Metropolis (1925/26; rekonstr. Fassung 2001)

- | Deutschland 1925/26 | 147 Minuten

Regie: Fritz Lang

Die ausgebeuteten Arbeiter einer unterirdischen Stadt rebellieren unter der Führung einer jungen Frau gegen die Oberschicht. Während sich der Sohn des Despoten den Aufständischen anschließt, versucht der Vater, seine Macht durch eine Roboterfrau, die Doppelgängerin der Heilsbringerin, zu verteidigen. Am Ende siegen sozialer Friede und die Macht der Liebe. Fritz Langs Stummfilm-Klassiker in der bestmöglichst rekonstruierten Form, auch wenn diese in weiten Teilen immer noch von der Urfassung abweicht. Dank digitaler Technik präsentiert die Neufassung eine herausragende Bildqualität, die vor allem die visionäre Filmarchitektur eindrucksvoll herausstellt. Ein Meisterwerk als Potpourri der Extreme, Gefühle und Konflikte, dessen neue Musik (2001) sich jedoch in ihrer erdrückenden Dominanz am Rande der Fehlinterpretation bewegt. - Sehenswert ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1925/26
Produktionsfirma
Universum-Film
Regie
Fritz Lang
Buch
Thea von Harbou · Fritz Lang
Kamera
Karl Freund · Günther Rittau
Musik
Gottfried Huppertz · Bernd Schultheis
Darsteller
Brigitte Helm (Maria/Maschinenmensch) · Alfred Abel (Johann Fredersen) · Gustav Fröhlich (Freder Fredersen) · Rudolf Klein-Rogge (Rotwang) · Fritz Rasp (der Schmale)
Länge
147 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6 (DVD)
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.

Heimkino

Die filmhistorisch wertvolle (deutsche) Special Edition (2DVDs) enthält neben dem restaurierten Film u.a. einen vom Filmhistoriker Enno Patalas gesprochenen analytischen Audiokommentar sowie eine sehr informative 45-minütige Dokumentation über den Film und seine Zeit. (Zu weiteren DVDs und Blu-rays sind Informationen unter den jeweiligen Einträgen der rekonstruierten und historischen Fassungen des Films zu finden.)

