Drama | Deutschland 2001 | 106 Minuten

Regie: Sandra Nettelbeck

Eine äußerlich selbstsichere Meisterköchin, erfolgreiche Küchenchefin in einem Hamburger Nobelrestaurant, geht ganz in ihrer Arbeit auf und organisiert auch ihr einsames Leben nach strengen Rezepten. Ihr Lebensgerüst gerät ins Wanken, als sie sich nach dem Tod ihrer Schwester um deren achtjährige Tochter kümmert und zudem ein italienischer Koch als vermeintlicher Konkurrent auftaucht. Lebens- und Liebesgeschichte mit leicht komödiantischen Akzenten, die von der subtilen Beschreibung der hervorragend interpretierten Hauptfigur zehrt, wodurch die Trivialität der Fabel weitgehend aufgehoben wird. (Remake: "Rezept zum Verlieben", USA 2007) - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2001
Produktionsfirma
Pandora/T & C/Palomar/Kinowelt Filmprod./SWR/WDR/ARTE/SF DRS/SRG SSR Idée Suisse/Téléclub/RAI Cinama/Bavaria Int.
Regie
Sandra Nettelbeck
Buch
Sandra Nettelbeck
Kamera
Michael Bertl
Schnitt
Mona Bräuer
Darsteller
Martina Gedeck (Martha) · Maxime Foerste (Lina) · Sergio Castellitto (Mario) · August Zirner (Therapeut) · Sibylle Canonica (Frida)
Länge
106 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama | Komödie
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
McOne (16:9, 1.85:1, DD5.1 dt.)
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Diskussion
„Unbeständig und kühl", hieß 1995 nicht nur Sandra Nettelbecks erster Langfilm; genau so verhielten sich auch die darin porträtierten 30-Jährigen, die voller Lebensängste und -zweifel steckten, sich und anderen etwas vormachten und im Gestrüpp aus Lug und Trug unterzugehen drohten. Martha, Meisterköchin und Küchenchefin in einem vornehmen Hamburger Restaurant, könnte eine dieser Personen gewesen sein, wobei sie sich inzwischen mit ihren seelischen Wunden, Enttäuschungen und unausgelebten Emotionen arrangiert hat und eins mit der Maske geworden ist, hinter der sie sich eingerichtet hat. Unbeständigkeit kann man ihr kaum noch nachsagen, kühl indes wirkt sie, beherrscht, stets konzentriert und hoch professionell. Martha lebt allein und ganz für ihre Arbeit: Kochen zelebriert sie auf höchstem Niveau, wobei die Grenzen zwischen genießerischer Passion und zwanghafter Wahrung der Contenance eher fließend sind. Warum sie auf der Couch eines Therapeuten gelandet ist, weiß sie selbst nicht so genau – derweil sie ihn souverän und äußerlich selbstsicher mit Kochrezepten und Zubereitungstipps unterhält. Allenfalls im Kühlraum ihrer Küche erlaubt sie sich kurzzeitig durchzuatmen, erschöpft zu sein, die Zwänge für wenige Minuten los zu lassen. Marthas beherrschtes Lebensgerüst gerät erst ins Wanken, als ihre Schwester bei einem Autounfall stirbt und sie sich mit deren achtjähriger Tochter Lina konfrontiert sieht. Plötzlich muss sie für jemanden da sein, sich ihm auch emotional zuwenden, Trost und Zuneigung spenden. Derweil soll sie der italienische Koch Mario am Arbeitsplatz entlasten, worauf sie irritiert und gereizt reagiert und vor allem den Konkurrenten wittert. Dabei geht die eigentliche „Bedrohung" eher von Marios diametral entgegen gesetzter Lebenseinstellung aus: spielerisch zelebriert er seinen Beruf, ist charmant, sinnlich und dem Leben zugewandt, ein Jongleur der schönen Kochkünste; ganz anders also als Martha, die ihr Leben nach Rezepten ausrichtet, um sie strengstens einzuhalten. Was Sandra Nettelbeck erzählt, ist eine im Prinzip konventionelle, nicht sonderlich originelle Lebens- und Liebesgeschichte mit leicht komödiantischen Akzenten, die man schnell als vorhersehbar und Klischee beladen abtun könnte – teutonische Lebensstrenge und -disziplin treffen auf mediterranes Savoir vivre, wobei die Liebe am Ende Berge und Prinzipien versetzt und die Familie als Hort gegen Vereinsamung und seelische Isolation zelebriert wird. Doch Vorsicht: Solche „Weisheiten", die in jedem zweiten Fernsehfilm aufgekocht werden, haben durchaus einen wahren Kern, zu dem vorzudringen freilich die eigentliche Kunst des Inszenierens ist. Und ganz so einfach ist es mit „Bella Martha" dann eben doch nicht. Dafür erweist sich Sandra Nettelbecks Konzeption zu differenziert und ihre Inszenierung bei genauem Hinsehen als so reich an Zwischentönen, dass man phasenweise ins Staunen gerät. Sowohl in „Unbeständig und kühl" als auch in ihrem zweiten (Fernseh-)Film „Mammamia" (1998) konnte man bereits ihr Talent für geschliffene Dialoge und präzise Schauspielerführung erkennen; in ihrer ersten fürs Kino konzipierten Arbeit setzt sie nun auf ein subtiles visuelles Konzept, das eher leise und unaufdringlich daher kommt und ganz auf Martina Gedeck abgestimmt ist, die man in ihrer Gesichts- und Körpersprache selten so klar, ja „intim" erlebt hat. Nie gibt sie die von ihr verkörperte Martha ganz preis, erklärt sie nicht vollständig, macht sie psychologisch nie ganz fassbar; im Schwebezustand zwischen Nähe und Distanz konstitutiert sich so das durchaus widersprüchliche Bild einer Frau, die sich ihren „Platz im Leben" offenbar ebenso mühevoll erkämpft hat wie sie ihn nun behauptet und verhindern will, dass ihr ihre Gefühle einen Streich spielen. Wie Martha ihre zwangshaft austarierte Balance aufgibt und sich trotz ihrer komplex-komplizierten Persönlichkeit öffnet – davon erzählt der Film in erster Linie, wozu er keiner hyperdynamischen Schnittfolgen bedarf, sondern aufmerksam Gesichtszüge einfängt, kleine Gesten, ein stilles Verharren in einem dunklen Raum bis zur „sanften" Abblende. Nicht immer gelingt es Sandra Nettelbeck, dieses hohe inszenatorische Niveau zu halten; die kleinste Unkonzentriertheit lässt das Konzept zusammenstürzen, wobei dann auch die symbolbefrachtete Musik zwischen Keith Jarrett und Paolo Conte schnell die Trivialität der Fabel offenbart. Stets aber überwiegt der Eindruck einer überzeugende Persönlichkeitsstudie, die den Film trägt und faszinierend macht.
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