In den Tagen vor dem Militärputsch in Chile 1973 werden ein elfjähriger Junge aus dem Mittelstand und ein gleichaltriger Junge aus den Slums zu Freunden. Sie lernen ihre jeweiligen Lebensumstände kennen und verlieben sich in dasselbe Mädchen. Doch die gesellschaftlichen Umwälzungen treiben einen Keil zwischen sie. Der mit Sorgfalt, Geduld und Humor inszenierte Film hält konsequent die kindliche Perspektive durch, die bildhaft für Allendes Traum von sozialer Gleichheit steht. Der Einbruch der Wirklichkeit fällt dadurch umso drastischer aus.
- Sehenswert ab 12.
Machuca, mein Freund
Drama | Chile/Spanien/Großbritannien/Frankreich 2004 | 120 Minuten
Regie: Andrés Wood
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Filmdaten
- Originaltitel
- MACHUCA
- Produktionsland
- Chile/Spanien/Großbritannien/Frankreich
- Produktionsjahr
- 2004
- Produktionsfirma
- Tornasol Films/Andrés Wood Prod./Chilefilms/Mamoun Hassan/Paraíso
- Regie
- Andrés Wood
- Buch
- Roberto Brodsky · Mamoun Hassan · Andrés Wood
- Kamera
- Miguel Joan Littin
- Musik
- Miguel Miranda · José Miguel Tobar
- Schnitt
- Fernando Pardo
- Darsteller
- Matías Quer (Gonzalo Infante) · Ariel Mateluna (Pedro Machuca) · Manuela Martelli (Silvana) · Aline Küppenheim (María Luisa) · Federico Luppi (Roberto Ochagavía)
- Länge
- 120 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 12.
- Genre
- Drama
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Heimkino
Diskussion
Eine der größten politischen Tragödien, die Lateinamerika im vergangenen Jahrhundert heimgesucht hat, war der Sturz Salvador Allendes. Dies aus der Sicht eines Kindes zu erzählen, ist Wagnis und Chance zugleich. Eine umfassende Erklärung bietet der Film des chilenischen Regisseurs Andrés Wood nicht, die Perspektive bleibt verengt; dafür wirkt der Einbruch der brutalen Wirklichkeit in die behütete Kinderwelt umso erschreckender.
Der Film setzt in den Tagen vor dem 11. September 1973 ein, jenem Datum, an dem der chilenische Sozialreformer Allende gestürzt und eine brutale Militärdiktatur errichtet wurde, die erst 17 Jahre später endete. Wie die Zukunft auch hätte verlaufen können, deutet die Geschichte des elfjährigen Pedro Machuca an, der aus den Slums am Rande der Hauptstadt Santiago stammt. Der sozial engagierte Leiter einer elitären Privatschule, ein englischsprachiger Pater, ermöglicht Pedro und anderen benachteiligten Kindern, meist indigener Abstammung, eine solide Ausbildung – die sozialistischen Ideale Allendes, praktisch umgesetzt. Die meisten von Pedros neuen Mitschülern rümpfen ihre Nasen, nur Gonzalo setzt sich gegen alle Anfeindungen hinweg und wird Pedros Freund. So lernen beide die Lebenswelt des jeweils anderen kennen: Pedro das behütete Leben mit allem Komfort des Mittelstandes, Gonzalo die Armut eines Daseins in einer Siedlung aus Wellblechhütten. Doch auch wenn ihre Herkunft kaum unterschiedlicher sein könnte, gleichen sich ihre Interessen: für Comics, das Kino und nicht zuletzt die lebensfrohe Silvana, auch sie ein Kind aus den Slums. Selbst mancher Erwachsene legt einen sorglosen Umgang mit der strikten Klassengesellschaft and den Tag. Einmal nimmt Silvanas Vater die Kinder mit zu einer Demonstration der Rechten, denen sie gemeinsam rechtslastige Fahnen verkaufen; anschließend aber fahren sie zu einer Veranstaltung der Linken, mit roten Wimpeln unterm Arm. Szenen wie diese lassen spüren, dass es unter der Oberfläche des Alltags brodelt und Nachbarn zu politischen Gegnern werden.
Mit großer Sorgfalt, viel Geduld und ein wenig Humor entwickelt Wood das Verhältnis der Kinder zueinander, das voller wunderbarer Momente ist, aber zunehmend von den Umtrieben der Erwachsenen verdüstert wird. Nicht nur unter ihnen wird der Ton härter; selbst zwischen die Elfjährigen treiben die Ereignisse bald einen Keil des Misstrauens. Ihr anfänglicher naiver Glaube an die Überwindung der sozialen Gegensätze spiegelt auch ein wenig den der Regierung Allende wider, der der Wirklichkeit nicht stand hielt. Zudem erzählt der chilenische Regisseur nicht zuletzt seine eigene Geschichte: Er besuchte in jenen Tagen eine Privatschule, die für kurze Zeit Kinder aus armen Verhältnissen aufnahm, bevor sie vom Militär übernommen wurde. Auch wenn Wood die kindliche Perspektive bis zuletzt aufrecht erhält, deutet er anhand von einprägsamen Details geschickt das Zerbröckeln der chilenischen Gesellschaft an. Einmal müssen die Kinder lange für ein wenig Kondensmilch anstehen, obwohl die Depots voll sind – ein Hinweis auf die bewusst herbei geführte Verknappung, die zur Unzufriedenheit mit der Regierung beitrug. Auf einer Mauer wechseln in regelmäßigen Abständen die aufgesprühten Parolen, die soziale Gerechtigkeit fordern – bis die Militärs sie endgültig weiß übertünchen. Mit der Meinungsfreiheit ist es endgültig vorbei. In dem Maße, in dem die Jungen Einblick in die Erwachsenenwelt haben, erfährt man auch etwas über sie: etwa das mangelnde politische Bewusstsein und das Eheproblem von Gonzalos Eltern, auch das Misstrauen im Umfeld von Pedro Machuca gegenüber den verwöhnten Reichen. Als einer der ersten chilenischen Filme schildert „Machuca“ jene Zeit der dramatischen Umwälzungen, die bis heute nachwirken. Es hat lange gedauert bis zu Werken wie diesem, doch das Phänomen des Verdrängens gilt für alle südamerikanischen Gesellschaften mit diktatorischer Vergangenheit.
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