Satire | USA 2000 | 87 Minuten

Regie: John Waters

Eine Gruppe militanter Underground-Filmemacher entführt einen populären Hollywood-Star, um mit ihm einen "ultimativ realistischen" Film zu drehen, in dem selbst die Pistolenkugeln echt sind. Bissige und zugleich verspielte Satire auf das amerikanische Mainstream-Kino, die nur noch ansatzweise John Waters' früheren Provokationen huldigt, sondern die Sehgewohnheiten der Zuschauer benutzt, um sie gegen die Mechanismen solcher Filme zu sensibilisieren. Einfallsreich inszeniert und besonders in der Hauptrolle mit augenzwinkerndem Vergnügen gespielt. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
CECIL B. DEMENTED
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2000
Produktionsfirma
Polar Entertainment/Artic Prod./Ice Cap Prod./Le Studio Canal+
Regie
John Waters
Buch
John Waters
Kamera
Robert Stevens
Musik
Zoe Poledouris · Basil Poledouris
Schnitt
Jeffrey Wolf
Darsteller
Melanie Griffith (Honey Whitlock) · Stephen Dorff (Cecil B. Demented) · Alicia Witt (Cherish) · Adrian Grenier (Lyle) · Larry Gilliard jr. (Lewis)
Länge
87 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Satire
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Heimkino

Verleih DVD
Planet Media (16:9, 1.78:1, DD5.1 engl./dt., DTS dt.)
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Diskussion
Sie haben sich die Namen ihrer „Götter“ in die Haut geritzt, die neunköpfige Film-Terroristengruppe „Die Perforationslöcher“ um den charismatischen Anarcho-Regisseur Cecil B. Demented: Pedro Almodóvar, Kenneth Anger, William Castle, Rainer Werner Fassbinder, Samuel Fuller, Sam Peckinpah, Otto Preminger, Spike Lee und Andy Warhol. Ihr Ziel ist die Zerstörung des Mainstream-Kinos. Teil 1 des Plans ist die Entführung des Hollywood-Stars Honey Whitlock; Teil 2 die Realisierung eines eigenen Projektes mit Honey in der Hauptrolle, das im Stil der „ultimativen Realität“ gedreht werden soll. Überfallartig will man dort auftauchen, wo das Mainstream-Kino seine hässliche Fratze zeigt. Es werden keine Schauspieler in diesem Film auftreten, keine Einstellung wird wiederholt, und auch die Kugeln in den Waffen sind echt. Tote auf beiden Seiten gehören zum Plan dieses wahnwitzigen Unternehmen: „Macht Kultfilme oder sterbt“. Die von Cecil B. Demented nach erfolgreichem Kidnapping mit Hilfe einer Erblondungs-Kur und Elektroschocks „überzeugte“ Honey findet immer mehr Spaß an diesem filmischen Straßentheater, und auch für ihre Fans und die Medien ist ihr neues „Image“ eine willkommene Abwechslung. Bis zur Vollendung ihrer Mission schwören die Film-Soldaten dem Sex ab - doch als dann die letzte Klappe des revolutionären Meisterwerkes fällt, entladen sich bei der mittlerweile durch den Kinokrieg dezimierten Crew die Anspannungen in einem orgiastischen Finale.

In dieser Homo- wie Heterosexuelle vereinenden Orgie blitzt noch einmal jene Provokation auf, die die Filme des einstigen Trash-Papstes John Waters ehedem auszeichnete. Doch seit er sich selber mit „Hairspray“ (fd 27 041) dem Hollywood-Kommerz näherte, sind die Zeiten vorbei, in denen sich Zuschauer in seinen Filmen wegen „beschissener“ Einsichten („Pink Flamingos“, fd 22 190) oder infolge übel riechender Geruchskarten („Polyester“, fd 23 376) übergeben mussten. So ist auch das in voller Montur stattfindende, letztlich nur angedeutete Sex-Gerangel in „Cecil B. Demented“ eben genau von jener heuchlerischen Moral, die auch die US-Kinolandschaft prägt und die Waters so wunderbar persifliert, wenn er das Desinteresse des amerikanischen Publikums an untertitelten, also ausländischen Filmen anprangert, ein Theater ins Bild rückt, das sich rühmt, nur jugendfreie Filme zu zeigen und vor einem Action-Kino Amerikas „schweigende (Mütter-)Mehrheit“ für ein familienfreundliches, sauberes Kino demonstrieren. Für Waters hat Hollywood das Recht der freien Meinungsäußerung zu einem Freibrief auf das „Recht für Jedermann, schlechte Filme zu machen“, verkommen lassen. Wenn man sich die gegenwärtige US-Kinolandschaft betrachtet, passt Waters „Vier Buchstaben“-Beschimpfung auf das Studio-System ja auch wie die Faust aufs Auge. Um jene zu erreichen, die diesem System verfallen sind, wählt Waters wie schon in „Serial Mom - Warum lässt Mamas das Morden nicht?“ (fd 30 785) einen geschickten Schachzug: präsentierte er damals erstmals eine brave amerikanische Mittelstands-Hausfrau als Serienkillerin, so lässt er hier Melanie Griffith gegen ihre Arbeitgeber zu Felde ziehen. Und Griffith spielt die Rolle des zickigen, verwöhnten Stars, die sich zu einer überzeugten Underground-Heroine entwickelt, mit einem solch ironischen Augenzwinkern, das man ihr nicht zugetraut hätte. Es scheint, als habe sie Waters mit seinen hier noch einmal satirisch überhöhten Visionen von einem besseren Kino wirklich überzeugt. Spätestens, wenn Cecil B. Demented mit seinen Gefolgsleuten das Set von „Forest Gump 2: Gump again“ stürmt und in einer einzigen Szene den Schwachsinn des Originals verdeutlicht, merkt auch der Zuschauer, dass er selbst schon zu einem Rädchen in der Mainstream-Maschinerie geworden ist. Vielleicht hält dieses Erschrecken über die eigene „Abhängigkeit“ ein wenig länger an als das Vergnügen, das Waters hier auf seine unnachahmliche, anarchisch-intelligente Weise inklusive einiger weichgespülter Geschmacklosigkeiten bereitet. Dann bräuchte man demnächst nicht wie Waters „Terroristen“ Pistolen im Popcorn zu verstecken, um guten Film den Weg freizuschießen.
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