Die Geschichte des 93-jährigen Francisco "Pacho" Rada, der als einer der besten kolumbianischen Akkordeon-Spieler gilt. Rasch weitet sich der eindrucksvolle Dokumentarfilm über das Porträt des sympathischen alten Mannes hinaus aus, gibt anderen Musikern Möglichkeit zur Selbstdarstellung, lässt Mythen und Legendenbildung ineinander fließen und lotet den Stellenwert der Musik fürs Selbstbewusstsein des einfachen Volkes aus. Dabei verdichtet er sich zu einer Darstellung des einfachen, in sich ruhenden Lebens, das trotz finanzieller Armut einen ungeheuren Reichtum zu bieten hat. (O.m.d.U.)
- Sehenswert ab 12.
El Acordéon del Diablo
Musikfilm | Deutschland/Schweiz 2000 | 90 Minuten
Regie: Stefan Schwietert
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Filmdaten
- Originaltitel
- EL ACORDEON DEL DIABLO
- Produktionsland
- Deutschland/Schweiz
- Produktionsjahr
- 2000
- Produktionsfirma
- zero film/Neapel Film/TSI - Televisione Svizzeria
- Regie
- Stefan Schwietert
- Buch
- Stefan Schwietert
- Kamera
- Ciro Cappellari · Felix von Muralt
- Schnitt
- Tania Stöcklin
- Länge
- 90 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 12.
- Genre
- Musikfilm | Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Diskussion
Die Brandung der Karibik: grauweißes, sich silbern glitzernd spiegelndes Meer. Oppulente Bilder der Karibik - und mit dem Meer beginnt die Legende vom karibischen Akkordeon. Damals erlitt ein Frachter voller Akkordeons auf dem Weg von Hamburg nach Buenos Aires vor der kolumbianischen Küste Schiffbruch, und so fand das Instrument Einlass in die Welt des „son“, des „Vallenato“, der „cumbias“, in die Welt der kolumbianischen Volksmusik.
Ein uralter Mann zieht in seiner bescheidenen Holzhütte sein Hemd aus und wäscht sich langsam mit Wasser aus einer Schüssel. Danach putzt er liebevoll die Oberfläche seines Akkordeons. Es ist Francisco „Pacho“ Rada, die Legende des kolumbianischen Akkordeons, 93 Jahre alt. „Ich eine Legende?“, fragt er. „Unsinn, ich lebe doch noch!“ Dann singt der hagere, dunkelhäutige Greis fast bescheiden: „In Deutschland wurde das Akkordeon geboren - hier wurde der geboren, der es spielen kann.“ In Santa Marta hat er vor 30 Jahren ein Stück Land besetzt, nachdem ihn die Drogenmafia von seinem eigenen Grund und Boden im Landesinneren vertrieben hatte. „Früher ritt ich ganz allein auf dem Esel durch das Land, nur das Akkordeon begleitete mich. Auf einer dieser reisen traf ich den Teufel.“ Weltmusik jenseits der großen Tourneen und der großen Geschäfte: „Pacho“ Rada zog sein Leben lang durch Kolumbien und spielte in Dörfern, auf Festen, Taufen und Hochzeiten. 422 Enkel zählt der Alte - seine Tochter schreibt seine unzähligen Geschichten, Anekdoten und Gedichte auf, sein Sohn ist in seine Fußstapfen getreten und zieht nun selbst mit dem Akkordeon durch die Lande. „Dein Lied ist sehr schön“, sagt der Alte lakonisch, „aber dein Akkordeon taugt nichts.“ Ob er es jemals so gut wie der Vater wird spielen können? Denn, so erzählt es „Pacho“ Rada, und seine Nachbarn bestätigen es, er hat mit seinem Akkordeonspiel selbst den Teufel aus dem Feld geschlagen, vor vielen Jahren, nachts in den dunklen Bergen: „’Pacho’ Rada besiegte den Teufel, weil er besser Akkordeon spielt als er!“ In seinen Erinnerungen wie auch in seinen Liedern setzt sich „Pacho“ Rada über die Grenzen zwischen Magie und Realität hinweg, und als ihm sein Heimatdorf eine Hommage ausrichtet, erinnert er sich an die Fabelwesen, die am Ufer des Flusses Magdalena wohnen - im Reich der Teufel und Hexen, Wesen wie der „Mann mit dem sieben Meter langen Armen“, die „fliegende Frau“ und das „Pferd mit den goldenen Zähnen“.
Auch darüber hinaus zeigt Stefan Schwieterts Film beeindruckend pittoreske Details des kolumbianischen Alltags: den Besuch des Sohnes bei der „Santera“, der Wunderheilerin, einen Hahnenkampf und immer wieder mitreißende Musikauftritte. „El Acordeón del Diablo“ ist ein Film über Musik, das faszinierend bunte und lebendige Porträt eines alten Mannes in seinem Umfeld, ein Film über Lebensfreude und Melancholie im Alter und über die Lust an der Erinnerung - an jene Zeit, als „Pacho“ Rada noch als fahrender Musiker von Dorffest zu Dorffest zog: „Feste, Rum und Frauen...“ Dabei lässt Schwietert dem greisen Akkordeonspieler und den Musikern Raum zur Selbstdarstellung, ergänzt die Geschichte mit den Erzählungen der Anderen - etwa mit den Erinnerungen der ersten Ehefrau. Den großen Star der kolumbianischen Volksmusik Alfredo Gutierrez kannte der Alte schon als Baby: „Heute wird viel Rummel gemacht um die Musik, und die jungen Musiker verdienen einen Haufen Geld damit“, erzählt er sarkastisch. Seine Rente sei dagegen, nicht zu wissen, was er morgen essen werde. In den modernen Texten sei vieles verloren gegangen: „Heute spricht man nicht mehr über die Realität“, nur noch: „Du, ich liebe dich. Aber wer liebt hier wen? Nicht einmal die Namen werden mehr genannt!“ „El Acordeón del Diablo“ vermittelt einen faszinierenden Einblick in eine besondere Alltagskultur und stellt die Bedeutung der Musik für den Alltag heraus. Der Film nimmt sich Zeit, zeigt die Menschen, nimmt sie ernst. Dabei vermittelt er eine ganz andere Realität Kolumbiens als dies die apokalyptischen Fernsehbilder tun. Das ist zunächst ein erfrischend anderer Blick, auch wenn an manchen Stellen eine konkretere Beschreibung der Situation des bürgerkriegsgeschüttelten Landes interessant gewesen wäre. Wie sich die Protagonisten zu dieser Situation verhalten, dazu deutet der Film manches an, erklärt aber nicht weiter. Das schmälert indes nicht die Faszination angesichts dieser ungewöhnlichen, zugleich so volkstümlichen Biografie.
Die Geschichte des 93-jährigen Francisco „Pacho“ Rada, der als einer der besten kolumbianischen Akkordeon-Spieler gilt. Rasch weitet sich der eindrucksvolle Dokumentarfilm über das Porträt des sympathischen alten Mannes hinaus, gibt anderen Musikern Möglichkeit zu Selbstdarstellung, lässt Mythen und Legendenbildung ineinanderfließen und lotet den Stellenwert der Musik fürs Selbstbewusstsein des einfachen Volkes aus. Dabei verdichtet er sich zu einer Darstellung des einfachen, in sich ruhenden Lebens, das trotz finanzieller Armut einen ungeheuren Reichtum zu bieten hat. - Sehenswert ab 12.
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