Ein Königreich für ein Lama

Zeichentrick | USA 2000 | 78 Minuten

Regie: Mark Dindal

Ein egoistischer König wird durch die Nachstellungen einer rivalisierenden Zauberin zunächst in ein kaum freundlicheres Lama verwandelt. Erst auf seiner unfreiwilligen Odyssee mit einem vormals geknechteten Bauern findet er allmählich zu charakterlicher Größe. Mit wenigen, aber differenzierten Figuren in klassisch animiertem Ambiente zeigt der rasant erzählte Zeichentrickfilm Mut zur Reduktion, wobei sich im vorliegenden Fall weniger eindrucksvoll als mehr erweist: Charmant erzählt und voll verblüffender Wendungen, gelingt dem höchst amüsanten Film ebenso elegant wie fantasiereich der Brückenschlag zwischen jüngeren und erwachsenen Zuschauern. - Sehenswert ab 10.
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Filmdaten

Originaltitel
THE EMPEROR'S NEW GROOVE
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2000
Produktionsfirma
Disney Enterprises
Regie
Mark Dindal
Buch
David Reynolds
Musik
John Debney · Sting · David Hartley
Schnitt
Pamela Ziegenhagen-Shefland
Länge
78 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 10.
Genre
Zeichentrick
Externe Links
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. einen Audiokommentar des Regisseurs und zahlreicher Crewmitglieder sowie ein Feature mit einer nicht verwendeten Szenen.

Verleih DVD
Buena Vista (16:9, 1.66:1, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
Es war der Kelch mit dem Elch. Oder der Becher mit dem Fächer? Wohl eher der Pokal mit dem Portal. Wer sich an das klassische Dilemma des „Hofnarren“ Danny Kaye erinnert, einen vergifteten Trank zu erkennen, der kann vielleicht ermessen, wie schnell aus einem König ein Lama werden kann. Der geplante Mordanschlag der Zauberin Isma auf König Kusko, den Protagonisten von Disneys neuestem Zeichentrickfilm, wird jedenfalls gründlich vereitelt, als ihr ungeschickter Helfer die Gefäße verwechselt. Der schnell improvisierte Ersatztrank reicht gerade mal zur Verwandlung des Opfers in ein Lama. Aber Disney wäre nicht Disney, wenn nicht gerade in Tiergestalt menschliche Charakterzüge überdeutlich sichtbar blieben. Mit der unfreiwilligen Wandlung, die der Antiheld des Films durchlebt, ändert sich zunächst wenig: Aus einem wenig sympathischen Monarchen – Inka-Herrscher Kusko möchte das malerische Haus eines Bauern abreißen, um sein privates Feriendomizil zu errichten – wird ein ebenso fieses Lama, wenn auch (artbedingt) etwas weniger bösartig. Wie es der Zufall will, ist Kusko in seiner neuen Gestalt ausgerechnet auf jenen gutmütigen Bauern namens Patcha angewiesen, den er zuvor hatte ausbeuten wollen – und der ihn nun aus einem Fluss gefischt hat. Es ist erstaunlich, wie lange es sich dieser Film leistet, seiner Hauptfigur ihre ekeligen Eigenschaften zu belassen: Ob Lama oder König, dieser Kusko ist grundfalsch und beißt sofort in jede Hand, die ihn füttert. Selbst als er reflexartig auch seinem Retter hilft, lernt er allmählich seine guten Seiten zu schätzen. Die Moral also lässt eine geraume Zeit auf sich warten in dieser rasanten Verwechslungs- und Verfolgungskomödie, bei der selbstverständlich an der Seite des zwielichtigen Lamas auch noch eine Vollblutsschurkin mit von der Partie ist: Isma – in Design deutlich ihrer Originalstimme Eartha Kitt nachempfunden – ist eine echte Disney-Hexe, angelehnt an Vorbilder wie Cruella DeVille oder Madame Medusa. Was das Tempo betrifft, scheint es gut möglich, dass man sich bei Disney wirklich einmal den Abenteuerfilmklassiker mit Danny Kaye angesehen hat, der auf so wunderbare Weise ein abgestandenes Genre mit Slapstick und Anachronismen aufmischte. Tempo, Rhythmus, Lifestyle, Laune – das alles verschmilzt im englischen Wort „Groove“, das im Originaltitel eine Schlüsselstellung einnimmt: „The Emperor’s New Groove“, des Kaisers neue Laune, ist also vor allem ein Film über Rhythmus und Rasanz. Ruhepole gibt es kaum, von sechs Songs, die kein geringerer als Sting komponierte, gab man fünf ungenutzt wieder zurück, um sich nicht mit dem Singen aufzuhalten – ein Novum in der Geschichte des Studios. Und sogar eine Liebesgeschichte sucht man vergeblich. Man geht neue Wege bei Disney, schon das ist eine erfreuliche Nachricht. Waren zuletzt Puppen- und Computeranimation aus den assoziierten Ideenschmieden von Tim Burton und John Lasseter für Disneys mutigste Experimente verantwortlich, so wird nun auch am Allerheiligsten, der klassischen Animation, gerührt. Dabei sind die Ziele eigentlich ausgesprochen klassisch gesteckt: Die Beschränkung auf wenige Figuren und eine Screwball-Dramaturgie erlaubt Regisseur Mark Dindal eine ungewöhnlich nuancierte Charakterzeichnung. Formal orientierte man sich an den weichen, aber weniger detaillierten Hintergründen von Disneys Erfolgen der 50er-Jahre wie „Peter Pan“ (fd 2934), während das Figurendesign eher dem modernen Karikaturstil von „Hercules“ (fd 32 840) entspricht. „Wir haben erkannt, dass man mit dem Trickfilm alles machen kann, und dass man für jedes Sujet unter all den Techniken die geeigneteste auswählen kann“, erklärt Produzent Randy Fullmer. Man darf sich also für die Zukunft auf eine größere stilistische Spannbreite bei Disney freuen, wo sich zuletzt mehr und mehr zäher Broadway-Zuckerguss ausgebreitet hatte. Auch wenn die Vorzüge von „Ein Königreich für ein Lama“ – verblüffende Story-Twists und anspruchsvoller Humor – vor allem erwachsene Zuschauer ansprechen werden, hat der Film auch herrlich komische visuelle Momente. So nimmt das furiose Finale – König Kusko muss sich, um wieder zu Menschengestalt zurückzufinden, durch Ismas ganze Zauber-Apotheke probieren – ein klassisches Disney-Kabinettstückchen wieder auf, das unvergessene Duell der Zauberer aus „Merlin und Mim“ (fd 13 172); und der Kelch mit dem Elch macht aus einem Lama am Ende vielleicht sogar wieder einen König.
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