Voodoo - Mounted by the Gods

- | Deutschland 2003 | 90 Minuten

Regie: Alberto Venzago

Die Geschichte des zwölfjährigen Gounon, der in die geheimen Praktiken, Sprachen und spirituellen Eigenarten des Voodoo-Kultes im Mawu-Lissa-Kloster eingeführt wird. Eine filmästhetische Reflexion über den Voodoo-Kult, die durch einfühlsame Musik und expressive Bilder besticht und mit authentischen Orten und Personen weniger einen rationalen als emotionalen Zugang zu einer von Klischees verstellten Religionspraxis eröffnen will. Ein gelungenes audiovisuelles Kunstwerk, das den Wissensdurst nicht befriedigt, sondern erst erzeugt. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2003
Produktionsfirma
Traumwerk
Regie
Alberto Venzago
Buch
Kit Hopkins
Kamera
Alberto Venzago
Musik
Jochen Schmidt-Hambrock
Schnitt
Jean-Claude Piroué
Länge
90 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
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Diskussion
Im Jahr 1972 verabschiedete sich die James-Bond-Formel zeitweilig von megalomanen Welteroberungsszenarien, um in „Leben und sterben lassen“ (fd 18 508) den smarten Superagenten mit der übernatürlichen Welt des Voodoo zu konfrontieren. Dabei wurden Klischees geprägt, die bis heute im Mainstreamkino und in den Köpfen seines Publikums herumspuken. Voodoo war plötzlich angesagt und passte in die Zeit des psychedelischen Lebensgefühls. Tarot- Karten, mit Nadeln malträtierte Puppen, janusköpfige Priester, ekstatische Tänze und blutige Opferrituale erschienen in Filmen, auf LP-Covern und an Souvenirständen. Dem Horrorfilm- Genre diente seit „Ich folgte einem Zombie“ (1943; fd 34 194) die religiöse Tradition Westafrikas als beliebte Vorlage für Gruseleffekte. Der westlichen Vermarktungskette zu entgehen und den Voodoopraktiken ihr Recht auf eine ernstzunehmende religiöse Tradition zurückzugeben, ist der Ansatz des Films „Voodoo – Mounted by the Gods“. Dabei kehrt Regisseur Alberto Venzago zu den mythologischen Wurzeln im westafrikanischen Benin zurück, dort, wo der transatlantische Sklavenhandel einst blühte und den Voodookult über den amerikanischen Kontinent verbreitete.

Der Film erzählt von der Suche des alternden Voodoopriesters Mahounon nach einem Nachfolger. Zahlreiche Kinder mit der „besonderen Gabe“ werden als Novizen einer schweren einjährigen Prüfung unterzogen, bis schließlich das Voodoo-Orakel Fa über ihre Eignung entscheidet. Nach jahrelanger vergeblicher Ausschau weist das Orakel schließlich auf den zwölfjährigen Gounon. Fortan kümmert sich Mahounon um die sechs Jahre dauernde Unterweisung in den verborgenen Praktiken des Mawu-Lissa-Voodoo- Kultes. Um vor Missbrauch zu schützen, gibt es keine schriftlichen Aufzeichnungen. Im Kloster selbst kommuniziert man mit zwei Geheimsprachen. Nach der bis dato geradlinig aufgebauten Erzählstruktur zersplittert die Dramaturgie. Der Film sammelt Mosaiksteine. Dafür springt er von verschiedenen Kultpraktiken zu weihevollen Zeremonien, zeigt Opferrituale, Leichenbeschauung und Landschaftsbilder oder begleitet seinen Protagonisten auf einem Moped. Erst zum Ende hin führt Regisseur Venzago die Bildenden in der spirituellen Initiationsfeier des Nachfolgers wieder zusammen.

„Mounted by the Gods“ ist kein Dokumentarfilm, sondern ein filmästhetisches Experiment, das tief in die Welt des Voodookultes eintaucht. Venzago möchte zum einen mit den Klischees der Schwindler und Scharlatane aufräumen, gleichzeitig aber auch das Geheimnisvolle und Zauberhafte dieser mündlich tradierten Kultur bewahren. Die Bedeutung des Wortes „Voodoo“ gibt das Stichwort vor: „das, was sich nicht ergründen lässt“. Informationen werden daher nicht sachlich, sondern emotional vermittelt. Der Regisseur zeigt kein Interesse daran, die Wirkungsweisen, religiösen Ursprünge oder Querverbindungen zu anderen Kulten auszuleuchten. Stattdessen entzieht er seinen Bildern die Farbe, reduziert sie auf kontrastreiches Schwarz-weiß; hier und da schleichen sich Orangetöne oder blaue Farbpigmente wie Zeichen der Götter in die Landschaftsaufnahmen ein. Die Kamera ist verliebt in Gesichter. Immer wieder schweift sie von einem Porträt zum anderen, zeigt Großaufnahmen der Sinnesorgane, liest die vernarbten Hautpartien wie Schriftrollen. Sie tanzt mit den von den Göttern Besessenen, bis sie selbst außer Kontrolle gerät, mit Kamerarissen Kamerarissen die Szenerie zum wilden Schattenspiel stilisiert. Dieser Ansatz spiegelt sich auch akustisch wieder. In der tranceartigen Initiationsfeier tanzen die Einwohner nicht zu den Klängen ihrer Trommeln, sondern zu denen des Filmorchesters Babelsberg. Der Komponist Jochen Schmidt-Hambrock hat zusammen mit Peter Scherer und Boris Blank eine Mischung aus sphärischen Klängen, Technobeats und Eingeborenengesängen geschaffen, die bewusst die dokumentarische Ebene hinter sich lässt. Authentische Aufnahmen von Schlagwerk oder Kinderchören aus Benin tauchen als Computersamples im zeitgemäßen Soundmix wieder auf. So entsteht ein audiovisueller Strudel, der die Ekstase nicht mit kühler Sachlichkeit entzaubert, sondern die geheimnisvolle Energie der Rituale zu bewahren sucht. Der Film läuft damit aber auch Gefahr, sein Anliegen und Potenzial einer von Klischees befreiten Perspektive auf den Voodookult zu verspielen. Eine extrem niedrig angesetzte Kamerafahrt über einen Friedhof mit Grabsteinen pflegt unfreiwillig die stereotypen Darstellungen im Horrorfilm. James Bond begann damals nach einer ähnlichen Einstellung seine Nachforschungen in einem Souvenir- Shop, und Sir George Martin arrangierte die Musik für die Voodoo-Tänze.

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