Ein Astronom und ein angehender Politiker lernen sich während der 60er-Jahre in Amsterdam kennen, werden engste Freunde und verlieben sich in eine junge Cellistin, die schließlich ein Kind erwartet. Was alles kein Zufall ist, denn zwei Engel steuern das Schicksal der Figuren, um ein Projekt biblischen Ausmaßes zu vollenden. Fesselnd und aufwändig gestaltete Adaption des gleichnamigen Bestsellers von Harry Mulisch. Der Film reduziert dabei wesentliche Merkmale der humorvoll-bitteren Vorlage auf filmisch fassbare Motive. (O.m.d.U.)
- Sehenswert ab 16.
Die Entdeckung des Himmels
Literaturverfilmung | Niederlande 2001 | 133 Minuten
Regie: Jeroen Krabbé
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Filmdaten
- Originaltitel
- DE ONTDEKKING VAN DE HEMEL
- Produktionsland
- Niederlande
- Produktionsjahr
- 2001
- Produktionsfirma
- Mulholland Pictures
- Regie
- Jeroen Krabbé
- Buch
- Edwin de Vries
- Kamera
- Theo Bierkens
- Musik
- Henny Vrienten
- Schnitt
- Nigel Galt · Kant Pan
- Darsteller
- Stephen Fry (Onno Quist) · Greg Wise (Max Delius) · Flora Montgomery (Ada Brons) · Maureen Lipman (weiblicher Engel) · Jeroen Krabbé (Engel Gabriel)
- Länge
- 133 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
- Genre
- Literaturverfilmung
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
In den Niederlanden ist zum Film eine Special Edition (2 DVDs) erschienen, die - im Gegensatz zur deutschen Edition - neben einem Audiokommentar des Regisseurs, des Autors und des Produzenten Ate de Jong ein Feature mit 10 im Film nicht verwendeten Szenen enthält.
Diskussion
Nichts ist Zufall, alles ist Vorsehung, Schicksal oder auch Gottes Fügung – zumindest wenn die Interessen des Himmels im Spiel sind. Von Anfang an lassen der Roman und nun auch dessen Verfilmung keinen Zweifel daran, dass jedes Treffen der Hauptfiguren und alle Ereignisse, die sie umgeben, gesteuert sind: von einem skrupellosen Erzengel Gabriel und einem jungen, menschenfreundlicheren Nachwuchsengel. Wenn also der Astronom Max und der angehende Politiker Onno wie zufällig aufeinander treffen, hat dies nur einen einzigen, himmlischen Sinn – einen, der sich erst gegen Ende der Geschichte heraus stellt. Bis dahin verbindet die Betroffenen dank der Vorsehung eine tiefe Freundschaft. Onno und Max sind immerhin hellsichtig genug, um zu verstehen, dass sie „kosmische Zwillinge“ sind, die füreinander geschaffen sind. Als sie die junge Cellistin Ada kennen lernen, sind beide fasziniert von deren graziler Schönheit und Anmut. Frauenheld Max gewinnt sie als erster für sich, was der Freundschaft zunächst nicht schadet. Vor dem Hintergrund der ausgehenden 60er-Jahre, die auch in Amsterdam die Menschen auf die Straße treiben, fühlen sich die Freunde zu Höherem berufen: Onno will Premierminister werden und außerdem einen antiken Steindiskus entziffern, während Max die Entdeckung des Himmels anstrebt, die unsichtbare Wahrheit hinter den sichtbaren Sternen. Dies wollen die Engel freilich verhindern. Deren vorrangiges Ziel bleibt jedoch die Erschaffung einer Art Anti-Messias’, der nur eine einzige, bittere Mission zu erfüllen hat, die das Alte Testament teilweise revidieren würde. Die irdischen Konsequenzen des himmlischen Ränkespiels sind tragisch: Zuerst entspinnt sich ein Eifersuchtsdrama zwischen Max und Onno, weil sie nach einem Kuba-Aufenthalt nicht sicher sein können, wer von ihnen der Vater des Kindes ist, das Ada erwartet. Jahre und einige Schicksalsschläge später, als Tod und Verderben über die Beteiligten kommen, stehen sogar die Kultur- und Religionsgeschichte des Abendlandes auf dem Spiel.
Es ist nicht nur die Verquickung von geschichtlich-religiöser Thematik und detektivischer Handlung, die entfernt an „Der Name der Rose“ (fd 25 841) erinnert. Wie Jean-Jacques Annauds Filmversion von Ecos Roman ist auch die Verfilmung von Harry Mulischs Bestseller ein Publikumsfilm geworden: kein Autorenkino also, sondern routiniert und aufwändig inszenierte Unterhaltung. Regisseur Jeroen Krabbé hatte bis dahin nur einen einzigen Film inszeniert, „Kalmans Geheimnis“ (fd 33 808), ebenfalls eine Romanverfilmung. Krabbés Gesicht dagegen ist aus zahlreichen Filmen bekannt; hier spielt er den Erzengel Gabriel. Krabbé hat sich viel zugemutet, denn Mulischs Roman galt aufgrund der zahlreichen Exkurse und Abhandlungen des Autors als unverfilmbar – so, als hätte man auch Thomas Mann oder Milan Kundera nie verfilmen können. Zusammen mit seinem Autor Edwin de Vries hat Krabbé das Buch konsequent auf kinotaugliche Motive durchpflügt. In wenigen Zügen etwa entwarf er den sarkastischen Charakter Onnos, woran auch dessen wunderbarer Darsteller Stephen Fry wichtigen Anteil hat. Lebendig und frei von Klischees werden im Film auch die Lebensumstände dargestellt, etwa Onnos konservatives Elternhaus und dessen Gegenpol, das revolutionär gestimmte Holland, für das Onno nur Häme übrig hat, sowie das kommunistische Kuba, das den Genossen einige dekadente Privilegien bietet. Krabbés Film rührt an, weil er die Dreiecksgeschichte fassbar macht, und er fesselt, weil ihm die Zuspitzung auf die eigentliche, himmlische Thriller-Geschichte mit den Mitteln des Abenteuerkinos virtuos gelingt. Die Nachdenklichkeit des Romans, Mulischs Zweifel an irdischen und himmlischen Gesetzen, die Reflexionen über Gott und die Welt, deuten sich nur an, aber der Film verdichtet dies alles zu einer unterhaltsamen Groteske, die den Totalitätsanspruch religiöser Dogmen in Frage stellt. Darüber hinaus hat sich Krabbé gleichwohl an motivische Vorgaben Mulischs gehalten. Ein Rabe taucht als Reminiszenz an Edgar Allan Poe auf, die Musik von Bach erklingt neben Henny Vrientens schönem Soundtrack, und die Radierungen von Piranesi, die die Handlung lenken, haben auch das Produktionsdesign beeinflusst.
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