einer zurückhaltenden, schüchternen Darstellung die Essenz des introvertierten Außenseiters ein, die umso mehr der extrovertierten Persönlichkeit von Alex Raum zur Selbstdarstellung gibt. Dazwischen agiert der Großvater als verschrobener, grantiger Reiseführer aus einem anderen Zeitalter. Alle Hauptdarsteller vermögen im Laufe der Ereignisse, Profil und die Zuneigung der Zuschauer zu gewinnen. Während Foers Buch mit eloquenten und zum Teil bissigen Dialogen glänzt, besitzt Schreiber den Mut, in der Adaption mehr und mehr die Mimik der Schauspieler und die kargen Landschaften Osteuropas sprechen zu lassen.