Zwei Brüder (2004)
Abenteuer | Frankreich/Großbritannien 2004 | 109 Minuten
Regie: Jean-Jacques Annaud
Filmdaten
- Originaltitel
- DEUX FRERES | TWO BROTHERS
- Produktionsland
- Frankreich/Großbritannien
- Produktionsjahr
- 2004
- Produktionsfirma
- Pathé/Renn Prod./Two Brothers Prod./TF1 Films/Canal +
- Regie
- Jean-Jacques Annaud
- Buch
- Alain Godard · Jean-Jacques Annaud
- Kamera
- Jean-Marie Dreujou
- Musik
- Stephen Warbeck
- Schnitt
- Noëlle Boisson
- Darsteller
- Guy Pearce (Aidan McRory) · Jean-Claude Dreyfus (Normandin) · Freddie Highmore (junger Raoul) · Oanh Nguyen (Seine Exzellenz) · Philippine Leroy-Beaulieu (Normandins Frau)
- Länge
- 109 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 6; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 10.
- Genre
- Abenteuer | Tierfilm
Heimkino
Die Standard Edition enthält keine bemerkenswerten Extras. In mustergültiger Form ergänzt das Bonusmaterial der Deluxe Edition (2 DVDs) den filmischen Ansatz zwischen Naturfilm und Abenteuerdrama. In gut vier Stunden wechseln Hintergrundinformationen über die Tiere ("Alles über Tiger"; 46 Min.) über Storyboard/Filmvergleiche (23 Min.) bis hin zu aufschlussreichen Analysen zu den Special Effects (8 Min.). Ergänzt werden diese Features durch ein abendfüllendes "Making of" (73 Min.). Die Deluxe Edition ist mit dem Silberling 2005 ausgezeichnet. Das Bonusmaterial der BD ist mit dem der Deluxe-Edition weitgehend identisch.
Nahezu die ersten 20 Minuten des Films gehören den Tigern, bis Menschen kommen und der Vater der beiden Tiger-Söhne von Aidan McRory erlegt wird. McRory ist britischer Großwildjäger und Grabräuber, der wie Ernest Hemingway seine Abenteuer zu Papier bringt und im indochinesischen Dschungel illegal Statuen aus ihren Fundamenten sprengt, um sie auf Auktionen der gesellschaftlichen Oberschicht zu verkaufen. Kumal, der mutige Tiger, bleibt bei der Flucht seiner Familie aus der Ruine zurück und fällt McRory in die Hände. Als dieser von der Polizei abgeführt wird, sieht sich Kumal verlassen im Dorf. Nach einer Reihe gescheiterter Rettungsversuche durch seine Mutter kaufen ihn Zirkusleute auf, grobe, geldgierige Sadisten, die das Tier auf Plakaten zur reißenden Bestie machen. Schließlich wird es von einem schlitzohrigen französischen Gouverneur befreit, der großes Interesse daran hat, dem lokalen Fürsten zu gefallen, um ihm das Einverständnis für den Bau einer Straße quer durch den Dschungel abzuringen. Dafür engagiert er McRory, der einen Tiger fangen soll, den der Fürst dann erlegen kann. Ausgerechnet die Mutter der beiden Tiger soll die Rolle des Jagdopfers spielen, doch das mangelnde Geschick des Fürsten lässt sie entkommen. Der von ihr versteckte Sangha wird vom jungen Sohn des Gouverneurs gefunden und lebt mit ihm zusammen, bis das Tier in einem engen Käfig landet. Ein Jahr später kommt es zum Aufeinandertreffen der erwachsenen Tiger in der Arena des Fürsten. Doch statt sich zu zerfleischen, erkennen sie einander wieder.
Nach „Der Bär“ (fd 27 385) ist „Zwei Brüder“ die zweite Regiearbeit von Regisseur Jean-Jacques Annaud im Genre des Tierspielfilms. Die menschlichen Figuren sind dabei eher plakativ gezeichnet und werden den Ansprüchen eines erwachsenen Publikums nur wenig gerecht. So setzt sich der missverstandene Fürst vor dem Duell der Tiger vor den Käfig des Raubtiers und gesteht, dass er sich auch nach dem Tod seines Vaters nicht von dessen übermächtigem Schatten zu befreien weiß. Dabei bleibt es dann auch – eine Entwicklung ist bei ihm wie bei allen anderen nicht auszumachen. Eine Ausnahme stellt allenfalls McRory dar, doch dass sich ein erprobter Großwildjäger durch ein Tigerbaby innerlich bekehren lässt, erscheint wahrlich unrealistisch; wohl auch, weil die innere Entwicklung ausgeblendet wird und man nur Ausschnitte der Wandlung zu sehen bekommt. Dennoch trübt diese oberflächliche Zeichnung der menschlichen Rollen nicht das Vergnügen, das der Film bereitet. Die Tiger wirken in ihrer Emotionalität humaner als die Menschen. Sangha ist mal menschlicher Freund des Gouverneurssohns, mal eine Puppe, die neben dem Jungen im Bett schläft. Freude, Trauer, Ärger und Angst lassen sich aus den Handlungen und Augen der Tiere lesen. Der stark kommentierende Charakter der Musik leitet in die spezifische Erzählweise des Films ein; prägnant definiert die Komposition, die später in den Hintergrund rückt, die Gefühlszustände der Tiere. Am Ende steht die Konfrontation der Tiger mit den ihnen zugeteilten Menschen, mit McRory und dem Gouverneurssohn. Das humanistische Gedankengut obsiegt: Menschen, die sich den Tigern gegenüber freundlich verhielten, werden nicht als Gefahr betrachtet. Die Vermenschlichung der Tiger macht „Zwei Brüder“ endgültig zum Kinderfilm, der faires Miteinander von Mensch und Tier, Familienleben und Mitgefühl propagiert. Gewiss kann man daran zweifeln, ob der allzu nahe Umgang mit wilden Katzen im Alltag zu empfehlen ist; die atemberaubenden Aufnahmen, vielfach mit mobiler Digitalkamera, verschleiern letztlich, dass es sich um dressierte Tiere handelt. Auch wenn der Film damit gegen seine Leitidee, Tiere frei leben zu lassen, durch Inszenierung und Fotografie verstößt, schmälert dies kaum das beeindruckende Kinoerlebnis.