Abouna - Der Vater
Drama | Frankreich/Tschad/Niederlande 2002 | 84 Minuten
Regie: Mahamat-Saleh Haroun
Filmdaten
- Originaltitel
- ABOUNA | OUR FATHER
- Produktionsland
- Frankreich/Tschad/Niederlande
- Produktionsjahr
- 2002
- Produktionsfirma
- Goi-Goi/Tele-Chad/Ministry of Promotion and Development/Commission Européenne/Duo/arte France Cinéma/Hubert Bals Fund
- Regie
- Mahamat-Saleh Haroun
- Buch
- Mahamat-Saleh Haroun
- Kamera
- Abraham Haile Biru
- Musik
- Diego Moustapha Ngarade
- Schnitt
- Sarah Taouss-Matton
- Darsteller
- Ahidjo Mahamat Moussa (Tahir) · Hamza Moctar Aguid (Amine) · Zara Haroun (Mutter Achta) · Mounira Khalil (stummes Mädchen) · Koulsy Lamko (Vater)
- Länge
- 84 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Drama
Seltsamerweise scheint sich niemand über die beiden Jungen zu wundern, die die Schule schwänzen. Die Erwachsenen behandeln sie freundlich, auch wenn sie ihr Anliegen nicht wirklich verstehen können. Bis Tahir und Amine ihren Vater sehen – in einem der wenigen Kinosäle des Landes, auf der Leinwand, mit zwei anderen Jungen im Arm. Sie stehlen den Film, um sich die Szenen genauer anzusehen, werden dabei aber erwischt und landen bei der Polizei. Bestraft aber werden sie nur von ihrer Mutter, die sie in eine strenge Koranschule steckt. Dort laufen die beiden weg, werden aber dank unglücklicher Umstände wieder gefasst, wobei sich Amine verletzt. Deshalb fügen sie sich mehr oder weniger in ihr Schicksal. Aber immer noch träumen sie von ihrem Vater, auch wenn Tahir sich inzwischen in ein taubstummes Mädchen verliebt hat. Die Sehnsucht wird noch größer, als ein Onkel ein Poster mitbringt, das ihm ihr Vater in Tanger mitgegeben hat: Es zeigt das Meer, die andere, für sie unerreichbare Welt. Wenigstens für einen Augenblick, als sie es an die Wand heften und anschauen, vergessen sie ihr Leid. Doch bald stirbt Amine, die Mutter landet im Irrenhaus, nur Tahir und seine Freundin scheinen glücklich zu sein. Wie fast alle Spielfilme afrikanischer Filmemacher, die in Europa leb(t)en und dort ihr Handwerk lernten, beeindruckt auch „Abouna“ durch eine poetische Art der Licht- und Farbsetzung und seine einfachen Bilder, die das Besondere der Landschaft und seiner Menschen betonen. Doch anstelle eines Märchens („Yeelen“, fd 27 497, „Yaaba“, fd 28 107) oder einer Komödie hat Haroun (Jahrgang 1961), der seit über 20 Jahren in Frankreich lebt, nach einigen Kurzfilmen und einem autobiografischen Dokumentarspielfilm („Bye, Bye Afrika“, 1999) im Grunde einen europäischen Autorenfilm gedreht. Denn im Mittelpunkt steht nicht die gegen Ende immer zerfahrener werdende Geschichte, sondern die Reflexion über das Leben anhand von Projektionen: den Wunschvorstellungen der beiden Jungen über ihren Vater, das reale Filmbild, mit dem sie nichts anfangen können, weil es für sie nichts Nacherlebbares hat, und das Foto vom Meer, in dem der Vater schließlich ganz verschwindet.
Obwohl Haroun vor allem die Perspektive der Verlassenen beschreiben wollte, hat sein Film nichts Mitleidiges, sondern wirkt eher wie ein Road Movie mit einem ungleichen, aber doch harmonischen Gespann eines Kindes und eines Jugendlichen auf der Suche nach sich selbst. Die beiden halten zusammen, und in den dichtesten Momenten werden ihre Blicke und Gesten im Einklang mit der raffinierten Lichtgestaltung zu einer universellen Studie über das Erwachsenwerden in mehreren Zeit- und Bewusstseinsstufen. Im Prinzip könnte „Abouna“ überall spielen, denn die kleinen Gesten – etwa wenn Tahir seiner Freundin etwas schüchtern die Ohrringe ansteckt, die er ihr geschenkt hat, oder wenn die Geschwister ihre Mitschüler aus dem Zimmer jagen, damit sie wenigstens einen privaten Augenblick haben, um das Geschenk ihres Vaters zu betrachten – sind nicht typisch afrikanisch. Die Tatsache, dass wenig gesprochen wird, auch nicht. Die Sonne, die Kargheit vieler Szenen, auch bei denen, die im Innern der einfachen Wohnungen spielen, und die melancholisch-verspielte Musik geben dem nicht immer stringent inszenierten Film ein besonderes Flair, auch wenn es Haroun nur in wenigen Szenen gelingt, an die magischen Bilder von Cissé, Sembène oder Ouédraogo anzuknüpfen.