Hilfe, ich bin ein Junge! (Emmas Verwandlung)

Fantasy | Deutschland 2000 | 90 Minuten

Regie: Oliver Dommenget

Ein elfjähriges Mädchen in Hamburg, eingespannt in einen Alltag zwischen Gymnasium und Schwimmtraining, und ein gleichaltriger Mitschüler, die sich nicht riechen können, tauschen durch einen Zauberspruch unfreiwillig ihre Körper und machen sich fortan auf die Suche nach einem Gegenmittel. Turbulenter und unterhaltsamer Fantasyfilm für Kinder, der die magische Fabel spielerisch mit Themen wie Freundschaft, gegenseitigem Verständnis und übertriebenem Leistungsdruck verknüpft. Inszenatorisch eher brav, werden Schwächen in den hölzernen Dialogen durch das frische Spiel der Kinder wettgemacht. - Sehenswert ab 10.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2000
Produktionsfirma
Studio Hamburg/NDR/BR/VCC Perfect Pictures
Regie
Oliver Dommenget
Buch
Astrid Ströher
Kamera
Georgij Pestov
Musik
Jens Langbein · Robert Schulte Hemming
Schnitt
Monika Schuchard
Darsteller
Sarah Hannemann (Emma) · Nick Seidensticker (Mickey) · Philipp Blank (Oskar) · Felix Benjamin Maue (Marek) · Franz Paul Stiller (Attila)
Länge
90 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 10.
Genre
Fantasy | Kinderfilm
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Der „Harry-Potter-Hype“ hat sowohl dem Kinderbuchmarkt als auch dem Kino eine Renaissance der fantastischen Erzählung beschert: Zauberer und Hexen sind mit ihren magischen Ritualen gleich scharenweise in die rationale Welt der Muggel eingefallen, wobei man in Sachen Qualität kaum noch die Spreu vom Weizen zu trennen vermag. Dabei ist, vor allem in der Literatur, längst nicht alles notdürftig recycelter Kommerzramsch, wie beispielsweise Philip Pullmans Lyra-Trilogie, T.A. Barons „Merlin“-Reihe oder auch die Chrestomanci-Romane von Diana Wynne Jones belegen (zumal manche davon früher als „Harry Potter“ entstanden und hierzulande nur später verlegt wurden). Während das Fernsehen seichte Kost à la „Sabrina“ anhäuft, hinkt das Kino (wieder einmal) hinterher. Es ist deshalb fast schon ein kleines Wunder, dass ausgerechnet eine kleine deutsche Produktion den Zauberstab aufgreift, um sich an Fantasy für Kinder zu versuchen. Und das gelingt dem jungen Regisseur Oliver Dommenget (geb. 1966) gar nicht mal so schlecht, mag auch die reizvolle Geschichte an den dramaturgischen Fesseln einer eher zahmen Fernsehdramaturgie kranken. Bereits der Anfang signalisiert das hübsche Spiel mit der Illusion, das hier betrieben wird und das der Normalität und dem Alltag Flügel verleiht: Kinder kämpfen, stilecht als Ritter verkleidet, im tiefen Wald um ein rothaariges Burgfräulein, das in seiner Not immer weiter in einen still ruhenden See gedrängt wird – bis es abrupt innehält, weil plötzlich sein Handy klingelt. Die elfjährige Emma hat wieder einmal übers Spielen ihr Schwimmtraining vergessen; jetzt drängen ihre alleinerziehende Mutter sowie der vorrangig an seiner eigenen Karriere interessierte Schwimmlehrer auf Ordnung, Pflicht und Disziplin. Da es Emma gewohnt ist, es ihrer über alles geliebten Mutter stets recht zu machen, holt sie nach dem Training gleich auch noch den kleinen Bruder ab und versorgt ihn, bis die Mutter von der Arbeit kommt. So hat Emma einen recht stressigen Alltag, den sie aber durchaus souverän meistert, weil sie eine gute Schülerin ist und obendrein auch gerne schwimmt. Nervig ist freilich ihr Mitschüler Mickey, der so ziemlich das genaue Gegenteil von ihr ist: angeberisch und großmäulig, zudem faul und arrogant gegenüber Mädchen. Dass Emma eines Morgens ausgerechnet in Mickeys Körper aufwacht, während der Junge in ihrem steckt – das ist nicht nur ein rätselhaftes magisches Wunder, sondern auch eine Katastrophe. Hinter allem steckt Emmas ahnungsloser Freund Oskar, genannt Neunauge, der ein großes Faible für alte Zauberformeln hat und seine Finger nicht von einem seltsamen Mantel und einem Buch lassen konnte, die er im Wald fand. Doch wie den ungewollten Zauber rückgängig machen? Dazu bedarf es eines richtigen Magiers, der in Gestalt des alten Tartov ins Leben der drei Kinder tritt und der einen würdigen Nachfolger für sein irdisches Wirken sucht. Es ist ein turbulentes, ereignisreiches Spiel um Rollen und Verwandlungen, das einerseits den gängigen Regeln des fantastischen (Kinder-)Kinos folgt, wenn es um Blitz und Rauch, sprechende Schildkröten und einen uralten Zauberer geht, die unversehens ins alltägliche Hamburg einbrechen; andererseits dient die Fabel auch zum nachdenkenswerten Diskurs um Freundschaft, Konkurrenzdenken und übertriebenen Leistungsdruck sowie um die Rivalität zwischen Jungen und Mädchen. Durch die Verkehrung der Geschlechter lernen sie sich von jeweils anderen, bislang verborgenen Seiten kennen, woraus gegenseitiges Verständnis, ja sogar Respekt voreinander erwächst. Das wird nicht allzu differenziert ausgelotet, weil durch die Zauberfabel, aber auch die Einbeziehung des schulischen Alltags sowie des jeweiligen Elternhauses viele Stränge unter einen Hut gebracht werden müssen - was aber recht ordentlich, vor allem kurzweilig und unterhaltsam gelingt. Wer, „verwöhnt“ durch handwerklich perfektere US-Ware, mit allzu großen Ansprüchen an den Film herangeht, der wird die gelegentlich arg deklamatorisch-hölzerne Dialogführung der Kinder bemerken, die oft für einen Bruch mit der Illusion sorgt; freilich sollte man dabei nicht die Frische und das eifrige Engagement der jungen Darsteller übersehen, die ganz in „ihrer“ Geschichte aufgehen und sich mit ihren Figuren in einem Maße identifizieren, wie man es auch den jungen Zuschauern wünscht. Es gibt eben doch mehr, vor allem aber anderes als Harry Potter, nur muss man es erkennen und an seinem eigenen Anspruch messen.
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