Ein vom Leben und der Wende frustriertes kinderloses Ehepaar will durch den Verkauf seiner Datsche seine angeschlagene Beziehung retten. Die letzte Nacht im Gartenhäuschen entwickelt sich jedoch zu einem makabren Albtraum, als zwei Einbrecher auftauchen und sich neben dem Ehekrieg auch eine Liebesgeschichte zwischen der Frau und einem der Gangster anbahnt. Ein von pointierten Dialogen und einer präzisen Inszenierung getragener Film, dessen Kamera geschickt die Innenräume öffnet; das überzeugende Darsteller-Ensemble wahrt stets die subtile Balance zwischen Drama und Komödie.
- Ab 16.
Die Datsche
- | Deutschland 2001 | 86 Minuten
Regie: Carsten Fiebeler
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2001
- Produktionsfirma
- Equinox/Koppmedia/MDR
- Regie
- Carsten Fiebeler
- Buch
- Ulv Jacobsen · Carsten Fiebeler
- Kamera
- Erik Krambeck
- Musik
- Tarwater
- Schnitt
- Christian Nauheimer
- Darsteller
- Catherine Flemming (Elke) · Michael Kind (Arnold) · Uwe Kockisch (Asche) · Nils Nelleßen (Big) · Alexander Hörbe (Makler)
- Länge
- 86 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Prolog: Die Außenansicht einer Datsche. Ein Mann und eine Frau streiten sich im Garten. Er droht ihr mit der Polizei, sie kehrt ihm den Rücken, fragt sich im Weggehen: Gibt es eine zweite Chance? Epilog: Die gleiche Szene. Doch nun ergreift sie die zweite Chance, ehe sie ihrem bisherigen Leben den Rücken kehrt. Dazwischen liegt eine traumatische Nacht für das kinderlose Ost-Ehepaar Elke und Arnold, das eigentlich ins Grüne gefahren waren, um endgültig Abschied zu nehmen von einem Stück DDR-Vergangenheit. In der Hoffnung, damit ihre angeschlagene Ehe zu retten, hatte Elke ihren Mann überredet, die Datsche zu verkaufen. Zum letzten Mal teilt man jene mittlerweile unerträglich gewordene Enge, die jahrzehntelang Privileg und Fluchtpunkt zugleich war. Am nächsten Morgen sollen mit dem Makler die Verkaufsmodalitäten ausgehandelt werden. Doch mitten in der Nacht stehen plötzlich zwei vermummte Einbrecher im Raum, fesseln die Beiden und verschwinden mit Geld und Auto. Nachdem sich Elke und Arnold befreit haben, beginnt der erste Teil des (Ehe-)Dramas: Offensichtlich lange unterdrückte Frustrationen brechen auf, als er sich weigert, den stundenlangen Fußmarsch zur Polizei anzutreten, und sie die Möbel zu zerstören beginnt, um wenigstens von der Versicherung Geld für den Überfall zu bekommen. Mit häßlichen Sticheleien wird in den Wunden des Partners gebohrt, bis sich das Paar in einem spontanen Liebesakt wieder versöhnt. Doch dann kehren die beiden Einbrecher zurück, diesmal mit dem Mord an einem Wachmann belastet, den der junge, ungestüme Big auf dem Gewissen hat. Das Spiel beginnt von vorne; auch im Ehekrieg wird die zweite Runde eingeläutet, die schließlich zu einer Kumpanei zwischen Elke und dem älteren Gangster Asche führt. Als die Polizei die Datsche kontrolliert, rettet Elke die Einbrecher vor der Entdeckung. Am nächsten Morgen gibt sie sich gegenüber dem Makler sogar als Asches Frau aus, der in die Rolle des Verkäufers geschlüpft ist. Doch kaum haben sie den schlitzohrigen Makler mit dessen eigenen Waffen geschlagen, zerstört Big das (finanzielle) Happy End.
Bei den „Hofer Filmtagen“ 2002 gehörte der HFF-„Konrad Wolf“-Absolvent Carsten Fiebeler zu den wenigen deutschen Regisseuren, dessen Spielfilmdebüt auf weitere Arbeiten neugierig machte. Fiebeler und sein theatererfahrener Co-Autor Ulv Jacobsen wagen sich an ein hierzulande kaum beherrschtes Genre-Kino und erzählen mit inszenatorischem Geschick und pointierten Dialogen eine makaber überhöhte Mischung aus Thriller und Psychodrama, das nebenbei auch ostdeutsche Befindlichkeiten beleuchtet, die sich aber durchaus als gesamtdeutsche entpuppen – zumindest was Schrebergartenidylle und geheime Sehnsüchte anbelangt. An der Kürze des Films lässt sich eine seiner eindrucksvollsten Stärken festmachen: Fiebeler inszeniert auf den Punkt, das Drehbuch kennt keine Geschwätzigkeit, und Kameramann Erik Krambeck liefert dazu CinemaScope-Bilder, die das Format geschickt nutzen, um die Enge des Innenraums zu öffnen und die fröstelnde Atmosphäre eines nebligen Novembertages einzufangen. Vor allem aber bietet der Film ein großartiges Darsteller-Quintett: Michael Kind ist in seinem Trainingsanzug ein perfekter, alten DDR-Zeiten nachtrauernder Biedermann, Nils Nellessen einer jener leicht überforderten Kleinkrimineller, die ihre Unsicherheit mit Gewalt überspielen. Uwe Kokischs souveräne Interpretation wirft einmal mehr die Frage auf, warum solch „filmogene“ Gesichter nicht öfters auf der Leinwand zu sehen sind. Gleiches gilt für Catherine Fleming, die nach ihrer beeindruckenden Leistung in „Hunger – Sehnsucht nach Liebe“(fd 32 736) endlich wieder im Kino zu sehen ist – und deren alle Sehnsucht und Enttäuschung ausdrückender Blick, als sich Asche am Ende ohne sie aus dem Staub macht, zu jenen Kinobildern gehört, an die man sich lange erinnert.
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