Verleih DVD
Universum (FF, DD5.1)
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Diskussion
Fritz Langs Hang zu Gigantomanie in seinen Science Fiction-Film „Metropolis“ bezeichnete der Filmkritiker Siegfried Kracauer als eine „Mischung aus Wagner und Krupp“. Der vielzitierte deutsche Stummfilm, gedreht von Mai 1925 bis Oktober 1926, vertritt die ideologisch umstrittene Botschaft von der Versöhnung zwischen Kopf und Hand, Kapital und Arbeit. Er skizziert die Utopien einer diktatorisch organisierten und von der Technik dominierten Zweiklassengesellschaft, eine Dichotomie von mittelalterlicher Magie und Moderne, Architektur und Märchen. „Man kann keinen gesellschaftlich bewussten Film machen, indem man sagt, der Mittler zwischen Hand und Hirn sei das Herz – ich meine, das ist ein Märchen – wirklich. Aber ich interessierte mich für Maschinen“, erklärte Fritz Lang im Interview mit Peter Bogdanovich. Fredersen, Herr über Metropolis, die Stadt der Zukunft, legitimiert den Luxus einer kleinen Oberschicht mit der Ausbeutung der Masse unter der Erde. Als sein Sohn deren trauriges Schicksal und einzige Hoffnung, eine junge Frau namens Maria, wahrnimmt, rebelliert er gegen den despotischen Vater. Der lässt den Erfinder Rotwang, seinen alten Rivalen um eine gemeinsame Geliebte, einen Roboter mit der Gestalt Marias bauen. Doch Rotwangs Versuch, die Arbeiter zum Aufstand und ihrer eigenen Vernichtung zu bewegen, misslingt. Der geläuterte Sohn und Maria versöhnen sich und die aufgebrachte Menge nach der Verbrennung der teuflischen Femme fatale. Metropolis mutiert zur Stadt des sozialen Friedens und der Liebe. Eine New York-Reise regte Lang zu seiner Stadtfantasie des 20. Jahrhunderts an. Der Film sei „ein Psychogramm oder eine Fieberkurve der späten 20er-Jahre“, diagnostizierte der Filmwissenschaftler Thomas Elsaesser. Es geht um die Zerstörung des Menschen durch Monotonie, den Moloch Stadt als Folge des Ersten Weltkriegs, dem unfreiwilligen Agenten des Fortschritts – im Niemandsland zwischen Klassenkampf und heraufziehenden National(sozial)ismus. Aus dem Universum eines marginalen Lebens zur visionären Utopie zwischen Expressionismus und Surrealismus, wie Luis Buñuel konstatierte, bestimmen die Koordinaten und die Metamorphosen dieses inzwischen zum Unesco-Weltkulturerbe geadelten Kunstwerks. Bei der Uraufführung am 10. Januar 1927 im Berliner Zoo-Palast betrug die Länge von „Metropolis“ 4189 Meter, was bei einer Vorführgeschwindigkeit von 20 Bildern pro Sekunde etwa 172 Minuten ausmacht. Der teuerste Ufa-Film aller Zeiten wurde zum Debakel: Niedergeschlagenheit und Enttäuschung auf Seiten der Produzenten und bei der Kritik. Die Angaben über die Produktionskosten schwanken – je nach Quelle – zwischen fünf und sieben Millionen Reichsmark. Bereits vor der Premiere wollte die amerikanische Verleihfirma Paramount das Werk auf eine normale Länge bringen, sodass essentielle Kürzungen – der Konflikt zwischen Fredersen und Rotwang, ihre Rivalität um Hel, Teile der provokativen Yoshiwara-Episode sowie die Verfolgungsjagden am Ende –, Streichungen und Umformulierungen von Zwischentiteln vorgenommen und die Schnittfolge insgesamt verändert wurden. Für den Deutschlandstart und den Export kürzte man Langs Film auf 124 Minuten; nach dem Zweiten Weltkrieg betrug die Laufzeit nur noch gut eineinhalb Stunden! Trotz Rekonstruktionen durch das Staatliche Filmarchiv der DDR und das Filmmuseum München fehlten von der Urfassung immer noch 1000 Meter, mehr als eine halbe Stunde! Auf Initiative der Rechteinhaberin, der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, und der Arbeitsgruppe des Kinemathekenverbands präsentierte man zur „Berlinale“ 2001 den jüngsten Versuch: Es handelt sich um keine grundlegend neue Rekonstruktion, sondern um das im Bundesfilmarchiv einlagernde Originalnegativ der Paramount-Fassung, das von Martin Koerber auf Basis der Münchner Vorarbeit durch Enno Patalas komplettiert und digital bearbeitet wurde – photographisch von herausragender Qualität. Die Urversion aber bleibt wohl für immer verloren, weshalb hier nicht die Auferstehung eines Mythos zu feiern ist, sondern der Versuch, die Erinnerung daran wach zu halten. Wie zuvor in „Die Nibelungen“ (fd 34 703) setzte Lang das weltweit führende Niveau und Wissen im Filmbau konsequent und überaus beeindruckend ein. Das Spiegeltrickverfahren des Kameramanns Eugen Schüfftan demonstrierte die fantastischen Welten des Architekten aus Wien aufs Trefflichste. Neben der Dämonisierung der Technik finden sich unpolitische Naivität und Massenszenen voller Ornamentik. „Metropolis“, visuell ein Meisterwerk, ist ein Potpurri an Extremen, Gefühlen und Konflikten, Erleuchtung und Verzweiflung, Dunkelheit und Dramatik: Vater-Sohn-Gegensatz, Brüderlichkeit und Hass, Femme fatale mit ihrer Abgründigkeit, Alchimie und industriellem Großbetrieb. Da der Rechteinhaber an der Originalmusik von Gottfried Huppertz einer Wiederaufführung bei der „Berlinale“ 2001 nur unter seiner Leitung zustimmen wollte, erhielt Bernd Schultheis den Auftrag für eine neue Musik. Deren Präsentation mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter der Leitung von Frank Strobel war jedoch nicht unumstritten. Schultheis wollte eine Alternative zum romantischen Kitsch des Originals liefern und „massiv gegen das Pathos der Bilder ankomponieren“. Das ist ihm zweifellos gelungen. „Die Musik soll“, seiner Meinung nach, „die Gleichzeitigkeit von Ober- und Unterwelt in „Metropolis“ vermitteln, den Fluss und den Puls des Films betonen und an Stellen, wo dieser aufgrund fehlender Szenen gefährdet ist, unterstützen. Die Bildsprache Fritz Langs ist von einer Deutlichkeit, die von der Musik nicht kommentiert oder konterkariert werden braucht.“ Für das kleine quadratische Filmbild auf der Leinwand des „Berlinale“-Palastes aber war seine Komposition zu gigantisch, zu gewaltig – am Rande einer Fehlinterpretation. Vielleicht nimmt die Fernsehausstrahlung in arte etwas von dieser erdrückenden Dominanz zurück, sodass die Musik zwar einen Kontrapunkt liefert, den Bildern jedoch keinen Todesstoß versetzt.
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