Die purpurnen Flüsse

Thriller | Frankreich 2000 | 106 Minuten

Regie: Mathieu Kassovitz

Der Ritualmord verschlägt einen Kommissar aus Paris in die Bergeinsamkeit Grenobles. Dort begegnet er einem jungen Polizeileutnant, der durch einen anderen Fall mit dem Mord in dem hybriden System einer Elite-Universität konfrontiert wird. Ein atemlos inszenierter Thriller, der von der Konfrontation zweier grundverschiedener Ordnungshüter lebt, es in seiner Hektik aber versäumt, die fiebrige Grundstimmung der Romanvorlage zu übertragen. Ein Film ohne Zwischentöne, bei dem auch die eindrucksvollen Landschaftsaufnahmen im Feuerwerk der Effekte untergehen. (Fortsetzung: "Die purpurnen Flüsse 2 - Die Engel der Apokalypse", 2004)
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Filmdaten

Originaltitel
LES RIVIERES POURPRES
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
2000
Produktionsfirma
Gaumont/Legende Enterprises
Regie
Mathieu Kassovitz
Buch
Jean-Christophe Grangé · Mathieu Kassovitz
Kamera
Thierry Arbogast
Musik
Bruno Coulais
Schnitt
Maryline Monthieux
Darsteller
Jean Reno (Pierre Niémans) · Vincent Cassel (Max Kekésrian) · Nadia Farès (Fanny Ferreira) · Dominique Sanda (Schwester Andrée) · Karim Belkhadra (Dahmane)
Länge
106 Minuten
Kinostart
01.04.2025
Fsk
ab 16; f
Genre
Thriller
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
BMG (16:9, 2.35:1, DD5.1 dt.)
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Veröffentlicht am
02.04.2001 - 14:23:44
Diskussion
In der grandiosen Alpenlandschaft oberhalb Grenobles, in der abgeschiedenen Provinzstadt Guernon, ist ein furchtbares Verbrechen geschehen. Auf einem abgelegenen Felsvorsprung wird die verstümmelte Leiche eines nackten Mannes gefunden, der in fötaler Haltung zusammengeschnürt ist. Die Natur hat von dem fast vertrockneten Kadaver bereits Besitz ergriffen. Ein Moment des Grauens in der ewigen Wiederkehr des Gleichen. Vom ersten Moment an zerstört Regisseur Matthieu Kassovitz die Illusion einer möglichen Bergidylle. Die Natur ist hier ein bösartiges Umfeld, und die Landschaft feindlich. In mehr als 3000 Meter Höhe, zwischen massiven Gletschern, liegen die Spuren des Verbrechen verborgen; eine verschlossene Eiswelt - unnahbar und geheimnisvoll wie die sportlich attraktive Gletscherforscherin Fanny Ferreira, die für die Ermittlungen zunehmend Bedeutung gewinnt. Der Tote war ein Eigenbrötler, der Bibliothekar der örtlichen Eliteuniversität. Der Rektor fürchtet einen Skandal, die lokalen Behörden aber fordern Hilfe aus der Hauptstadt an. Kommissar Pierre Niémans wird abkommandiert, ein mürrischer Einzelgänger, der wegen eines Angriffs auf einen Fußball-Hooligan in Schwierigkeiten steckt. Am Tatort deutet alles auf einen geisteskranken Triebtäter hin, besonders als weitere Morde folgen, für die Niéman die Ursache in den dunklen Sälen der Universität vermutet. Zur gleichen Zeit untersucht der junge Polizeileutnant Kerkérian in dem 300 km entfernten Dorf Sarzac eine nächtliche Friedhofsschändung und einen Einbruch in der Grundschule. Schnell wischt Kerkérian die These beiseite, dass es sich bei der Grabschändung um die Tat örtlicher Neonazis handeln könnte. Die Spur eines toten Kindes führt ihn nach Guernon, wo die beiden Fahnder aufeinander stoßen. Mit der Figur Kerkérians greift Kassovitz auf eine Element seines Debütfilms „Haß“ (fd 31 571) zurück - einen Polizeileutnant, der das Milieu der Vorstadtbanden bis ins Kleinste kennt, in der Provinz aber völlig unterfordert ist. Das Zusammentreffen der Polizisten ist virtuos inszeniert - Kerkérian hat einen sehr eigenwilligen Zugang zur Verbrechensbekämpfung und ergänzt und kontrastiert den wortkargen Einzelkämpfer Niéman. „Die purpurnen Flüsse“ ist in einem elitären Mikrokosmos angesiedelt, einem Universitätscampus, der auf seine Exklusivität achtet. In einer Atmosphäre von Inzucht und akademischer Isolation wird genetische und eugenische Forschung betrieben. Hinter den „purpurnen Flüssen“ verbirgt sich der Wahn einer faschistoid orientierten Elite, die vom Übermenschen träumt. Eine komplexe verschachtelte Thematik, der der Film allerdings nicht gerecht wird. Die abgeschiedene Bergeinsamkeit, die verschlossene Elite und eine Serie grausamer Morde wären ideale Elemente für einen düster-romantischen Psychothriller, doch Kassovitz erweist sich lediglich als Meister momentaner Effekte - kurzfristige Stimmungen und Verfolgungsjagden - , er lässt keine Atempausen zu. Durch diese Ruhelosigkeit werden viele Möglichkeiten des Stoffs verschenkt. Der andauernde Adrenalinausstoß beeinträchtigt die unheimliche Atmosphäre und hindert daran, wirkliches Interesse für die Geschichte zu entwickeln. Die fiebrige Grundstimmung ist zwar schon im gleichnamigen Roman angelegt, doch viel stärker durch die Psychologie der Protagonisten motiviert. Kassovitz inszeniert den Film mit großartigen Landschaftsaufnahmen, doch der hektische Ablauf wirkt der Atmosphäre ebenso entgegen wie die unvermittelte Schlusspointe. „Die purpurnen Flüsse“ sind deshalb nicht mehr als ein Thriller ohne Zwischentöne. Der Rhythmus und das Tempo, das in „Haß“ so wunderbar authentisch und rhythmisch brillant getimt war, dient hier nur als Basis für ein Feuerwerk der Effekte.

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