In einem südafrikanischen Township spielende, in die Xhosa-Sprache übersetzte und mit neuen Texten versehene Bearbeitung der Oper "Carmen" von Georges Bizet. Der Film fasziniert durch die Qualität der Sänger sowie die Verknüpfung der Opernmusik mit südafrikanischen Klängen und eröffnet als Transfer der Geschichte ins Township Khayelitsha bei Kapstadt interessante Perspektiven auf den "Mythos Carmen". Zwar merkt man Regie und Ensemble an, dass sie von der Bühne kommen und ihr Umgang mit filmischen Erzählmitteln eher unbedarft ist, was dem Drama um Leidenschaft, Abhängigkeit, Eifersucht, Demütigung und (sexuelle) Emanzipation etwas von seiner Wucht nimmt. Dennoch fesseln die Stimmen und die Spielfreude der Akteure. (O.m.d.U.)
- Ab 12.
U-Carmen
Drama | Südafrika 2005 | 126 Minuten
Regie: Mark Dornford-May
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Filmdaten
- Originaltitel
- U-CARMEN eKHAYELITSHA
- Produktionsland
- Südafrika
- Produktionsjahr
- 2005
- Produktionsfirma
- Spier Films
- Regie
- Mark Dornford-May
- Buch
- Mark Dornford-May · Charles Hazlewood · Andiswa Kedama · Pauline Malefane
- Kamera
- Giulio Biccari
- Musik
- Charles Hazlewood
- Schnitt
- Ronelle Loots
- Darsteller
- Pauline Malefane (Carmen) · Andile Tshoni (Jongikhaya) · Zweilungile Sidloyi (Lulamile) · Lungelwa Blou (Nomakhaya) · Andiswa Kedama (Amanda)
- Länge
- 126 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 6; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 12.
- Genre
- Drama | Liebesfilm | Musical
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Diskussion
Prosper Merimées Geschichte von der Männer verschlingenden „Über-Frau“ Carmen ist längst zum Mythos geworden, der sich durch alle Künste zieht. Nachdem Georges Bizet 1875 mit „Carmen“ eine der populärsten Opern der Musikgeschichte schrieb, bemächtigte sich schon bald nach ihrer Entstehung auch die „Siebte Kunst“ des kinoträchtigen Stoffes. Um 80 Verfilmungen lassen sich seit der ersten Adaption aus dem Jahr 1907 zählen. Die emotionale Kraft der Novelle, die tragischen Verstrickungen der Protagonistin inspirierten schon zu Stummfilmzeiten große Regisseure wie Charles Chaplin, Cecil B. DeMille, Raoul Walsh und Ernst Lubitsch, denen die großen Autorenfilmer des modernen Kinos wie Jean-Luc Godard und Carlos Saura dann in den 1980er-Jahren ihre jeweils eigenen und eigenwilligen Interpretationen hinzufügten. Wenn Bizets Oper als Vorlage im Mittelpunkt stand, reichten die filmischen Umsetzungen von Otto Premingers ins Amerika der 1950er-Jahre transportierten Version „Carmen Jones“ (fd 4731), zu der der Musical-Librettist Oscar Hammerstein seinerzeit neue, zeitgemäße Texte schrieb, bis zur werkgetreuen Annäherung eines Francesco Rosi („Carmen“, fd 24 884).
Premingers Konzeption stand wohl auch Pate bei der ersten Spielfilmregie des aus Südafrika stammenden, international renommierten Theater-Regisseurs Mark Dornford-May. Dornford-May kehrte 2000 in seine Heimat zurück und gründete dort die Theatergruppe „Dimpho Di Kopane“, was so viel wie „kombiniertes Talent“ bedeutet. Ziel der Künstler ist es, die Libretti der Opern-Klassiker auf ihre alltägliche Situation zuzuschneidern und sie in der Landessprache zu singen. So wird in „U-Carmen“ aus der feurigen Zigeunerin die selbstbewusste Zigarettenfabrik-Arbeiterin Carmen, die im Township Khayelitsha dem verlobten Wachsoldaten Jongikhya schöne Augen macht und damit eine unheilvolle Liebesgeschichte um Leidenschaft, Abhängigkeit, Eifersucht, Demütigung und (sexuelle) Emanzipation in Gang setzt, die für sie schließlich tödlich endet.
Der Film beginnt mit einer Zeitraffer-Tour durch das Township vor den Toren Kapstadts. Die Kamera bleibt mit einer Totalen stehen, und während Bizets Ouvertüre erklingt, registriert sie den Alltag in Khayelitsha. In dieser Sequenz zeigen sich die Qualitäten des vom Dokumentarfilm kommenden Kameramannes Giulio Biccari, der fern eines jeden Voyeurismus Schlaglichter auf das Leben und die Menschen der 500.000 Einwohner zählenden Baracken-Gemeinde wirft, in der Autos immer noch wie Fremdkörper wirken. Doch mit dem Beginn der Spielhandlung zeigt sich doch auch die Unerfahrenheit der Filmemacher. Die Bilder sind konventionell kadriert, der Wechsel von Groß-, Halbnah- und Nah-Aufnahmen wird nur selten von Halbtotalen durchbrochen und erinnert eher an Fernsehinszenierungen als an großes Kino. Auch der Schnitt entwickelt kaum Dynamik, was besonders in den ohnehin spärlichen Choreografien auffällt. So entwickelt sich die Geschichte trotz ihrer inneren Dramatik recht behäbig und reißt emotional nur in wenigen Momenten mit. Holprig eingefügte Rückblenden wie beim Duett von Jongikhya und seiner Verlobten verstärken den Eindruck filmischerzählerischer Unbedarftheit, der auch durch das spielfreudige Ensemble nicht immer aufgefangen werden kann. Höchst beeindruckend ist zwar das Selbstbewusstsein, mit der die Darstellerinnen ihre dem westlichen Schönheitsideal diametral entgegenstehenden Körper sinnenfroh präsentieren; letztlich aber können ihre schauspielerischen Fähigkeiten selten mit ihren wunderbaren Stimmen Schritt halten, was auch für ihre männlichen Kollegen gilt. Was bleibt, ist der respektable Verdienst, dass die Oper erstmalig in die Xhosa-Sprache mit ihren – für westliche Ohren – ebenso irritierenden wie faszinierenden „Schnalzern“ übersetzt wurde. Durch die Verknüpfung mit afrikanischen Klängen wird dabei ein für das noch nach Selbstverständnis suchende Südafrika einmaliges Identifikationsobjekt geschaffen. Aus diesem Blickwinkel lässt sich auch der „Goldene Bär“ der „Berlinale 2005“ nachvollziehen, der wohl eher ein politische denn ein filmkünstlerische Würdigung war.
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